Nach Assads Sturz:Wie es für die Syrer in Deutschland nun weitergeht

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Jubel in Berlin: In diesen Tagen feiern viele Menschen, die aus Syrien geflüchtet sind, auch auf Deutschlands Straßen den Sturz des Diktators Assad. (Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Einige Politiker fordern die rasche Rückkehr der geflüchteten Syrer. Doch so schnell wird es wohl nicht gehen. Und manche Menschen werden bleiben dürfen, weil sie hier Arbeit haben.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der Jubel der vor Glück fassungslosen Menschen über den Sturz des Assad-Regimes war noch nicht verklungen, da setzte bereits der politische Chor der Rückkehrparolen ein. Aufnahmestopp und beschleunigte Rückreise, das waren aus Sicht von CDU-Politikern die passenden Worte, die es an die in Deutschland lebenden Syrerinnen und Syrern zu richten galt, nun, da der brutale Diktator verschwunden war. Kein gutes Timing, fanden Kritiker. Überdies waren auch ganz andere Stimmen zu hören, etwa jene der Deutschen Krankenhausgesellschaft: Sie warnte vor Versorgungsengpässen auf dem Land, sollten all die syrischen Ärztinnen und Ärzte Deutschland verlassen.

Aber natürlich ist es zutreffend, rechtlich gesehen: Mit dem Sturz von Baschar al-Assad ist für die mit fast einer Million Menschen größte Flüchtlingsgruppe in Deutschland eine Situation entstanden, in der ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland neu bewertet werden muss. Allerdings könnte es noch eine Weile dauern, bis erkennbar wird, für wen Syrien künftig Sicherheit bietet – oder ob neue Gefährdungen entstehen. Weshalb Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erst einmal die Pausetaste gedrückt hat: Rund 47 000 bislang nicht beschiedene Asylanträge syrischer Flüchtlinge werden vorerst nicht bearbeitet.

So nachvollziehbar die Entscheidung ist: Aus Sicht des Migrationsrechtlers Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik sollte die Pause nicht zu lange dauern, auch deshalb, weil nach der Asylverfahrensrichtlinie eine – allerdings verlängerbare – Sechsmonatsfrist gilt.  Vor allem aber sei der Status der Menschen während laufender Verfahren von Einschränkungen geprägt, wie Residenzpflicht und Einschränkungen bei der medizinischen Versorgung. Sollte die volatile Lage in Syrien noch eine Weile andauern, dann müssten die Asylbehörden sich irgendwann zu Entscheidungen durchringen. Dies gebiete auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Deutsche Behörden müssen für die offenen Verfahren eine rasche Lösung finden

Das Ergebnis wäre dann wohl nicht mehr der sogenannte subsidiäre Schutz, der bisher den meisten Syrern in Deutschland gewährt wird. Bereits in den letzten Monaten des alten Regimes hatte das Oberverwaltungsgericht Münster Zweifel angemeldet: Es lehnte den subsidiären Schutz für einen Syrer ab, weil trotz bewaffneter Auseinandersetzungen in seiner syrischen Heimatprovinz keine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ für Zivilpersonen bestehe, verletzt oder getötet zu werden. Das war zwar eher eine singuläre Entscheidung. Nach dem Sturz des Regimes wäre es aber vermutlich naheliegend, den Schutzstatus abzulehnen, dafür aber Abschiebeverbote auszusprechen oder einen generellen Abschiebestopp. Das wäre ein flexibleres Instrument, mit dem die Behörden – je nach Lage in Syrien – einfacher nachsteuern könnten.

Die deutschen Behörden werden also für die noch offenen Verfahren eine rasche Lösung finden müssen. Anders verhält es sich nach Einschätzung von Hruschka mit den Menschen, die in Deutschland bereits anerkannt sind – als Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte. Zwar heißt es in den einschlägigen Paragrafen, der Schutz „ist zu widerrufen“, wenn die Voraussetzungen entfallen sind. Aber ob dies der Fall ist, dies lasse sich womöglich auch in zwei, drei Monaten noch nicht beurteilen. Er erinnert an die voreiligen Widerrufe nach dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein vor gut 20 Jahren.

Wenn die Behörde einen bereits gewährten Schutz zurücknehmen will, dann gilt ein strengerer Beweismaßstab als im anfänglichen Asylverfahren. „Der Staat muss beweisen, dass für den Betroffenen kein Risiko mehr herrscht, das einen Schutzstatus rechtfertigt, etwa durch einen neuen Länderbericht“, sagt Hruschka. Außerdem verfügten Ende 2023 rund 80 000 Syrerinnen und Syrer über eine Niederlassungserlaubnis, etwa, weil sie eine Arbeit haben. Für sie würde ein Widerruf des Schutzes nichts ändern.

Wer in seine Heimat  zurückkehrt und sich dort niederlässt, verspielt seinen Schutzstatus

Für eine Überprüfung der Bescheide im großen Stil, heißt dies, sollte sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge also Zeit lassen – was wahrscheinlich schon aus Kapazitätsgründen der Fall sein wird. Was aber, wenn Syrer in der Zwischenzeit mal kurz auf Heimatbesuch nach Syrien fahren und dann wieder nach Deutschland zurückkehren? Wer in das Land seiner Herkunft „zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen hat“, verspielt seinen Schutzstatus, so steht es im Asylgesetz. Mit solchen Fällen haben sich die Gerichte mehrfach befasst – das entscheidende Wort ist freilich „niedergelassen“. Ein kurzer Verwandtenbesuch wird nicht ausreichen, um den Schutz einzubüßen.

Bleibt die Frage, ob sich syrische Staatsbürger fortan wirklich nur in Richtung Syrien bewegen werden - oder ob Minderheiten unter einem neuen Regime in die Flucht getrieben werden könnten. Christen zum Beispiel hatten sich irgendwie mit dem Assad-Regime arrangiert. Ob das so bleibt, weiß derzeit niemand. Gleiches gilt für die Alawiten, denen die Assad-Familie angehört.

Und noch eine andere Gruppe könnte im Ausland Schutz suchen: die Schergen der Assad-Diktatur. Auch sie könnten in Deutschland einen Asylantrag stellen, sogar Assad selbst, sagt Hruschka. Einen Schutzstatus würden sie aber wohl kaum bekommen, allenfalls eine Duldung. Und wahrscheinlich einen Strafprozess wegen völkerrechtlicher Verbrechen.

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