Syrien:Assads Rückkehr nach Arabien

Syrien: Gute Stimmung herrschte in der syrischen Hauptstadt zwischen Diktator Baschar al-Assad (r.) und seinem Besucher Scheich Abdullah bin Zayed al-Nahyan, Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate.

Gute Stimmung herrschte in der syrischen Hauptstadt zwischen Diktator Baschar al-Assad (r.) und seinem Besucher Scheich Abdullah bin Zayed al-Nahyan, Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate.

(Foto: SANA/AFP)

Der syrische Diktator wird trotz des langen Bürgerkriegs inzwischen von vielen regionalen Regierungen hofiert, als sei nichts gewesen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.

Von Thore Schröder, Beirut

Erstaunlich war vor allem die zur Schau getragene Herzlichkeit der beiden Männer. Lange Umarmungen, vergnügte Blicke, Handshakes für die ganze Delegation. Der syrische Diktator Baschar al-Assad schien sein Glück kaum fassen zu können, als ihn am Dienstag vergangener Woche der emiratische Außenminister Scheich Abdullah bin Zayed al-Nahyan in Damaskus besuchte. Es war die ranghöchste Visite aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs 2011. Tatsächlich hat Assad für die Wiederannäherung zwischen seinem Regime und einer Reihe mit den USA verbündeten arabischen Staaten nichts weiter tun müssen als zu warten.

Die Emirate hatten bereits 2018 ihre Botschaft in der syrischen Hauptstadt wiedereröffnet. Damals wurde offiziell erklärt, dass der Schritt auch darauf abzielte, regionale Einmischung "in arabische, syrische Angelegenheiten" zu begrenzen - ein Verweis auf die einflussreiche Rolle Irans im Bürgerkriegsland. Bei diesem Besuch nun dankte Präsident Assad den VAE für ihre "korrekten und objektiven Positionen" gegenüber Syrien. Zwei Tage später wurde ein Deal bekannt gegeben, wonach ein emiratisches Konsortium in den kommenden Jahren nahe Damaskus ein 300-Megawatt-Solarkraftwerk errichten wird.

Assad hat den Krieg faktisch gewonnen. Dass er nicht weichen muss, ist längst Gewissheit. Der Kriegsherr braucht aber Investitionen aus dem Ausland, um seine Macht weiter zu sichern, nicht nur für den vollkommen maroden Energiesektor. Nach bald elf Jahren Konflikt liegt Syrien am Boden. Die Hälfte der Bevölkerung ist entweder ins Ausland geflüchtet oder wurde binnenvertrieben, Hunderttausende Syrer kamen bei den Bombardements des Regimes und der russischen Luftwaffe ums Leben, neun von zehn Bewohnern leben in Armut. Das Land ist weiterhin geteilt, Assad beherrscht nur rund zwei Drittel des Staatsgebiets. Eine politisch-diplomatische Lösung liegt in weiter Ferne, eine Aufhebung der lähmenden EU- und US-Sanktionen scheint nicht in Sicht.

Die Motivation Abu Dhabis, in dieser Situation eine Annäherung an den Autokraten zu suchen, war also vor drei Jahren bereits angeklungen: Man will das Feld nicht für die iranischen Feinde, die türkischen Rivalen und auch noch die Russen räumen. "Syrien sollte nicht sich selbst überlassen werden", sagt Amdschad Taha, ein emiratischer Analyst, dem Fernsehsender Al-Arabiya, "wenn die Iraner und die Russen da sind, sollten die Araber auch da sein."

Spätestens mit dem Fall der Wirtschaftsmetropole Aleppo 2016 mussten die VAE feststellen, dass die von ihnen unterstützten Rebellengruppen chancenlos sind im Kampf gegen Assads Truppen und seine Verbündeten, vor allem Russland. Das Engagement für die syrische Opposition wurde inzwischen als verlorenes Investment verbucht. Mittlerweile steht man etwa in Libyen sogar auf derselben Seite wie Baschar Al-Assad. Syrien und die VAE unterstützen dort beide Warlord Khalifa Haftar.

