Ist wirklich 2018? Oder eigentlich erst 2015? Im Südsudan scheint es, als habe jemand den Repeat-Knopf gedrückt. Die Jahre gleichen sich auf grausame Weise - auf blutige Kämpfe folgt ein Waffenstillstand, auf jeden Waffenstillstand binnen Tagen der nächste Gewaltausbruch. Mindestens zehn Friedensabkommen hat das junge Land seit dem Bürgerkriegsbeginn 2013 kommen und gehen sehen. Meist wurden sie unter großem Pomp und mit einigem Finanzaufwand in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba getroffen. So auch das jüngste Abkommen vom 12. September. Seither: neue Kämpfe am 14., 16. und 24. September. Und als wäre dies nicht schon tragisch genug, melden britische Forscher jetzt das Ergebnis einer Studie, die unter anderem das US-Außenministerium in Auftrag gegeben hat: Fast 400 000 Menschen sind demnach in dem Konflikt bislang umgekommen. Bisherige Schätzungen gingen von mehreren Zehntausend Todesopfern aus.
Der Krieg im Südsudan zählt zu den verheerendsten Konflikten weltweit. Nicht nur die jüngste Totenzahl bezeugt das, auch die Anzahl der Vertriebenen macht klar, dass das nackte Überleben in diesem Staat immer schwieriger wird. Mehr als ein Drittel der insgesamt zwölf Millionen Südsudanesen mussten seit Kriegsbeginn ihr Zuhause verlassen, etwa die Hälfte von ihnen ist ins Ausland geflohen, die übrigen sind innerhalb der Landesgrenzen auf der Flucht. Der Hunger gehört für die Menschen zum Alltag, Landwirtschaft oder Handel finden in dem zerrütteten Land kaum noch statt.
Mehr als vier Millionen Südsudanesen sind seit Kriegsbeginn auf der Flucht
Diese Katastrophe war in gewisser Weise abzusehen. Im Südsudan findet sich so gut wie jede Zutat, die ein moderner Bürgerkrieg braucht. Erstens: eine Bevölkerung, die seit Jahrzehnten nichts anderes als Krieg kennt. Fast 50 Jahre dauerte der Kampf der Südsudanesen um ihre Unabhängigkeit vom Norden. 2005 brachte ein Abkommen endlich Frieden, 2011 kam es zur Staatsgründung. Insbesondere im Westen war der Jubel groß über die Unabhängigkeit des mehrheitlich christlichen Südsudan; man unterstützte den jungen Staat mit Geld und Expertise. Nur: Südsudans Eliten waren naturgemäß keine demokratieerprobten Politiker, sondern stammten aus dem Militär. Eine zivile Art der Konfliktlösung und des Regierens kannten weder sie noch die Bevölkerung. Und so war es praktisch nur eine Frage der Zeit, bis Konflikte in der jungen Regierung in Gewalt umschlugen: Ende 2013 eskalierte der Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und seinem Vize Riek Machar, ihre Anhänger waren schnell wieder bei den Waffen, und der Bürgerkrieg begann.
Im Südsudan leben - zweitens - mehr als ein Dutzend Ethnien. Das hatte zwar bis 2013 kaum eine Rolle gespielt. Nun aber machten sich die beiden Kontrahenten Kiir und Machar diesen Umstand zunutze. Sie heizten ethnische Spannungen an, um Unterstützer zu mobilisieren - und so wurde aus ihrem Machtkampf schnell ein Krieg zwischen Dinka, Kiirs Volksgruppe, und Nuer, denen Machar angehört.
Drittens gibt es im Südsudan Öl. Die Reserven des Landes zählen zu den größten in Afrika. Doch was einmal aussah wie das ideale Startkapital für den brandneuen Staat, hat sich mittlerweile zum Haupttreibstoff der Kriegsmaschinerie entwickelt - der Rohstoffreichtum als Fluch, wie er auf vielen afrikanischen Staaten liegt. Südsudans Öleinnahmen finanzieren nicht nur Waffenkäufe, sie sind vor allem zum Kriegsziel geworden, um das immer mehr bewaffnete Gruppen konkurrieren.
Nicht zuletzt wegen des Öls beobachten die Nachbarn Uganda, Äthiopien, Kenia, Ägypten und der Sudan diesen Krieg genau - und mischen sich im Bedarfsfall ein. Wie der Konfliktforscher und Südsudan-Experte Luka Kuol schreibt, haben die wechselnden Allianzen der Nachbarstaaten mit den Kriegsakteuren den Konflikt geprägt und noch komplizierter gemacht.
Es sind düstere Aussichten für die Menschen im Südsudan. Immerhin, ein Ereignis hat es dieses Jahr gegeben, das 2018 von den vorigen Kriegsjahren unterscheidet. Im Juli hat der UN-Sicherheitsrat ein Waffenembargo gegen den Südsudan verhängt. Immer wieder war dies an Vetos oder Enthaltungen gescheitert, nun haben sich die Befürworter, allen voran die USA, knapp durchsetzen können. Auch wenn insbesondere die Ukraine, Ägypten und Israel das Land bis dahin mit schweren Waffen versorgen konnten: Nachschub wird es erst einmal nicht geben.