Die mächtige Waffenlobby in den USA lässt nichts unversucht, um Donald Trumps Kandidaten für einen Sitz im Supreme Court durchzuboxen. Weil dafür auch die Stimmen einiger Demokraten nötig sind, hat die National Rifle Association of America (NRA), die Nationale Gewehrvereinigung, eine gute Millionen Dollar in Werbespots gesteckt. Damit macht sie Druck auf demokratische Senatorinnen und Senatoren. Getroffen hat es etwa Claire McCaskill aus Missouri.
Die habe nicht einmal, sondern gleich zweimal für strengere Waffengesetze gestimmt, heißt es in dem Spot. Aber jetzt habe sie eine neue Chance, es gehe um die Freiheit. Dann wird McCaskills Telefonnummer eingeblendet, zusammen mit der Aufforderung an die Zuschauer, sie anzurufen und ihr zu sagen: "Lassen Sie uns nicht noch einmal im Stich! Stimmen Sie für die Bestätigung von Neil Gorsuch."
Bisher scheint die Kampagne der NRA wenig Erfolg zu haben. Im Gegenteil: Der auch öffentlich ausgeübte Druck stachelt viele Demokraten offenbar nur noch mehr an, Gorsuch zu verhindern. Der Fraktionschef der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, will dafür sogar zur schärfsten Waffe greifen, die die Opposition im Senat zur Verfügung hat: der sogenannte Filibuster, die Ermüdungsrede.
Senatoren können in jeder Debatte so lange reden, wie sie wollen. Und das zu jedem beliebigen Thema, auch über die Haarpflege-Probleme ihres Labradors. Mit diesem Recht können sie eine anschließend geplante Abstimmung verzögern oder sogar ganz verhindern. Die Abstimmung über Gorsuch ist für den 7. April angesetzt. Der Aufforderung von Chuck Schumer, dann am Filibuster teilzunehmen, haben sich schon über 20 Senatoren angeschlossen. Es werden täglich mehr.
Kommt es zu einem Filibuster, kann dieser nur mit einer Zahl von 60 Stimmen beendet werden. Die Republikaner aber haben nur 52 Stimmen, die Demokraten 48. Trumps Partei müsste also acht demokratische Senatoren auf ihre Seite ziehen.
Gorsuch ist ein strammer Konservativer, aber fachlich sehr geeignet
Dass die Demokraten bei der Supreme-Court-Besetzung so auf Krawall gebürstet sind, liegt nicht unbedingt an Neil Gorsuch. Der Karriere-Jurist ist fachlich mehr als geeignet, in den Obersten Gerichtshof aufzusteigen. Das erkennen auch Demokraten an. Das "Grillen" während seiner Anhörung vor dem zuständigen Senatsausschuss vergangene Woche hat Gorsuch ohne Blessuren überstanden. Er konnte glaubhaft vermitteln, dass er - obwohl von Donald Trump vorgeschlagen - ein unabhängiger Richter sein wird.
Gorsuch ist ein strammer Konservativer, daran gibt es keinen Zweifel. Aber auch einer, der seine persönlichen Überzeugungen "am Küchentisch" lässt, bevor er zur Arbeit geht. Er schaue sich jeden Fall unabhängig davon an, sagte er. Und konnte eine Liste von Fällen präsentieren, in denen er zugunsten der kleinen Leute entschieden habe.
US-Präsident:Trumps Wunschrichter nennt dessen Juristen-Attacken "entmutigend"
Der neue US-Präsident will Neil Gorsuch an den Supreme Court schicken, doch der bezeichnet Trumps Tweets über "sogenannte Richter" als "demoralisierend". Der Senat bestätigt den Hardliner Jeff Sessions als Justizminister.
Das Problem der Demokraten ist nicht Gorsuch. Das Problem sind die Republikaner. Die haben vor einem Jahr die Bestätigung des Nachfolge-Kandidaten von Barack Obama für den verstorbenen Richter Scalia mit aller Macht verhindert. Merrick Garland bekam nicht einmal eine Anhörung - mit der Begründung, dass Obama so kurz vor dem Ende seiner Amtszeit keine obersten Richter mehr vorschlagen dürfe. Ein Foul-Spiel sondergleichen aus Sicht der Demokraten.
Großen Einfluss auf die Bestätigung von Gorsuch dürfte auch die am vergangenen Freitag offenbar gewordene Unfähigkeit der Republikaner haben, ihr eigenes Krankenversicherungs-Gesetz durch das Repräsentantenhaus zu bringen. Die Republikaner sehen danach aus "wie eine Gang, die nicht geradeaus schießen kann", sagt etwa John Feehery, ein bekannter republikanischer Politik-Stratege, in der New York Times.
