GroßbritannienSupreme Court nimmt Transfrauen die Frauenrechte

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Darauf ein Glas: Susan Smith (links) und Marion Calder, Direktorinnen der Organisation For Women Scotland, feiern in London die Entscheidung des britischen Supreme Courts.
Darauf ein Glas: Susan Smith (links) und Marion Calder, Direktorinnen der Organisation For Women Scotland, feiern in London die Entscheidung des britischen Supreme Courts. (Foto: Maja Smiejkowska/REUTERS)

Der Oberste Gerichtshof in London hat entschieden, dass vor dem Gleichstellungsgesetz nur das biologische Geschlecht zählt. Unter anderem die Autorin J. K. Rowling jubelt.

Von Martin Wittmann, London

Das britische Parlament macht Pause, viele Abgeordnete sind in den Ferien, Premierminister Keir Starmer etwa urlaubt in Südeuropa. Aber er wird am Mittwochvormittag wohl gesehen haben, dass das Wetter auch in London recht schön war, zumindest, wenn er der BBC-Übertragung aus dem Supreme Court gefolgt ist. Richter Patrick Hodge las da, beschienen vom Sonnenlicht, eine Kurzfassung der 88 Seiten umfassenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vor, die im Vereinigten Königreich und vor allem in Westminster noch länger Diskussionen befeuern dürfte. Demnach beruht die gesetzliche Handhabe, ob eine Person eine Frau ist, nicht auf deren eigener Definition, sondern ausschließlich auf ihrem biologischen Geschlecht. Die schottische Regierung akzeptierte das Urteil, die übergeordnete britische Regierung begrüßte die Klarheit, für die das Gericht nun gesorgt habe.

Zu klären war die Frage, weil eine Gruppe schottischer Aktivistinnen, For Women Scotland (FWS), ein 2018 in Edinburgh verabschiedetes Gesetz angefochten hatte. Das Gesetz sieht vor, dass die Hälfte des Vorstands von öffentlichen Einrichtungen in Schottland von Frauen besetzt werden muss – und dazu zählten auch Transfrauen. Die schottische Regierung berief sich dabei auf den Text des britischen Gleichstellungsgesetzes, des Equality Act (EA), aus dem Jahr 2010.

Umkleideräume für Frauen sollten nicht für Männer geöffnet werden, die sich als Frau definierten, fordert FWS

Transfrauen reichte, um gesetzlich als Frauen zu gelten, die Bescheinigung eines offiziellen Ausschusses, in der ihr Geschlecht bestätigt wurde. Diesem Ausschuss gehören Anwälte, Mediziner und Psychologen an. Die Aktivistinnen von FWS argumentieren nun, dass die gesetzliche Rücksichtnahme auf Transfrauen die Frauenrechte untergrabe. Sie fordern beispielsweise, dass Orte, die Frauen vorbehalten sind, etwa Umkleideräume und Frauenhäuser, nicht für Männer geöffnet werden sollten, die sich als Frau definierten. Zu ihren prominentesten Unterstützern zählt die Schriftstellerin J. K. Rowling. Auf X schrieb die Autorin nach der Urteilsverkündung über die „außergewöhnlichen, hartnäckigen schottischen Frauen“ von FWS: „Mit ihrem Sieg haben sie die Rechte von Frauen und Mädchen im gesamten Vereinigten Königreich geschützt.“

Nicht nur durch die Beteiligung der „Harry Potter“-Erfinderin hat der Fall längst eine gesellschaftspolitische Dimension. Die Richter aber stellten gleich auf Seite zwei des Urteils klar: „Es ist weder Aufgabe des Gerichts, über die öffentlich diskutierten Argumente zur Bedeutung von Geschlecht oder Gender zu entscheiden, noch ist es seine Aufgabe, die Bedeutung des Wortes ‚Frau‘ zu definieren, es sei denn, es wird in den Bestimmungen des EA 2010 verwendet.“  Diese indes habe die schottische Regierung falsch interpretiert.

Der Richter betonte am Mittwoch, dass das Gleichstellungsgesetz weiterhin für den Schutz transgeschlechtlicher Menschen vor Diskriminierung stehe. Kritiker des Urteils äußerten jedoch ihre Sorge vor Konsequenzen für die Minderheit. Amnesty International UK etwa zeigte sich „enttäuscht“ und sah „möglicherweise besorgniserregende Folgen“.

Die Vorsitzende der britischen Konservativen, Kemi Badenoch, hingegen sprach von einem Sieg für alle Frauen, die persönliche Beleidigungen erfahren oder ihren Arbeitsplatz verloren hätten, weil sie das Offensichtliche ausgesprochen hätten. Frauen seien nun mal Frauen, und Männer seien Männer, sagte sie: Die Zeit, „in der uns Keir Starmer sagt, dass Frauen Penisse haben können, ist vorbei“.

Was der Premier im Parlament tatsächlich dazu zu sagen hat, wird frühestens am 22. April zu hören sein, nach dem Ende der Ferien.

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