Super Tuesday der Republikaner:Wenn sich alle als Sieger fühlen, hat keiner gewonnen

Romney gewinnt den Super Tuesday, ohne zu überzeugen. Santorum ist viel zu weit gekommen, um jetzt aufzugeben. Gingrich rettet sich mit seinem Sieg in Georgia - und selbst der glücklose Ron Paul will bis zum Ende kämpfen. Der Vorwahlkampf der Republikaner nützt derzeit vor allem einem: Amtsinhaber Obama.

Matthias Kolb, Atlanta

Die Vorentscheidung ist verschoben: Auch nach den Vorwahlen in zehn Bundesstaaten am Super Tuesday schafft es Mitt Romney nicht, sich klar von seinen Gegnern abzusetzen. Der Multimillionär kann sich zwar über einen ebenso knappen wie symbolisch wichtigen Sieg in Ohio freuen und mit Siegen in fünf weiteren Staaten seinen Vorsprung bei den Delegiertenstimmen deutlich ausbauen. Doch Rick Santorum bleibt ihm mit drei Siegen auf den Fersen. Die leidenschaftlichen Auftritte des erzkonservativen Ex-Senators aus Pennsylvania, der über weniger finanzielle Ressourcen verfügt als Romney, erinnern die Republikaner schmerzlich daran, was sie an ihrem Favoriten vermissen.

US-Vorwahlen der Republikaner

Newt Gingrich gewinnt durch seinen Erfolg in Georgia ebenso wie Ron Paul einige delegates. Da beide nicht daran denken, aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur auszusteigen, wird sich der Vorwahlkampf noch Wochen hinziehen - sehr zur Freude von Amtsinhaber Barack Obama. Süddeutsche.de analysiert, was die Ergebnisse des Super Tuesday für die einzelnen Kandidaten bedeuten und wagt einen Blick in die Zukunft.

Mitt Romney - Favorit mit Rechenschieber und Blankoscheck

Der frühere Gouverneur von Massachusetts hat die wichtigste Prüfung bestanden und sich knapp den Sieg in Ohio gesichert. Zudem hat keiner der vier Kandidaten an diesem Super Tuesday mehr Staaten gewonnen (sechs von 10), mehr Delegierte eingesammelt (nach vorläufigen Berechnungen 183) und keiner so beständige Ergebnisse erzielt wie er.

Gleichzeitig legen die Ergebnisse gnadenlos die Schwächen des 64-Jährigen bloß: In den Südstaaten Georgia, Oklahoma und Tennessee, wo viele gläubige Evangelikale zu Hause sind und die Tea Party stark ist, heißen die Sieger Gingrich beziehungsweise Santorum. In Virginia kommt Romneys einziger Gegner, der libertäre Außenseiter Ron Paul, auf 41 Prozent - ein überdeutliches Misstrauensvotum gegen den Favoriten.

Außerdem wird der Erfolg im Trendsetter-Staat Ohio dadurch entwertet, dass Romney und das ihn unterstützende Super-Pac fünf Mal mehr Geld investiert haben als Rick Santorum. Ein Blick auf die Landkarte und die Umfrage-Daten zeigt, dass Romney in den Städten Ohios und bei den wohlhabenderen Bürgern erfolgreich war, während sein ärgster Widersacher Santorum - wie schon so oft - in den ländlichen Gebieten und bei den Arbeitern punkten konnte.

Um es ganz klar zu sagen: Die Katastrophe für seine Kampagne hat Romney - ähnlich wie vor einer Woche in Michigan - mit dem knappen Sieg in Ohio abgewendet. Doch ein Befreiungsschlag ist dem Mormonen nicht geglückt: Während der Live-Sendungen diskutierten die Nachrichtensender wieder angeregt über eine brokered convention, also die Möglichkeit, dass Romney scheitert, bis zum Parteitag Ende August 1144 Delegierte hinter sich zu bringen. In diesem Fall könnte ein neuer Kandidat aufs Schild gehoben werden - beständig werden Jeb Bush, Ex-Gouverneur aus Florida, und Gouverneur Chris Christie aus New Jersey genannt. Sogar Sarah Palin will nicht ausschließen, dass sie sich von der Grand Old Party rufen lässt.

Auch nach dem Super Tuesday hat Mitt Romney die bei Weitem besten Chancen: Seine Wahlkampfkasse ist gutgefüllt, in seinem Team gibt es genug Anwälte und Zahlenfreaks, die nun eine Strategie erarbeiten werden, wie sie am effektivsten die nötige Zahl von 1144 Delegierten erreichen. Aber solange die Zweifel an seiner wahren konservativen Gesinnung bestehen und Romney mit der Basis fremdelt, muss er sich in den Niederungen des Vorwahlkampfs herumschlagen und verliert wichtige Zeit, die er braucht, um sich als Herausforderer von Obama in Szene zu setzen.

Einer aktuellen Umfrage des Wall Street Journal zufolge haben nur noch 28 Prozent der Amerikaner ein positives Bild von Romney - eine klare Folge der Schlammschlacht, die sich Vorwahlkampf nennt.

Rick Santorum - Underdog mit Leidenschaft und Ausdauer

"Du hast keine Chance, also nutze sie!" An dieses Motto hält sich Rick Santorum seit Monaten und er ist erstaunlich erfolgreich damit. Das Online-Magazin Slate verglich ihn soeben mit Rocky Balboa, jenem von Sylvester Stallone verkörperten Boxer, der nie aufgibt. Und die Ergebnisse des Super Tuesday machen deutlich, dass viele an der republikanischen Basis an diese Story vom Underdog, der gegen das Establishment ankämpft, glauben wollen.

