Superreiche in den USA:Stellvertreter-Kampf der Milliardäre

Superreiche in den USA: Sie gehören zu den großzügigsten Spendern: Sheldon Adelson (l.) und Charles Koch (r.) sind überzeugte Konservative, während Tom Steyer (M.) die Amtsenthebung von Donald Trump fordert.

Sie gehören zu den großzügigsten Spendern: Sheldon Adelson (l.) und Charles Koch (r.) sind überzeugte Konservative, während Tom Steyer (M.) die Amtsenthebung von Donald Trump fordert.

(Foto: AFP/Imago/Imago)
  • Vor der US-Kongresswahl im November werden Amerikas Superreiche als konkurrierende Großspender aktiv.
  • Der Einfluss über undurchsichtige Wahlvereine ist für Konservative und Liberale nur eine von vielen Varianten, die eigene Ideologie politisch durchzusetzen.
  • Auch Spenden für gemeinnützige Projekte können politische Wege abkürzen und Tatsachen schaffen - etwa im Bildungsbereich.

Von Johannes Kuhn, Austin

Bis zu 400 Millionen US-Dollar. Diese Summe will der konservative Großindustrielle Charles Koch bis November in den politischen Betrieb einspeisen, um zur anstehenden Kongresswahl die konservative Botschaft unters Volk zu bringen.

Diese Botschaft lautet: Die umstrittenen Steuersenkungen der Republikaner sind eine gute Sache, aber nur der Anfang. Nun brauchen die USA weitere Deregulierung und müssen staatliche Dienstleistungen privatisieren. Dies, gemischt mit Diffamierung von Demokraten als Sozialisten und sonstigen Kulturkampf-Zutaten, soll die republikanische Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat retten. Dies würde auch die Zeichen für die Wiederwahl eines konservativen Kandidaten 2020 setzen.

Wer der oben skizzierten Linie als US-Politiker folgt, hat gute Chancen auf indirekte finanzielle Wahlkampf-Unterstützung aus dem Koch'schen Interessengruppen-Netzwerk, in das auch andere US-Oligarchen einzahlen. Seit der "Citizens United"-Entscheidung des Obersten Gerichtshof aus dem Jahr 2010 sind Firmen, Privatpersonen und Gewerkschaften hier praktisch keine finanziellen Grenzen mehr gesetzt.

Der 82-jährige Charles Koch, der seinen vier Jahre jüngeren Bruder David jüngst nach einem geräuschlosen Machtkampf in den Ruhestand schickte, hat zu US-Präsident Donald Trump ein pragmatisches, aber gespaltenes Verhältnis entwickelt. Einerseits profitiert sein Firmen-Konglomerat von den Steuergeschenken und der kohlefreundlichen Anti-Klima-Politik.

Auf der anderen Seite lehnen die Koch-Lobbyisten den Protektionismus US-Präsidenten ab: "Die meisten Schlüsselstaaten werden unter den Zöllen leiden", warnte jüngst Tim Phillips, Präsident der Koch-Organisation "Americans For Prosperity". Indirekt stellen sie republikanische Kandidaten damit vor die Wahl, ob sie der konservativen Freihandels-Orthodoxie oder Trump folgen.

Die Spender versammeln sich hinter Trump

In der Realität allerdings ist die republikanische Partei längst zur Trump-Partei geworden. Diese Botschaft ist auch bei Spendern angekommen. Hinter dem Präsidenten eingereiht haben sich selbst texanische Unterstützer der bei Trump verhassten Bush-Familie oder der konservative Hedgefonds-Manager Paul Singer, der 2016 sogar einen Anti-Trump-Wahlverein gründete.

Den Mega-Spender Sheldon Adelson wiederum beglückte die Trump-Regierung mit dem Umzug der US-Botschaft in Israel nach Jerusalem. Der Hotel-Magnat wiederum wird die Republikaner 2018 mit mindestens 30 Millionen Dollar unterstützen. Und die einflussreiche Familie des Hedgefonds-Managers Robert Mercer, die neben dem Portal Breitbart News auch die umstrittene Datenfirma Cambridge Analytica finanzierte, gehörte ohnehin zu den frühen Unterstützern der Doktrin "America First".

Die Koch-Brüder, deren individuelles Privatvermögen von 60 Milliarden Dollar ihnen Platz acht auf der Forbes-Liste der reichsten Menschen einbringt, sind seit Jahrzehnten aktiv und unter progressiven Amerikanern entsprechend verhasst. Neben diesen bekannten Gesichtern dehnen derzeit auch regionale Königsmacher auf, ihren Einfluss aus.

Mehr als 25 Millionen Dollar hat das Ehepaar Richard und Elizabeth Uihlein bereits in Kandidaten des rechten Flügels gesteckt. "Was auch immer im November passiert, wenn die Republikaner ihre Kongress-Mehrheit gegen den Ansturm der Demokraten verteidigen", schrieb vor kurzem das konservative Hausmedium National Review, "Uihleins Einfluss wird ein großer Teil dieser Geschichte sein."

Investitionen in konservative Experimentier-Staaten

Der 73-jährige Uihlein ist dabei ein gutes Beispiel dafür, dass ein Blick über Washington hinaus lohnt: Das Ehepaar wurde durch den Verkauf von Versandhandel-Zubehör zu Milliardären, ihr politischer Einfluss in den Bundesstaaten Wisconsin und Illinois reicht mehr als ein Jahrzehnt zurück.

