Synodaler Weg:Unter dem Brennglas

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Als große Gottesdienste noch stattfanden: Kardinal Marx (M.) und Bischof Georg Bätzing (re.) bei der ersten Synodalversammlung im Januar. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Priestermangel, Glaubwürdigkeitskrise: Die Corona-Pandemie lässt die Probleme der katholischen Kirche noch drängender erscheinen.

Von Annette Zoch, München

Schwester Philippa Rath hat sich im Krankenhaus einsperren lassen, freiwillig. Die Benediktinerin der Abtei Sankt Hildegard in Rüdesheim am Rhein war Begleitperson ihrer demenzkranken Mitschwester aus der Abtei, mitten in der Corona-Pandemie. Besucher und Angehörige waren aus Angst vor Ansteckung in der Klinik nicht zugelassen, und so erlebte die Ordensschwester die Pandemie gewissermaßen im Auge des Sturms. "Obwohl ich jahrelange Erfahrung in Krankenhausseelsorge habe: Ich habe noch nie so viel geistliches Bedürfnis erlebt wie in diesen Tagen. Die Menschen waren ausgehungert nach geistlicher Begleitung", erzählt sie. Durch ihre Ordenstracht sei sie eindeutig erkannt worden. Aber: Das übliche katholische Programm wie die Krankensalbung, die ohnehin nur ein Priester spenden kann, sei gar nicht gefragt gewesen - "dafür jemand, der Zuspruch gibt". Schwester Philippa fragt sich: Warum ist die Kirche so sehr auf die Priester fixiert? Denn, sagt sie: "Es wird die Zeit kommen, dass keine Priester mehr da sind."

Konservative wenden sich dagegen, dass Frauen das Predigtamt ausüben dürfen

Die Ordensfrau erzählt dies beim Regionentreffen des Synodalen Wegs in München. In München und zeitgleich in Ludwigshafen, Frankfurt, Dortmund und Berlin trafen sich am Freitag Kleriker und Laien, um weiter über Reformen in der katholischen Kirche zu diskutieren. Wegen Corona musste die ursprünglich in Frankfurt geplante Vollversammlung aller rund 230 Delegierten auf Februar 2021 verschoben werden. An Ostern, als Gotteshäuser geschlossen blieben, Kirchenglocken, Livestreams und Telefonanrufe das einzige Lebenszeichen der Kirche waren, da wirkten diese innerkirchlichen Debatten seltsam fern. Doch bei der Diskussion in dem Tagungsraum eines Münchner Hotels wird schnell klar: Die Pandemie wirkt wie ein Brennglas - alle Probleme, die die Kirche sowieso schon hat, werden durch das Virus nur noch größer und drängender: der Priestermangel, die Glaubwürdigkeitskrise, die Kirchenaustritte, der Ausschluss von Frauen aus Ämtern.

Vor allem der letzte Punkt bewegt die Teilnehmer des Synodalen Wegs. "Die Zukunft der Kirche wird sich an der Frauenfrage entscheiden", sagte die Vize-Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Karin Kortmann, in Berlin. Die Arbeitsgruppe "Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche" hatte ein Papier vorgelegt mit Vorschlägen, wie schon unter den Bedingungen des Kirchenrechts mehr Frauenbeteiligung möglich ist. Unter anderem schlagen die Autorinnen die Schaffung eines neuen Verkündigungsamts für Menschen ohne Priesterweihe vor, das von Frauen ausgeübt werden darf und das die Berechtigung zur Predigt und zum Spenden bestimmter Sakramente im Gottesdienst enthält. Dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer geht das zu weit: Predigt und Eucharistie seien nicht voneinander zu trennen, der geweihte Priester stehe der Eucharistie vor und habe damit auch die Predigt zu halten. Predigten durch Laien seien nicht vorstellbar. Voderholzer hatte sich vor dem Treffen bereits per offenem Brief über das Arbeitspapier beschwert, weil es in seiner letzten Fassung nicht mit allen Forumsteilnehmern abgestimmt war. Die Forumsvorsitzende, Theologieprofessorin Dorothea Sattler, räumt das ein und verspricht Klärung. Auch wenn die Regionalforen rein beratenden Charakter hatten und keine Beschlüsse gefasst wurden: Der Streit um Formalia zeigt auch, wie argwöhnisch manche Konservative den Synodalprozess belauern. Doch, es muss sich etwas ändern, findet der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx: "Wir spüren, dass unsere Argumentationen immer schwächer geworden sind. Wir spüren, das hält ja gar nicht. Das führt uns in eine Sackgasse", sagt Marx. "Es verliert doch niemand was, weder an Würde noch an Rechten", sagt die junge Teilnehmerin Viola Kohlberger, die die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg vertritt. "Wir leben im 21. Jahrhundert, Gleichberechtigung ist selbstverständlich." Und Schwester Philippa Rath berichtet, sie habe 200 Mails in ihrem Computer, "beeindruckende Zeugnisse von Frauen, aus allen Diözesen und aus fünf Generationen. Frauen, die zum Teil seit 50 Jahren darunter leiden, dass sie ihre Berufung nicht leben können." Tiefe Verletzungen kommen auch beim zweiten Thema des Treffens, der kirchlichen Sexualmoral, zur Sprache. "Vor ihnen steht ein gebrochener Mann, ich lebe in schwerer Sünde, so steht es im Katechismus", sagt Hendrik Johannemann, Mitglied im Synodalforum "Leben in gelingenden Beziehungen". "Wir haben es satt, dass uns unser Glauben abgesprochen wird, weil wir lieben, wie wir lieben. Wir haben es satt zu hören, wir seien in der Schöpfung nicht vorgesehen. Ich bin schwul und katholisch, ich glaube und Gott steht auch mir bei." Und Pfarrer Christoph Uttenreuther erzählt, er habe sich schon bei Menschen auf dem Sterbebett für die Kirche entschuldigt. "Die Kirche schickt diese Menschen in ein moralisches Niemandsland."

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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