Syrien:Bundesanwaltschaft klagt zwei von Assads Folterknechten an

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Ein von der Nachrichtenagentur AFP verbreitetes Standbild eines Youtube-Videos zeigt, wie der syrische Sicherheitsapparat im Juni 2011 zwei Regimegegner in einem Außenbezirk von Damaskus in den Kofferraum eines Wagens prügelt. (Foto: AFP)
  • Weltweit werden erstmals zwei ehemalige Angehörige des syrischen Assad-Regimes nun in Deutschland wegen Folter angeklagt.
  • Anwar R. und Eyad A. waren als Asylbewerber nach Deutschland gekommen und sollen an der Folter von mindestens 30 Menschen beteiligt gewesen sein.
  • Die Täter leugnen ihre Taten nicht.

Von Moritz Baumstieger, Lena Kampf und Ronen Steinke, München

Es waren dürre eineinhalb Seiten, auf denen die Bundesanwaltschaft am Dienstag einen aufsehenerregenden Erfolg vermeldete. Den Karlsruher Ermittlern ist es gelungen, Anklage zu erheben gegen die syrischen Staatsbürger Anwar R. und Eyad A., die als Asylbewerber nach Deutschland gekommen waren. Sie waren jedoch keine Opfer des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad, sie waren Täter.

Die nüchternen Ausführungen der Ermittler fassen das Schicksal von mindestens 4000 Menschen zusammen, die in Syrien ab 2011 für mehr Freiheit auf die Straßen gingen und stattdessen das Grauen kennenlernten. Sie wurden im Gefängnis der Abteilung 251 von Assads Sicherheitsapparat gefoltert, in dem "selbst für die Maßstäbe syrischer Geheimdienste" brutale Methoden angewandt wurden, wie der Bundesgerichtshof in einem Haftentscheid feststellte. Von "Schlägen mit Fäusten, Stöcken, Rohren, Kabeln, Peitschen und Schläuchen" ist nun in der Anklage die Rede, von Elektroschocks, Vergewaltigungen und Häftlingen, die an den Handgelenken aufgehängt wurden.

Überwacht und geleitet haben soll das Gefängnis Anwar R., der in der Abteilung 251 des Geheimdienstes als Oberst diente und die Unterabteilung für "Untersuchungen" leitete. Die Menschen, die im Keller des Gebäudes in der Bagdadstraße in Damaskus misshandelt wurden, führte ihm unter anderem Eyad A. zu, der eine Greiftruppe in der Abteilung 40 angeführt haben soll: Seine Männer jagten laut den Karlsruher Ermittlern Demonstranten auf den Straßen der Hauptstadt und in Vororten; brachten, wessen sie habhaft wurden, zu Anwar R. Was die Aufgegriffenen zu erwarten hatten, wusste Eyad A.: "Wenn jemand an Demonstrationen teilgenommen hat, wurde er in das Gefängnis gebracht und ihm dort mit dem Wasserkocher der Rücken verbrannt. Stromschläge gab es immer", sagte er bei einer Vernehmung.

Mittäterschaft bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit wirft die Bundesanwaltschaft nun Anwar R. vor. Freiheitsberaubung und Folterung von mindestens 30 Menschen Eyad A., die Verfahren sollen vor dem Oberlandesgericht Koblenz eröffnet werden. Weil solche monströsen Verbrechen nach dem Weltrechtsprinzip auch in Drittstaaten angeklagt werden können, die weder Schauplatz der Taten waren noch eine Beteiligung eigener Staatsbürger verfolgen, haben das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft vor Jahren Ermittlungen begonnen. Mit der nun erhobenen Anklage müssen sich weltweit erstmals Mitglieder von Assads Unterdrückungsapparat für ihre Taten verantworten - selbst die Institutionen der Vereinten Nationen waren daran bislang gescheitert.

Für die Angeklagten waren die Taten Teil ihres Jobs

Nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR stützt sich die Anklage der Ermittler auf die Aussagen von 52 Zeugen, die wie die Verdächtigen aus Syrien geflohen sind. Als die beiden Männer im Februar in Berlin und Zweibrücken verhaftet wurden, sprach sich das schnell in der Exilgemeinde herum. Syrer aus ganz Europa sagten aus, zum Prozess werden Zeugen aus Frankreich, Schweden und der Schweiz anreisen, um - teils aus Angst vor Repressionen anonym - die Gräueltaten in der Abteilung 251 zu beschreiben. Die meisten kennen die Zustände dort sehr genau, 40 von ihnen waren hier selbst inhaftiert, ein Mann "im weitesten Sinne" für die Abteilung tätig.

Anwar R. und Eyad A. haben ihre Taten nie verleugnet, sie im Gegenteil gegenüber den Ermittlern als normalen Teil ihres Jobs beschrieben. Und auch wenn Eyad A. angegeben hat, er sei "absolut gegen Gewalt gegenüber Zivilisten" und deshalb desertiert, glauben die Karlsruher Ermittler nach Recherchen von NDR, WDR und SZ nicht an solch hehre Motive: Beide Verdächtigen haben Syrien 2012 und 2013 wohl verlassen, weil ihnen die Situation dort "zu heiß" geworden sei: Anwar R. etwa stammte aus Homs, das bald zu einer Rebellenhochburg wurde, Angehörige der Freien Syrischen Armee bedrohten dort wohl die Familie des Geheimdienstlers. Mit seiner Flucht nach Deutschland, dachte Anwar R., sei diese Vergangenheit abgehakt - nicht wissend, dass die Ermittler in Karlsruhe das ganz anders sehen.

© SZ vom 30.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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