So gehören die Uihleins zu den langjährigen Unterstützern von Wisconsins Gouverneur Scott Walker. Der hat seine Heimat gegen große Widerstände zu einem Experimentierfeld für die republikanische Zukunftsprojekt gemacht: Gewerkschaftsfeindliche Gesetze, großzügige Subventionen für Industrie-Investments, Privatisierungsversuche von der Schulbildung bis zur Wasserversorgung - und will im November wiedergewählt werden.

"Die langfristige Agenda von Unternehmen ist nicht nur, Geld in die eigene Tasche zu stecken", analysiert der Ökonom Gordon Lafer von der University of Oregon in einer E-Mail an SZ.de die Großspender-Strategien. "Es geht auch darum, die Größe des Staats zu schrumpfen, die Zahl von Leistungen, die man als Bürger erhält. So soll die Abhängigkeit der Bevölkerung von privaten Arbeitgebern verstärkt werden, weil der Staat weniger Bedürfnisse abdeckt."

Die Demokraten und die Rolle der Philanthropen

Nun sind es nicht nur konservative Superreiche, die den politischen Prozess zu beeinflussen versuchen. Mitunter wirkt es, als würden konservative und progressive Milliardäre mit ihren Spenden einen Stellvertreter-Kampf austragen. Der Kalifornier Tom Steyer, dessen Privatvermögen 1,6 Milliarden Dollar betragen soll, ist einer der bekanntesten Klimaschutz-Aktivsten des Landes und fordert am vehementesten die Amtsenthebung Donald Trumps.

Er hat in diesem Jahr bereits mehr als 16 Millionen Dollar ausgegeben, vorwiegend als Einlagen in den von ihm gegründeten Super PAC, also einem jener Wahlvereine, die Politiker indirekt unterstützen. Mittlere einstellige Millionenbeträge haben der Milliardär George Soros und der Hedgefond-Tycoon Donald Sussman überwiesen, die bereits die Kampagne von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton großzügigst finanziert haben.

Diese Abhängigkeit von Großspendern diskutieren die Demokraten bereits seit langem kontrovers. Clintons Ankündigung 2016, die private Wahlkampffinanzierung langsam umzustellen und gegen die Macht der Konzerne vorzugehen, hatte keine große Glaubwürdigkeit, erhielt sie doch Millionenspenden aus dem Wirtschaftssektor, darunter dem Bankenwesen - und ihr Gegenkandidat Bernie Sanders finanzierte sich ausschließlich durch Kleinspenden in Höhe von durchschnittlich 27 Dollar.

Senatoren wie Kirsten Gillibrand oder Cory Booker, denen Ambitionen für 2020 nachgesagt werden, haben deshalb zumindest einen Verzicht auf Spenden von unternehmensnahen Wahlvereinen angekündigt. Demokraten mit weniger prominenten Namen allerdings tun sich schwer, solche Zuschüsse abzulehnen - die absurd teuren Wahlkämpfe sorgen dafür, dass Lobbyisten nicht vor Abgeordnetenbüros warten, sondern die Abgeordneten Lobbyisten umwerben.

Vorgefasste Gesetze, intransparente Geldflüsse

Der Ökonom Lafer weist darauf hin, dass der genaue Verlauf von Einflusszonen in Washington inzwischen schwer nachzuweisen ist, weil Firmen im gegenwärtigen System ihre Zahlungen an PACs problemlos verschleiern und so Kundenboykotte vermeiden könnten.

Zudem greife die Konzentration auf Großspender zu kurz und decke längst nicht alle Einflussmöglichkeite auf: So verfasse das von zahlreichen US-Konzernen unterstützte American Legislative Exchange Council (ALEC) wirtschaftsfreundliche Modell-Gesetze, die dann Politiker beider Parteien gerade in den Parlamenten der Bundesstaaten häufig kaum verändert übernähmen (eine Kritik, die auch an deutschen Ministerien geübt wird). Auch umstrittene und äußerst lockere Waffengesetze ("Stand Your Ground") wurden von ALEC vorgeschrieben.

David Callahan, Mitgründer des progressiven Thinktanks Demos, geht in seiner Kritik sogar noch weiter. In seinem Buch "The Givers" argumentiert er, dass auch die unter superreichen Demokraten beliebte herkömmliche Philanthropie letztlich oft Tatsachen schaffe, die eigentlich der politischen Legitimation bedürfe. Selbst bei Zielen wie Klimaschutz oder einem gerechteren Justizsystem könne man nicht die Augen davor verschließen, dass es sich um den Versuch handele, die USA nach den eigenen Vorstellungen umzugestalten.

Private Gönner ohne Rechenschaftspflicht

So versuchen zum Beispiel Großspender beider politischen Lager, der Krise des öffentlichen Schulsystems durch neue Privatschul-Konzepte mit sogenannten "charter schools" zu begegnen. Die Beweggründe reichen, je nach politischer Haltung, von besserer naturwissenschaftlicher Ausbildung und strategischer Talentförderung über die Aushebelung der Lehrer-Gewerkschaften bis hin zur Kommerzialisierung der Bildung, inklusive einer stärkeren Verankerung fundamentalistisch-christlicher Inhalte. Entsprechend sind viele Politiker beider Parteien von Privatschul-Konzepten überzeugter als von einer mühsamen Reform des öffentlichen Schulwesens.

Das Fazit von Buchautor David Callahan geht deshalb weit über Koch und Co. hinaus und weist auf ein System, in dem letztlich Geld und Privatinteressen den Kurs eines Landes weitestgehend bestimmen: "Wir stehen vor einer Zukunft, in der private Gönner - die niemandem Rechenschaft abliefern müssen - oft mehr Einfluss als gewählte Volksvertreter haben, die zumindest in der Theorie uns allen Rechenschaft schuldig sind."

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