Süddeutsche Zeitung

Sven Morlok:Ein FDP-Politiker darf noch im Bundestag sprechen

Der Letzte seiner Art: Der FDP-Politiker Sven Morlok ist zwar kein Abgeordneter, darf aber trotzdem im Bundestag reden - zum großen Leid der CDU.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es war eine erstaunliche Umfrage. Jeder vierte Deutsche bedaure, dass die FDP nicht mehr im Bundestag vertreten sei, meldeten die Nachrichtenagenturen am Mittwoch. Die Bürger wollten die FDP zwar nicht wählen, im Parlament fehle sie ihnen aber doch. Viele Deutsche sehnen sich offenbar nach liberalen Positionen in den eintönig gewordenen Bundestagsdebatten. Einem FDP-Mann aus Leipzig dürfte diese Erkenntnis des Forsa-Instituts besonders gut gefallen haben.

Im Bundestag sitzen zwar tatsächlich keine FDP-Abgeordneten mehr, die Liberalen sind zum ersten Mal in ihrer Geschichte an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Ein FDP-Politiker darf im Parlament aber trotzdem noch reden, wann immer er will: Sven Morlok aus Leipzig.

Der Mann ist Wirtschaftsminister in Sachsen - für sein Land sitzt er auch im Bundesrat. Dort ist er das letzte FDP-Mitglied. In allen anderen Ländern sind die Liberalen ja aus der Regierung gefallen. Das Grundgesetz garantiert den Bundesratsmitgliedern nun aber besondere Privilegien. Die Verfassung gewährt ihnen nicht nur Zutritt zu allen Sitzungen des Bundestags, die Bundesratsmitglieder müssen dort auch "jederzeit gehört werden". So steht es in Artikel 43 Grundgesetz. In der ersten Debatte über die Rentenpläne der großen Koalition hat Morlok davon auch Gebrauch gemacht. Es wurde eine Abrechnung mit Union und SPD.

"Sie klatschen für die FDP!"

Die große Koalition gefährde mit ihren Rentenbeschlüssen die Zukunftschancen der jungen Generation, klagte Morlok im Dezember. Die Pläne belasteten "die Menschen, die jeden Morgen aufstehen, die sich krumm machen, die sich im Beruf engagieren, um ihre Familie zu ernähren". Sie seien "ein Schlag ins Gesicht dieser Leistungsträger" und schadeten dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Die neue Regierung greife "den Beitragszahlern schamlos in die Tasche".

Dass Morloks Auftritt bei der Koalition keine große Freude auslösen würde, war klar. Einer ärgerte sich über den Besuch aus Sachsen aber besonders: Unionsfraktionschef Volker Kauder. Er strafte die Rede mit demonstrativer Missachtung. Kaum dass Morlok zu sprechen begonnen hatte, stand Kauder auf, wandte dem Minister den Rücken zu - und ratschte mit Kollegen. Als die Grünen Morlok Beifall zollten, ätzte der Unionsfraktionschef: "Sie klatschen für die FDP!"

Dass Kauder so allergisch auf den Sachsen reagierte, war allerdings kein Wunder. Denn Morlok durfte die Redezeit der Union nutzen, um die Union zu beschimpfen.

Schuld an dieser absurden Situation sind die Usancen des Bundestags. Damit es zu keinen Unwuchten in den Debatten kommt, wird die Redezeit von Bundesratsmitgliedern immer der "politisch entsprechenden" Fraktion abgezogen. Da es keine FDP-Fraktion mehr gibt, wird die Zeit Morloks der am nächsten stehenden Fraktion weggenommen. Weil Morlok in Sachsen mit der CDU regiert, trifft es die Union.

Morlok will weiterhin vom Rederecht Gebrauch machen

Nun könnte man meinen, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) könnte das Treiben seines Ministers unterbinden. Doch nach Auskunft von Tillichs Staatskanzlei sieht der Koalitionsvertrag keine Regel vor, mit der man das Rederecht Morloks im Bundestag beschränken könnte.

Der FDP-Minister will deshalb auch weiterhin davon Gebrauch machen. "Inflationär" werde er das Recht zwar nicht nutzen, ließ er am Donnerstag ausrichten. Wenn es die Interessen Sachsens verlangten, werde er aber wieder im Bundestag sprechen.

An diesem Freitag kommt Morlok zwar erneut nach Berlin, um gegen die Rentenpläne der Regierung zu protestieren. "Wenn die Stimme der wirtschaftlichen Vernunft im Bundestag fehlt, muss sie eben aus den Ländern kommen", findet der FDP-Politiker. Diesmal will er für seine Klage aber die klassische Bühne eines Landesministers nutzen: das Redepult des Bundesrates.

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SZ vom 14.02.2014/jhal
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