In acht Jahren Obama-Präsidentschaft kannten die Republikaner nur eine politische Strategie, und die hieß: Nein. Nein zu allem. Sie hätten verlernt, Bündnisse zu schmieden und Kompromisse zu machen, das gab selbst der republikanische Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, am Tag der Abstimmungsschlappe zu. In der Zeit der Opposition, "war es leicht, einfach dagegen zu sein". Jetzt aber müssten 216 Abgeordnete dazu gebracht werden, sich einig zu werden. "Aber an dem Punkt sind wir noch nicht."
An den Punkt muss die Partei aber kommen. Eine zweite Niederlage in einer so wichtigen Sache können sich die Republikaner, kann sich vor allem auch Präsident Trump kaum leisten. Der lebt vom Image des Gewinners. Ein weiteres Zeichen der Schwäche dürfte seine Umfragewerte noch weiter sinken lassen.
Die Demokraten hingegen hat der Erfolg im Kampf um eine Krankenversicherung beflügelt. Ihre Geschlossenheit sei der Grundstein dafür gewesen, sagen sie. Warum also nicht noch einmal zeigen, dass Geschlossenheit etwas bewirken kann?
Klingt erstmal gut. Birgt aber für die Demokraten und für jede zukünftige Opposition ein großes Risiko, und das hat einen Namen: die Nuclear Option, die nukleare Option, die jede weitere Diskussion beendet. Heißt: Anders als beim Filibuster können die Republikaner im Senat die Geschäftsordnung mit einer einfachen Mehrheit ändern. Die haben sie mit 52 Sitzen bereits. Und so könnten sie etwa bestimmen, dass es für die Auflösung eines Filibuster künftig ebenfalls nur noch einer einfachen Mehrheit bedarf.
Barack Obama hatte das Filibustern stark eingeschränkt
Zuletzt hatte haben die Demokraten unter Präsident Barack Obama Ende 2013 das nukleare Ticket gezogen, um den Widerstand der Republikaner gegen die Ernennung von 59 Verwaltungs- und 17 Richterposten zu brechen. Seitdem ist ein Filibuster überhaupt nur noch möglich, wenn es um die Besetzung des Supreme Courts geht.
Dieses verbliebene Instrument wollen sich beide Seiten im Senat nur ungern aus der Hand nehmen lassen. Denn ist es erstmal abgeschafft, wird es das auch bleiben. Für jede neue Mehrheit im Senat ergäbe es wenig Sinn, der Minderheit das Filibustern wieder zu erlauben.
Doch die Republikaner wollen Neil Gorsuch unbedingt bestätigen - wohl auch um den Preis der nuklearen Option. Und die Demokraten wissen, dass Trumps nächster Kandidat nicht unbedingt eine Verbesserung bedeuten muss. Manche warnen daher, dass die Demokraten hier den richtigen Kampf an der falschen Stelle führen.
Die Bedeutung des Supreme Courts ist in den USA kaum zu überschätzen. Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt und bleiben im Amt, bis sie entweder sterben oder irgendwann freiwillig verzichten. Ihre Entscheidungen bestimmen das politische Klima im Land mit. Jedes kontroverse Gesetz, etwa zum Waffen- oder Abtreibungsrecht, landet irgendwann vor dem Supreme Court.
Drei der Richter sind vor 1940 geboren
Derzeit sind vier Richter im Amt, die von Demokraten ernannt wurden. Nach dem Tod von Richter Antonin Scalia vor einem Jahr verbleiben ebenfalls vier, die von republikanischen Präsidenten eingesetzt wurden. Gorsuch würde die Machtverhältnisse im mit neun Personen besetzten Supreme Court wieder auf fünf zu vier zugunsten der Republikaner bringen.
Einige Richter aber sind schon sehr alt, drei der Richter etwa sind vor 1940 geboren. Zwei davon sind vom Demokraten Bill Clinton eingesetzt worden. Sie könnten angesichts ihres hohen Alters noch in der Amtszeit von Trump sterben oder abdanken. Trump könnte also mit ein, zwei weiteren Nominierungen die Richterbank für sehr lange Zeit zur einer sehr konservativen machen. Das ist die eigentliche Sorge der Demokraten.
Manche glauben, es wäre besser, jetzt Gorsuch passieren zu lassen. Um dann irgendwann später noch alle Mittel in der Hand zu haben, gegen einen weiteren konservativen Kandidaten vorzugehen.
Die von der NRA aufs Korn genommene Senatorin Claire McCaskill ist sich jedenfalls noch nicht sicher, wie sie sich bei der Abstimmung gegenüber Neil Gorsuch verhalten soll. Sie muss 2018 um ihre Wiederwahl bangen - ihren Heimatstaat Missouri hatte Trump bei der Präsidentschaftswahl im Herbst mit 54,4 Prozent gewonnen. McCaskill ist nicht die einzige in der demokratischen Partei, die mit der Abstimmung zu kämpfen hat. Für manche Senatoren ist das Grund genug, sich nicht am Filibuster zu beteiligen. Sehr zur Freude der NRA.