Trotz der Flut an Anti-Santorum-Werbespots, der im Auftrag des Romney-Super-Pacs "Restore Our Future" die Wähler in Ohio überschwemmte, stimmten viele für den Ex-Senator aus Pennsylvania, der bei seinen Auftritten nicht nur über "Obamacare" schimpft, sondern auch Abtreibung und Homo-Ehe geißelt. Vor kurzem erzählte er seinem begeisterten Publikum, seine Familie lebe zurzeit vom Ersparten. Das Geld sei eigentlich für die Ausbildung der Kinder gedacht gewesen, doch "dieses Land ist es wert".

Bei solchen mit Leidenschaft vorgetragenen Sätzen schlagen nicht nur die Herzen der Evangelikalen und Tea-Party-Anhänger höher. Wäre seine Kampagne von Beginn an besser ausgestattet gewesen und hätten seine Fans in Virginia genügend Unterschriften gesammelt, dann hätte Santorum Romney auch in diesem konservativ geprägten Staat gefährlich werden können.

Dass es Romney, dem Favoriten des Partei-Establishments, nicht gelungen ist, Rick Santorum - um in der Boxer-Analogie zu bleiben - k. o. zu schlagen, ist ein Riesenerfolg für den siebenfachen Vater. In genau einer Woche finden primaries in den Südstaaten Mississippi und Alabama statt, wo Santorum deutlich besser ankommt als Romney. Ähnlich gut ist die Ausgangslage für Kansas. Nach dem Super Tuesday hat sich Rick Santorum als einzig ernstzunehmender Romney-Widersacher etabliert und wird weiter auf seine Chance warten. Er ist viel zu weit gekommen und fühlt sich viel zu wohl in seiner Haut, um vorzeitig aufzugeben.

Newt Gingrich - Außenseiter mit großer Klappe und langem Atem

Mission erfüllt: In Georgia musste Newt Gingrich gewinnen und das ist ihm mit einem Vorsprung von 21 Punkten auf Mitt Romney eindrucksvoll geglückt. Eine Niederlage in jenem Bundesstaat, in dem der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses seine Politikerkarriere begann, hätte es selbst dem mehrmals totgesagten Gingrich nahezu unmöglich gemacht, Gründe zu finden, weshalb er weiter im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur bleiben müsse.

Doch außerhalb des Peach State läuft es verheerend bis mittelmäßig für Gingrich. In Tennessee und Oklahoma kommt er mit 24 beziehungsweise 28 Prozent auf ähnliche Werte wie Mitt Romney - und liegt damit weit hinter Rick Santorum, der sich weiter als "wahre konservative Alternative zu Mitt Romney" profiliert. Der 68-Jährige übt sich in professionellem Optimismus und rechnet sich gute Chancen bei den primaries in den Südstaaten Alabama und Mississippi aus, die in einer Woche stattfinden. Gingrich setzt all seine Hoffnungen darauf, dass Santorum wider Erwarten einbricht und noch mehr verbitterte Amerikaner seine plump-populistischen Sprüche à la "Ich senke den Benzinpreis auf 2,50 Dollar pro Gallone" glauben und ihn in großen Staaten wie Texas zum Sieg tragen werden. Der Erfolg in Georgia war noch aus einem anderen Grund enorm wichtig für Gingrich: Er sichert ihm wohl die Zuneigung und den Zugang zu den unerschöpflichen Ressourcen des Kasino-Königs Sheldon Adelson, der das Super-Pac "Winning Our Future" vor zweieinhalb Wochen mit einer weiteren Zehn-Millionen-Dollar-Spende unterstützt hat.

Ron Paul - Einzelkämpfer mit eigener Agenda

Der 76-jährige Abgeordnete des Repräsentantenhauses war der Einzige der vier Kandidaten, der bis zum Super Tuesday keinen Sieg verbuchen konnte - und auch diesmal hat er es nicht geschafft, obwohl er sich vor allem auf Idaho, Alaska und South Dakota konzentriert hat. Ron Pauls Strategie, in jenen Staaten möglichst viele Delegierte einzusammeln, die vor der Abstimmung Wählertreffen abhalten, ist bisher nicht so aufgegangen wie gehofft.

Dieses mittelmäßige Ergebnis wird den Texaner jedoch ebenso wenig frustrieren wie seine enthusiastischen, meist jungen Anhänger (Eindrücke aus der Ron-Paul-Wahlkampfzentrale in Ohio). Sie werden weiter dafür kämpfen, alle US-Soldaten nach Hause zu holen, die Notenbank zu schließen und den Einfluss des Staates auf das Individuum zu begrenzen. Paul selbst hat mehrfach erklärt, solange kein anderer Bewerber die 1144 Delegiertenstimmen hinter sich vereint hat, werde er nicht aussteigen.

Die Strategen der Republikaner sorgen sich derweil um etwas anderes: Wie können sie sicherstellen, dass die begeisterten Anhänger des libertären Außenseiters am 6. November für Mitt Romney oder Rick Santorum stimmen - und nicht zu Hause bleiben? Nach der Abstimmung in Michigan sagten 35 Prozent seiner Anhänger, sie würden keinem anderen Politiker ihre Stimme geben, da diese ebenso wie Obama den Status quo repräsentierten. Es wäre ein herber Verlust für die Grand Old Party, wenn die engagiertesten Helfer im Herbst nicht bei dem Versuch helfen würden, Barack Obama aus dem Weißen Haus zu vertreiben.

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