Süddeutsche Zeitung

SV Babelsberg 03:Preisgekröntes Flüchtlingsteam: Fußballtrainer droht Abschiebung

Lesezeit: 2 min

Von Simon Hurtz

Sportlich war der Freitag für den SV Babelsberg 03 überaus erfolgreich. Mit 6:1 gewann die Regionalligamannschaft gegen den Aufsteiger FSV Luckenwalde. Der Verein schreibt auf seiner Homepage von einem "wichtigen, verdienten Erfolg des gesamten Teams".

Doch wenige Stunden zuvor hatte die Babelsberger eine Nachricht erreicht, die den bis dato höchsten Saisonsieg überschattete: Zahirat "Hassan" Juseinov soll abgeschoben werden. Der Co-Trainer und Spieler von Welcome United 03 lebt seit fast sechs Jahren mit einer Duldung in Deutschland. Die Mannschaft besteht ausschließlich aus Flüchtlingen und gilt als Vorzeigeprojekt. Für die Initiative wurde Babelsberg mehrfach ausgezeichnet, vor wenigen Tagen kündigte Til Schweiger seine Unterstützung an.

Abschiebung trotz Integrationspreis

Doch Integrationspreise schützen vor Abschiebung nicht. Das musste vor kurzem erst eine Roma-Familie aus Serbien erfahren: Obwohl die elfjährige Tochter als Beispiel für gelungene Integration in einem Video des niedersächsischen Innenministeriums aufgetaucht war, schickten die Behörden die Familie zurück in ihre Heimat.

Nun trifft es also die Juseinovs. Die Familie kam 2010 aus Mazedonien nach Deutschland. Beide Töchter und der Sohn gehen in Potsdam zur Schule, vor wenigen Wochen kam das vierte Kind zur Welt. Zahirat Juseinov engagiere sich ehrenamtlich und sei "längst Teil unseres Vereins und unserer Gesellschaft", schreibt der Verein in einer Stellungnahme. Er könne niemandem eine Bitte abschlagen und sei immer zur Stelle, wenn er gebraucht werde.

"Vollkommen widersinnig", eine "Katastrophe"

"Wir sind tief bestürzt", sagte Babelsbergs Marketingchef der Märkischen Allgemeinen Zeitung. "Die Familie ist bestens integriert. Eine Abschiebung erscheint vollkommen widersinnig." Auch Vereinsvorsitzender Archibald Horlitz bezeichnete die Entscheidung als "Katastrophe". Ein Mitglied des Aufsichtsrat sagte: "Die Projekte zeichnet man aus, die Akteure aber schiebt man ab. Wir wehren uns gegen diese Doppelmoral."

Am Dienstag wollte Zahirat Juseinov seine Duldung verlängern lassen, wie er es zuvor bereits mehrfach getan hatte. Die normalerweise für die Familie zuständige Sachbearbeiterin sei aber im Urlaub gewesen, schildert er es der MAZ. "Ein anderer Beamter kam dann, sah, dass wir vom Balkan stammen und wollte uns sofort abschieben. Wir sollten unterschreiben, dass wir alle zusammen ausreisen", sagte Juseinov.

Online-Petition für die Juseinovs

Diese Zustimmung habe er verweigert und stattdessen gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin und seinem Arbeitgeber ein erneutes Gespräch mit der Behörde gesucht. Immerhin konnte er sieben Tage Gnadenfrist aushandeln: Bis zum kommenden Dienstag habe die Familie nun Zeit, ihre freiwillige Ausreise zu melden, schreibt die MAZ. Andernfalls würden die sechs Juseinovs abgeschoben.

"Wir bitten euch, zeigt euch solidarisch und unterschreibt für einen dauerhaften Verbleib 'Hassans' und seiner Familie in Potsdam", bittet der SV Babelsberg 03 seine Fans und Mitglieder. Beim Spiel gegen den FSV Luckenwalde lagen bereits Unterschriftenlisten aus. Die Petition "Hassan bleibt" kann auch online unterschrieben werden. Nach 24 Stunden forderten am Samstagnachmittag bereits knapp 1000 Menschen, dass Zahirat "Hassan" Juseinov und seine Familie in Deutschland bleiben dürfen sollen.

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