Supreme Court:Der Weg ist frei für eine Afroamerikanerin

Supreme Court: Das Gebäude des Supreme Court auf Capitol Hill in Washington. Die Zusammensetzung des Gerichts wird sich im Sommer wohl ändern - die politische Ausrichtung nicht.

Das Gebäude des Supreme Court auf Capitol Hill in Washington. Die Zusammensetzung des Gerichts wird sich im Sommer wohl ändern - die politische Ausrichtung nicht.

(Foto: Patrick Semansky/AP)

Verfassungsrichter Stephen Breyer legt im Sommer sein Amt nieder. Das macht es US-Präsident Joe Biden möglich, ein Versprechen zu erfüllen.

Von Hubert Wetzel, Washington

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten hat in seiner Geschichte etliche Urteile gefällt, die für die Rechte von Schwarzen und Frauen bahnbrechend waren. Im Fall Brown v. Board of Education erklärte das Gericht zum Beispiel 1954 die Rassentrennung an öffentlichen Schulen für verfassungswidrig. 1973 urteilte das Gericht in dem Fall Roe v. Wade, dass Frauen in den USA das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch haben.

Was dem Gericht bisher jedoch fehlte, war eine schwarze Richterin. Als erster Afroamerikaner wurde 1967 Thurgood Marshall an den Supreme Court berufen. Als erste Frau trat 1981 Sandra Day O'Connor ihr Amt als Verfassungsrichterin an. Doch erst jetzt, im Jahr 2022, besteht die Aussicht darauf, dass dem neunköpfigen Richtergremium auch eine schwarze Frau angehören wird.

An der politischen Grundausrichtung wird sich nichts ändern

Möglich wird das durch einen Rücktritt: Stephen Breyer, 83 Jahre alt und seit 1994 Verfassungsrichter, hat am Mittwoch erklärt, er werde sein Amt im Sommer niederlegen. Und Präsident Joe Biden hat bereits vor längerer Zeit angekündigt, eine frei werdende Stelle am Gericht mit einer Afroamerikanerin nachzubesetzen. Dieses Versprechen, so bestätigte der Präsident am Donnerstag bei einem Auftritt mit Breyer, gedenke er zu erfüllen. Es sei höchste Zeit für eine schwarze Verfassungsrichterin.

An der ideologischen Zusammensetzung des Supreme Court - und damit der politischen Grundausrichtung - wird sich durch die Neubesetzung nichts ändern. Stephen Breyer bildet zusammen mit Sonia Sotomayor und Elena Kagan den dreiköpfigen linken Flügel des Gerichts. Ihnen stehen sechs konservative Richterinnen und Richter gegenüber: John Roberts, Clarence Thomas, Samuel Alito, Neil Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett. Die drei Letztgenannten wurden von Präsident Donald Trump ausdrücklich mit dem Ziel ernannt, das Gericht nach rechts zu rücken.

Wenn nun der liberale Richter Breyer durch eine liberale Richterin ersetzt wird, bleibt diese 6-zu-3-Mehrheit der Konservativen bestehen. Deswegen wird in Washington auch im Moment kein besonders erbitterter Kampf um die Neubesetzung erwartet. Da die konservative Mehrheit nicht in Gefahr ist, können die Republikaner Biden bei der Personalauswahl Spielraum geben. Auch die beiden konservativen Abweichler in der demokratischen Senatsfraktion, Joe Manchin aus West Virginia und Kyrsten Sinema aus Arizona, die wichtige Teile von Bidens legislativer Agenda haben scheitern lassen, werden sich voraussichtlich bei der Richterpersonalie nicht querstellen.

Breyer noch in diesem Jahr zu ersetzen, war für die Demokraten wichtig. Denn im Moment haben sie im Senat, von dem neue Verfassungsrichter bestätigt werden müssen, eine Mehrheit. Die Republikaner können die Neubesetzung der Stelle also nicht behindern. Das freilich könnte sich nach der Kongresswahl im November ändern. Dann steht ein Drittel der 100 Senatssitze zur Neuwahl an, und die Gefahr, dass die Demokraten ihre Mehrheit dabei verlieren, ist relativ groß.

Die Demokraten haben in den vergangenen Jahren auf bittere Art erfahren müssen, was dann passieren kann. 2016 nominierte der demokratische Präsident Barack Obama den liberalen Juristen Merrick Garland für den Supreme Court. Der damals republikanisch beherrschte Senat weigerte sich, das Bestätigungsverfahren aufzunehmen. Die Stelle blieb frei und wurde von Trump mit dem konservativen Gorsuch besetzt. 2020 starb dann die hochbetagte linksliberale Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg. Trump und die Republikaner im Senat setzten binnen weniger Wochen die konservative Katholikin Amy Coney Barrett als Nachfolgerin durch und zementierten dadurch die rechte Mehrheit am Gericht. Seither haben viele Demokraten Breyer mehr oder weniger offen zum Rücktritt gedrängt, solange das Weiße Haus und der Senat noch in demokratischer Hand sind. Diesem Drängen hat der Richter, der eigentlich auf Lebenszeit ernannt ist, nun nachgegeben.

Wen genau Biden als Nachfolgerin nominieren wird, ist noch unklar. In Washington kursieren mehrere Namen von Kandidatinnen: die Bundesberufungsrichterin Ketanji Brown Jackson zum Beispiel oder die kalifornische Verfassungsrichterin Leondra Kruger. Der gelernte Jurist Barack Obama, über dessen Berufung an den Supreme Court immer mal wieder spekuliert wurde, kommt wegen seines Geschlechts wohl nicht in Frage.

Für Joe Biden ist die Möglichkeit, kurz vor der Kongresswahl den Schwarzen in Amerika - einer treuen und wichtigen demokratischen Wählergruppe - einen politischen Gefallen zu tun, eine sehr willkommene Überraschung. Seine Zustimmungswerte sind im Keller, wichtige Gesetzesvorhaben wie das Sozialpaket und die Wahlrechtsreform stecken im Kongress fest. Doch jetzt kann der Präsident damit rechnen, in diesem Jahr zumindest noch einen politischen Sieg zu erringen.

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