Syrien:Jahre des Grauens

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Besonders schwer vom Bürgerkrieg getroffen wurde die nordsyrische Großstadt Aleppo, die jahrelang umkämpft war. (Foto: Mohammed al-Khatieb/AFP)

Eine Chronologie des Blutvergießens in Syrien.

Von Reymer Klüver

Seit mehr als zehn Jahren herrscht Krieg in Syrien mit Hunderttausenden Toten, Verwundeten und Verschleppten und Millionen Flüchtlingen. Alles begann mit einem scheinbar nebensächlichen Ereignis.

6. März 2011: In der Provinzstadt Dara'a werden 15 Jugendliche festgenommen und misshandelt, weil sie Anti-Assad-Graffiti an Hauswände gesprayt hatten. Dort und in weiteren Großstädten des Landes kommt es zu regimefeindlichen Demonstrationen. Dutzende werden von Sicherheitskräften erschossen.

22. April 2011: Am sogenannten „blutigen Freitag“ werden allein in Dara'a 120 Menschen getötet. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilt das blutige Vorgehen des Regimes; die USA und die EU verhängen Sanktionen.

29. April 2011: Die ersten Flüchtlinge treffen in der Türkei ein.

29. Juli 2011: Deserteure aus den Reihen der syrischen Armee bilden die „Freie Syrische Armee“, um den bewaffneten Widerstand gegen das Regime zu organisieren.

4. Oktober 2011: Die Internationalisierung des Konflikts schreitet voran. Russland und China legen erstmals gemeinsam ein Veto gegen eine Resolution im UN-Sicherheitsrat ein, die die „schwere, systematische“ Verletzung von Menschenrechen in Syrien verurteilen sollte.

23. Januar 2012: Ein neuer Akteur greift ins Geschehen ein: Islamisten gründen die Al-Nusra-Front, den syrischen Ableger von al-Qaida.

20. August 2012: US-Präsident Barack Obama warnt das Assad-Regime vor dem Einsatz von Giftgas. Wer diese rote Linie übertrete, müsse mit dem Eingreifen der USA rechnen.

20. Dezember 2012: Nach Angaben des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen, UNHCR, sind bereits mehr als eine halbe Million Syrer aus dem Land geflohen. Im März 2013 wird die Zahl eine Million erreichen; im September sind es bereits mehr als zwei Millionen Flüchtlinge.

25. März 2013: Rebellenkräfte beschießen die Innenstadt von Damaskus; die Kämpfe haben neben der Hauptstadt auch die Metropole Aleppo erfasst.

25. Juli 2013: Die UN stellen fest, dass der Bürgerkrieg in zwei Jahren bereits mehr als 100 000 Todesopfer gefordert hat.

21. August 2013: Erstmals gibt es Berichte über den Einsatz von Giftgas der Assad-Armee in Vororten von Damaskus. Nach späteren Schätzungen sind fast 1500 Menschen der Attacke zum Opfer gefallen. Nach Drohungen Russlands entschließt sich US-Präsident Obama, nicht militärisch einzugreifen. Stattdessen soll das Giftgasarsenal unter internationale Kontrolle gestellt und vernichtet werden.

4. März 2013: Die Provinzstadt Rakka fällt in die Hände islamistischer Rebellen. Ihr Führer Abu Bakr al-Baghdadi verkündet die Gründung eines Kalifats, das von Aleppo in Syrien bis in den Norden Iraks reicht: den Islamischen Staat. Rakka wird zur provisorischen Hauptstadt erklärt. Die Islamisten erobern Ölfelder und etwa ein Drittel der Landfläche Syriens und weite Teile Nordiraks.

Februar 2014: Regierungstruppen greifen das von Rebellen gehaltene Aleppo mit Fassbomben an. Der US-Geheimdienst CIA stellt fest, dass Assads Truppen ihre Stellung gefestigt hätten – vor allem aufgrund der Unterstützung Russlands und Irans.

Mitglieder des IS marschieren auf dieser 2014 veröffentlichten Propaganda-Aufnahme durch Rakka, die „Hauptstadt“ des islamistischen Kalifats, das die Terrorgruppe ausgerufen hat. (Foto: AP)

7. August 2014: Eine von den USA angeführte Koalition beginnt mit dem systematischen Bombardement von IS-Stellungen in Syrien. Bis Dezember 2017 wird der IS 95 Prozent seiner Eroberungen wieder verloren haben, einschließlich Rakkas und der kurdischen Großstadt Mossul im Irak.

9. Juli 2015: Der UNHCR stellt fest, dass mehr als vier Millionen Menschen aus Syrien geflohen sind. Mehr als 1,3 Millionen beantragen Asyl in der EU.

September 2015: Russische Einheiten greifen aufseiten des Assad-Regimes in den Krieg ein. Moskau hatte den Diktator von Beginn des Kriegs an mit Militärhilfe massiv unterstützt. Nun aber werden Soldaten und Flugzeuge dauerhaft im Land stationiert. Tausende Zivilisten sollen bei den folgenden Angriffen russischer Bomber ums Leben gekommen sein.

August 2016: Türkische Einheiten überschreiten die Grenze zu Syrien und greifen in das Kriegsgeschehen ein. Seither kontrolliert die Türkei einen Landstreifen in Nordsyrien.

1. Dezember 2016: Regierungstruppen verdrängen Rebellen weitgehend aus Aleppo. Viele Militärexperten sehen das als endgültigen Wendepunkt des Geschehens zugunsten des Assad-Regimes.

19. Dezember 2018: US-Präsident Donald Trump erklärt offiziell den Sieg der Koalitionstruppen über den IS.

März 2020: Diktator Baschar al-Assad kontrolliert nach Expertenschätzung wieder etwa zwei Drittel des Landes.

7. Mai 2023: Die Arabische Liga stimmt für die Wiederaufnahme Syriens, das 2011 nach Beginn des Bürgerkriegs ausgeschlossen worden war. Es scheint der Beginn des Comebacks Assads auch auf die internationale Bühne zu sein. Nach UN-Angaben hat der Konflikt mehr als 350 000 Tote gefordert, weit mehr als zehn Millionen Menschen dürften vertrieben worden sein.

27. November 2024: Überraschend flammt der Bürgerkrieg mit einer Offensive der Islamisten-Allianz Hayat Tahrir al-Scham in Nordsyrien wieder auf.

8. Dezember 2024: Diktator Baschar al-Assad flieht aus Damaskus, Rebellen der Hayat Tahrir al-Scham übernehmen die Kontrolle in der Hauptstadt.

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