Immer offenere Kontakte mit dem Regime passen nicht zuletzt auch in eine Zeit, in der jeder mit jedem zu sprechen scheint in der Region. Israel hat Friedensabkommen mit einer Reihe arabischer Staaten, darunter den VAE, geschlossen. Iran und Saudi-Arabien konferieren in Bagdad. Auch die Verhandlungen zur Wiederaufnahme des Nuklear-Deals mit Teheran laufen, wenn auch sehr stockend.

Washington zeigt sich besorgt

Das alles geschieht unter dem Eindruck, dass sich die Supermacht USA immer weiter aus der Region zurückzieht beziehungsweise dass die Regierung von Joe Biden zumindest nicht gewillt ist, nennenswertes politisches Kapital in Syrien aufzubringen. Nicht zuletzt hat der rigoros durchgezogene US-Abzug aus Afghanistan Washingtons Glaubwürdigkeit erschüttert. Ned Price, Sprecher des Außenministeriums, machte nach der Visite des emiratischen Ministers in Damaskus immerhin deutlich, dass die US-Regierung besorgt ist über das Treffen und "das Signal, das davon ausgeht". Bestrebungen, Baschar al-Assad zu normalisieren und zu rehabilitieren, werde man nicht unterstützen. Er sei "ein brutaler Diktator", der ja auch großen Teilen seiner Bevölkerung humanitäre Hilfe vorenthält.

Es bleibt abzuwarten, ob die Vereinigten Staaten ihr striktes Sanktionsregime für Syrien auch auf arabische Partner anwenden. Die Gelder von Personen, die mit Damaskus Handel treiben, können eingefroren werden. Zweifel an der eigenen Entschlossenheit säten die Amerikaner zuletzt selbst, als sie einem Deal zustimmten, der die Lieferung von ägyptischem Gas via Jordanien und Syrien nach Libanon vorsieht. Damit soll der Kollaps des Zedernstaats abgefedert und der Einfluss Iran dort zurückgedrängt werden. Dieser lukrative Deal ist einer der Gründe, weshalb Jordaniens König Abdullah II. kürzlich nach einer Dekade Funkstille wieder mit Assad telefonierte.

Ägypten will Syrien "in den arabischen Schoß" zurückholen

Wirtschaftliche Interessen motivieren auch Kairo, sich für Syriens Re-Integration einzusetzen. Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte sich Ende Oktober mit Blick auf die Rolle der Türkei in Nord-Syrien für die Achtung von Syriens Souveränität ausgesprochen. Sein Außenminister erklärte später, Ägypten wolle daran mitwirken, "Syrien wieder in den arabischen Schoß" zurückzuholen. Vonseiten der Arabischen Liga hieß es, Damaskus könne schon bei der nächsten Sitzung der Gruppe wieder aufgenommen werden, wenn es einen Konsens gebe. Generalsekretär Ahmed Abul Gheit sagte: "Viele arabische Länder wollen, dass das geschieht." Nur der katarische Außenminister betonte Anfang dieser Woche: "Katars Position bleibt, wie sie ist. Wir sehen keine ernsthaften Schritte des Assad-Regimes, den selbst angerichteten Schaden für sein Land und sein Volk zu reparieren."

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass Präsident Assad jüngst die Absetzung des Befehlshabers der iranischen Revolutionswächter (IRGC) für Syrien durchgesetzt hatte; unter anderem weil IRGC-Kräfte an Orten stationiert worden waren, denen das Regime nicht zugestimmt hatte. Dieser Schritt dürfte am Golf und am Nil wohlwollend registriert worden sein. "Die Wiederaufnahme in die Arabische Liga und die Wiederannäherung mit den arabischen Nachbarstaaten kann Assad für einen geringen Preis bekommen", sagt Andreas Reinicke, Direktor des Deutschen Orient-Instituts Berlin, "aber ein Ende der Sanktionen und damit Geld für den Wiederaufbau wird es erst geben, wenn es eine politische Einigung gibt." Dazu braucht es unter anderem eine neue syrische Verfassung, die im gegenwärtigen UN-Prozess nicht in Sicht ist, so der frühere deutsche Botschafter in Damaskus.

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