Syrien:Für den einen Rebell, für den anderen Terrorist

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Ein Standbild aus einem Propagandavideo aus dem Jahr 2013 zeigt Mitglieder der Rebellengruppe Ahrar al-Scham (Foto: AFP)
  • Das syrische Militär hat am Donnerstag eine Großoffensive der Regierungstruppen angekündigt, man will Rebellen-Gebiete zurückerobern.
  • Eine der schlagkräftigsten Rebellenmilizen ist Ahrar al-Sham. Ihre Gründer hatten früher Kontakte zu al-Qaida.
  • Ankara bemüht sich, Washington von einer Kooperation zu überzeugen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

In einer Fernsehansprache hat Syriens Generalstabschef Ali Abdullah Ayoub am Donnerstag eine Großoffensive der Regierungstruppen angekündigt. Sie diene dazu, Gebiete zurückzuerobern, die "unter den Terroristen zu leiden hatten", zitierten syrische Staatsmedien ihn.

Russland und Iran unterstützen die Großoffensive

Dies geschehe mit Hilfe Russlands, das auch am Donnerstag wieder Marschflugkörper auf Ziele in Syrien feuerte; wobei aus dem US-Pentagon verlautete, vier von ihnen seien in Iran statt in Syrien eingeschlagen. Wo genau und mit welchen Schäden, sei unklar. Augenscheinlich versuchen die Regierungstruppen an drei Fronten vorzurücken, von denen sich aber keine gegen die Terrormiliz Islamischer Staat richtet. Syrien stützt sich unter anderem auf Tausende Kämpfer der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, die als gut trainiert, ausgerüstet und diszipliniert gelten. Dazu kommen weniger kampfstarke regimetreue syrische Milizen. Militärberater der iranischen Revolutionsgarden koordinieren diese Kräfte. Iran schickt zudem Söldner, unter ihnen Iraker, aber auch viele Afghanen, die illegal nach Iran ausgewandert sind und mit Geld und Aufenthaltsrechten geködert werden.

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Die Armee zieht nun auch Tausende Soldaten und Milizionäre im Süden zusammen, die in die Gouvernorate Qunaitra und Deraa vorstoßen sollen. Dort hatten in den vergangenen Monaten fast 60 gemäßigte und säkulare Gruppen unter dem Schirm der Freien Syrischen Armee (FSA) Geländegewinne gegen die Truppen von Baschar al-Assad erzielt, von denen einige von den USA unterstützt und in Jordanien in Programmen der CIA trainiert wurden.

Schwere Gefechte sowie neue russische Luftangriffe gab es in der Ghab-Ebene bei Hama und im Gouvernorat Idlib. Dort hatte das Rebellenbündnis "Armee der Eroberung" die Regierungstruppen zurückgedrängt und die Küstenregion um Latakia bedroht, Siedlungsgebiet der Alawiten und damit überlebenswichtig für das Regime von Baschar al-Assad.

In dieser Gegend kämpfen unterschiedlichste Gruppen Seite an Seite: von gemäßigten und säkularen Gruppen der FSA, die teils von den USA unterstützt werden, über Islamisten bis hin zur mit al-Qaida verbundene Nusra-Front.

Ankara will Washington von einer Kooperation mit Ahrar al-Sham überzeugen

Die wohl schlagkräftigste Rebellenmiliz nach dem Islamischen Staat und der Nusra-Front ist Ahrar al-Sham. Sie hatte maßgeblich Anteil an den Vorstößen in Idlib, kämpft aber auch bei Aleppo gegen den Islamischen Staat. Ihre Gründer hatten Kontakte zu al-Qaida.

Derzeit versucht die von der Türkei, Saudi-Arabien und Katar unterstützte Gruppe sich allerdings von der einst dschihadistischen Ideologie zu distanzieren und hat ausländische Kämpfer in ihrer Führung durch Syrer ersetzt - offenbar um für den Westen akzeptabel zu werden. Ankara bemüht sich, Washington von einer Kooperation zu überzeugen; die USA sind weiter skeptisch.

Die dritte Front richtet sich gegen ein ebenfalls von gemäßigten Rebellen gehaltenes Gebiet nördlich von Homs; einige von ihnen werden ebenfalls vom Westen unterstützt.

Das US-Verteidigungsministerium gab in der Nacht bekannt, mehr als 90 Prozent der russischen Luftangriffe hätten sich weder gegen den Islamischen Staat noch gegen mit al-Qaida verbundene Gruppen gerichtet. Die Tatsache, dass die Opposition zersplittert ist und Islamisten eine zunehmende Rolle spielen, macht es für den Westen schwer, schlagkräftige Verbündete zu finden.

Die Kriterien für Ausbildungsprogramme des US-Verteidigungsministeriums sind so strikt, dass nur wenige Dutzend Syrer mitmachen konnten. Kaum in Syrien zurück, wurden sie von der Nusra-Front attackiert.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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