Großbritannien:Rishi Sunak wird britischer Premier

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An diesem Dienstag soll er in 10 Downing Street antreten: Rishi Sunak am Montagnachmittag vor der Zentrale der Tories. (Foto: Henry Nicholls/Reuters)

Der frühere britische Finanzminister übernimmt die Parteispitze der Konservativen, er war der einzige Kandidat. König Charles III. soll ihn bereits an diesem Dienstag zum Regierungschef ernennen.

Von Oliver Klasen

Das Rennen um die Nachfolge von Liz Truss ist entschieden: Der frühere Finanzminister Rishi Sunak ist - im zweiten Anlauf - Chef der britischen Konservativen geworden und wird damit auch neuer britischer Premierminister. Der 42-Jährige war der einzige Kandidat, der bis Montagnachmittag 100 Unterstützer in der Unterhaus-Fraktion der Tories mobilisieren konnte. Das war die Voraussetzung für alle Bewerber, um als Parteichef antreten zu können. Anfang September war Sunak im parteiinternen Wettbewerb noch gegen Liz Truss unterlegen. Sunak werde an diesem Dienstag nach einem Treffen mit König Charles III. das Amt als Regierungschef antreten, teilte der Regierungssitz in Downing Street am Montagabend mit. Der Premier muss vom König ernannt werden.

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt als designierter britischer Premier rief Rishi Sunak am Montagabend das Land zu Geschlossenheit auf. Seine höchste Priorität sei es, die Konservative Partei und das Land wieder zusammenzubringen, sagte er. Großbritannien stehe vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. "Wir brauchen jetzt Stabilität und Einheit", so Sunak. Er kündigte an: "Ich verspreche, dass ich Ihnen mit Integrität und Demut dienen werde."

Für Sunak sprachen sich bis zur Frist um 15 Uhr deutscher Zeit mehr als 200 Abgeordnete öffentlich aus. Für seine Konkurrentin Penny Mordaunt waren bis dahin lediglich 27 öffentliche Unterstützungsbekundungen bekannt. Ihr Team erklärte jedoch bis zuletzt, dass sie mehr als 90 Abgeordnete hinter sich habe. Letztlich spielte es keine Rolle: Denn sie zog sich kurz vor 15 Uhr aus dem Wettbewerb zurück. "Rishi hat meine volle Unterstützung", schrieb Mordaunt auf Twitter.

Graham Brady, Chef des zuständigen Fraktionskomitees (hinten, Dritter von links), gibt bekannt, dass Sunak der nächste Parteivorsitzende sein wird. (Foto: Stefan Rousseau/dpa)

Graham Brady, der Chef des für die Wahl zuständigen Fraktionskomitees, bestätigte, dass es nur eine gültige Nominierung für das Amt des Parteichefs gegeben habe: jene von Sunak. Damit entfällt nun eine Abstimmung in der Unterhaus-Fraktion. Diese hätte dann angestanden, wenn es zwei Personen mit mehr als 100 Unterstützern gegeben hätte. Anschließend hätten die etwa 170 000 Parteimitglieder der Konservativen wieder das Wort gehabt. Allein ihr Votum wäre bindend gewesen. Nun jedoch rückt Sunak kampflos an die Spitze der Partei und damit auch an die Spitze der Regierung vor. Beide Ämter, Chef der jeweiligen Mehrheitspartei im Unterhaus und Regierungschef, sind in Großbritannien miteinander verknüpft.

Schon am Vormittag hatte sich abgezeichnet, dass alles auf Sunak zulaufen und Mordaunt kaum eine Chance haben würde. Ihr Versuch, Anhänger des früheren Premierministers Boris Johnson auf ihre Seite zu ziehen, misslang. Die 49-jährige Politikerin, Tory-Abgeordnete aus dem südenglischen Portsmouth und zuletzt Ministerin für Parlamentsfragen, ist zwar in der Partei durchaus beliebt, gilt aber in Finanzfragen als unerfahren. Sunak dagegen steht in den Augen vieler Tories für einen verlässlichen Kurs, der angesichts von Rekordinflation und exorbitant steigenden Energiepreisen die Realitäten anerkennt und sie auch gegenüber dem Wahlvolk ausspricht. Das hat offensichtlich bei vielen Abgeordneten den Ausschlag gegeben, denn es war die Steuer- und Finanzpolitik der gescheiterten Premierministerin Liz Truss, die den Konservativen heftige Kritik eingebracht hat. In Umfragen stürzten sie ab; eine Erhebung stellte einen Abstand von 39 Prozentpunkten zur oppositionellen Labour-Party fest, ein nie zuvor gemessener Wert. Abgeordnete, die sich am Montag zu Wort meldeten, sagten, es sei nun das Wichtigste, dass Ruhe in die Partei komme.

Johnson behauptet, es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, die nötige Zahl der Unterstützer zu erhalten

In den vergangenen Tagen hatte es noch nach einem Dreikampf zwischen Sunak, Mordaunt und Boris Johnson ausgesehen. Spekulationen über Johnsons Comeback lösten riesige Unruhe bei den Tories aus. Der 58-Jährige war über das Wochenende medienwirksam vorzeitig aus einem Karibik-Urlaub zurückgekehrt, um seine Chancen auszuloten. Johnsons Unterstützer verwiesen stets auf die Tatsache, dass er der einzige Tory sei, der in den vergangenen Jahren eine Unterhaus-Wahl habe gewinnen können.

Dann jedoch zog sich Johnson am Sonntagabend aus dem Wettbewerb zurück. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich knapp 60 Abgeordnete öffentlich für ihn ausgesprochen; Johnson selbst behauptet jedoch, es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, die Grenze von 100 zu überschreiten. In einem äußerst selbstbewusst formulierten Statement meldete er sich nach seiner Ankündigung zu Wort: "Es ist sehr gut möglich, dass ich bei der Wahl unter den Mitgliedern der Konservativen Partei erfolgreich wäre - und dass ich tatsächlich am Freitag wieder in der Downing Street sitzen könnte."

Johnson war erst im Sommer von Parteifreunden zur Aufgabe seines Amtes überredet worden. Er stürzte über zahlreiche Skandale. Sein gravierendster Fehler war, dass er mitten im Corona-Lockdown an illegalen Partys in seinem Amtssitz teilgenommen und der Öffentlichkeit darüber nicht die Wahrheit gesagt hatte. "Ich glaube, dass ich viel zu bieten habe, aber ich fürchte, dass dies einfach nicht der richtige Zeitpunkt ist", schrieb Johnson. Er könne nicht regieren, wenn er keine geeinte Partei im Parlament im Rücken habe.

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Kommentar von Stefan Kornelius

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