Syrien-Entscheidung Obamas:Waffenlieferungen schon vor Wochen beschlossen

US-Präsident Barack Obama

US-Präsident Obama soll ein ambivalantes Verhältnis zu seiner eigenen Entscheidung haben.

(Foto: dpa)

Präsident Obama wollte eigentlich nie in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen werden. Nun will er die Rebellen doch unterstützen. Der Beweis für den Einsatz von Giftgas war dabei jedoch offenbar kaum mehr als eine allerletzte Entscheidungshilfe. Denn die Waffenlieferung soll schon vor Wochen beschlossen worden sein.

Von Christopher Pramstaller

König Abdullah von Jordanien hatte eine Karte mit nach Washington gebracht. Er zeigte Präsident Obama und der US-Regierung, wie die Zukunft Syriens aussehen könnte, wenn niemand in den Bürgerkrieg eingreift. Alawiten an einem Küstenstreifen, Drusen an der Grenze zu Israel, Kurden im Nordosten, eine große von Sunniten beherrschte Region und ein breiter Streifen in der Wüste, in dem Islamisten das Sagen haben.

König Abdullah zeichnete Ende April das Bild eines Landes, das zerfurcht wäre von ethnischen Grenzen, das genauso wenig unter Kontrolle zu halten sein würde, wie die Stammesgebiete im Norden Pakistans (Fata), wo Islamisten ein Regime errichtet haben, dem die Regierung machtlos gegenübersteht. "Syrien wird ein neues Fata, die Brutstätte von wo aus Islamisten ihre Attacken planen", so der König laut Washington Post in einem Meeting.

Die Vision eines unkontrollierbaren Landes im Nahen Osten war offenbar ein weiteres Argument, das die USA nach einem langen Abwägungsprozess zur Entscheidung brachten, Waffen an die Rebellen in Syrien zu liefern. Denn in der US-Regierung ist nach Medienberichten bereits vor Wochen der Entschluss gereift, die Aufständischen zu bewaffnen. Der Einsatz von chemischen Waffen durch das Assad-Regime sei nur eine neue Rechtfertigung gewesen, berichtet die Washington Post unter Berufung auf Regierungsmitarbeiter.

In der US-Führung habe es wachsende Sorge wegen des Großeinsatzes der libanesischen Hisbollah in Syrien und der jüngsten Siege auf dem Schlachtfeld durch die Truppen von Präsident Baschar al-Assad gegeben, berichtet das Wall Street Journal. Ende April soll Obama einen Stab einberufen haben, der sich mit den Möglichkeiten der Bewaffnung und mit der Frage, wie sie geliefert werden könnten, auseinandersetzen sollte.

Obamas Entscheidung hat nun eine lange Debatte zwischen dem Weißen Haus und dem Außenministerium beendet, in der darüber gestritten wurde, ob die Bewaffnung ein erster Schritt sei, der die USA immer tiefer in den syrischen Konflikt hinein ziehen würde. Ein zu riskantes und ebenso viel zu teures Unterfangen, argumentierten die einen. Das Eingreifen könnte die gesamte Region vor einem Kollaps beschützen, die anderen.

Nun ist Obama in einer Position, in die er nie hineingeraten wollte. Er hat die USA zu einer Konfliktpartei gemacht. Schon am Donnerstag bekräftigten Rebellen und Politiker in Washington, dass leichte Waffen und Munition nicht ausreichen würden. Es müssten auch Boden-Luft-Raketen und panzerbrechende Geschosse geliefert werden.

Der US-Geheimdienst CIA soll währendessen Vorbereitungen für Waffenlieferungen treffen. Die CIA will dafür Stützpunkte in der Türkei und in Jordanien nutzen, schreibt die Washington Post. Von dort sei zuvor schon Versorgungsmaterial nach Syrien transportiert worden, nun könnten diese Wege auch für Waffen genutzt werden.

Syriens Rebellen wollen nach der US-Zusage nun bereits am heutigen Samstag in Istanbul über ihren Waffenbedarf beraten. Wie der Sprecher der Freien Syrischen Armee (FSA), Luai al-Mekdad, sagte, wollen Vertreter arabischer und westlicher Staaten mit syrischen Oppositionsrepräsentanten zu Gesprächen zusammenkommen. Der Generalstabschef der von Deserteuren gegründeten FSA, General Salim Idriss, werde dabei über die militärische Situation im Land berichten. Die Opposition wolle auch darüber beraten, in welchen Gebieten eine Flugverbotszone nötig sei.

Obama soll immer noch ein ambivalentes Verhältnis zu seiner eigenen Entscheidung haben, wie die New York Times unter Berufung auf Regierungsmitarbeiter schreibt. Der Präsident sei nicht überzeugt, dass diese den Ausgang des Bürgerkrieges verändern könnten. Privat habe er aber die Hoffnung geäußert, dass so Zeit erkaufen zu können, um zu einem Verhandlungsergebnis zu kommen. Mit begrenzten Waffenlieferungen hoffe Obama, die Rebellen ausreichend zu unterstützen, so dass die syrische Führung einen Anreiz habe, eine Lösung auszuhandeln.

"Der Schritt spiegelt aber auch die Nervosität im Weißen Haus wider - wegen der größer gewordenen Beteiligung Irans und seiner Stellvertretergruppe, der Hisbollah, im Kampf für Assad", heißt es. Ein Sieg des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad würde auch wie ein Sieg Irans aussehen.

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