Südostasien:Gute Pflanze, böse Pflanze

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„Hört auf, unser Palmöl zu beleidigen“: Malaysische Landwirte protestieren gegen mögliche EU-Beschränkungen beim Biodiesel. (Foto: Mohd Rasfan/AFP)

Kleinbauern in Malaysia und Indonesien protestieren gegen die Europäer, denn Millionen leben vom Plantagengeschäft.

Von Arne Perras

Carl Bek-Nielsen weiß, wie ermüdend es ist, wenn einem so viele Abkürzungen um die Ohren fliegen. RSPO, MSPO, ISPO, RSB. Schon hat man sich verheddert im Dickicht aus Gütesiegeln und Zertifikaten. In dieser Hinsicht ähnelt eine Palmölkonferenz der anderen. Was also tun, um kritische Zuhörer vor der Erschöpfung zu bewahren? Plantagenmanager Nielsen, der häufig bei solchen Treffen spricht, weiß da einen Weg. Er bringt eine Horrorgeschichte ins Spiel. Und alle Besucher sind wieder hellwach. Man müsse verstehen, dass es nicht um ein bösartiges Gewächs gehe, sagte der Unternehmer bei einem Treffen in Bangkok. "Die Ölpalme ist nicht der Frankenstein der Pflanzenwelt, wie viele glauben." Eher eine Spezies, für die man dankbar sein sollte, weil sie Einkommen schaffe. Und schon ist man mittendrin in der Debatte um Fluch und Segen, Anbau und Raubbau.

Sicher ist: Palmöl hat sich zum Aufreger entwickelt. Und nun treibt der Streit einen Keil zwischen Europa und Südostasien, zwei Regionen, die eigentlich zusammenrücken wollen. Malaysia und Indonesien exportieren 80 Prozent des Öls. Zugleich schreitet die Entwaldung nirgendwo so rasant voran wie in Südostasien. Das liegt nicht nur, aber auch am Palmöl. Seitdem sich herumgesprochen hat, dass die EU Palmöl als Biokraftstoff zurückfahren will, wächst der Unmut. Den bekamen gerade auch EU-Delegierte in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur zu spüren, Demonstranten schwenkten Plakate. "Hört auf, unser Palmöl zu beleidigen", lautete einer der Slogans. Man wirft den Europäern "Pflanzen-Apartheid" vor.

Der Däne Bek-Nielsen, der in Malaysia lebt und "United Plantations" betreibt, findet es unfair, dass sich die Europäer so stark auf Palmöl einschießen, während sie wenig gegen Soja oder Rinderzucht einzuwenden hätten, wodurch weltweit viel mehr Wald verloren gehe. "Ich sage nicht, Palmöl sei perfekt. Ich bestreite nicht, dass es zur Entwaldung beigetragen hat. Aber ein Boykott ist diskriminierend." Nun ist Bek-Nielsen als Großproduzent befangen. Dass es bei Umweltsünden selektive Wahrnehmungen gibt, ist aber nicht falsch. Außerdem liegt eine gewisse Ironie in der EU-Initiative, da die Europäer den Palmölboom durch ihre Nachfrage nach Biodiesel ja zunächst befeuert haben. Nun müssen sie den Erzeugern erklären, warum sie eine Kehrtwende anstreben.

Haji Monti Bin Sahih jedenfalls versteht das nicht. Der Bauer lebt an der Ostküste Borneos in Sabah, er verdient sein Geld seit 23 Jahren mit Ölpalmen. Manchmal machten ihm Elefanten Probleme, sagt er. "Aber die Preise sind gut." Nur, wie lange noch? Vom EU-Plan hat er im Fernsehen erfahren. Klar macht er sich Sorgen. "Ich wüsste nicht, wie ich sonst mein Geld verdienen soll", sagt der 70-Jährige. "Aber wir in Malaysia überlassen so etwas der Regierung. Der Minister sagt, dass wir im Ernstfall halt Produkte der EU boykottieren werden." Sein Nachbar, Azizul Bin Abdul, hat noch gar nichts von dem Vorhaben gehört, doch sollten die Preise fallen, würde es schwer, sagt er. "Wie soll ich meine Arbeiter und den Bankkredit zahlen?" Im Notfall würde er versuchen, Gemüse anzubauen. Auf Borneo bezweifeln allerdings viele, dass sie damit ihre Familien ernähren könnten. Sie sind aufgesprungen auf den Palmöl-Zug, weil der bisher gute Einkommen versprach.

Ein Verbot würde nicht nur die Großen treffen, Kleinbetriebe liefern 40 Prozent der Ernte

In Malaysia sollen Demonstranten als Zeichen ihres Protests hunderttausend Unterschriften von Bauern an EU-Vertreter überreicht haben, so schreiben es Zeitungen in Kuala Lumpur. Wird Palmöl die guten Beziehungen zwischen Europa und Südostasien verderben? "Niemand will einen Handelskrieg", sagt Pek Shibao, Analyst am Singapore Institute of International Affairs. "Aber ich würde die Möglichkeit auch nicht ausschließen."

Die Proteste machen die Europäer auf etwas aufmerksam, was sonst in der Debatte häufig untergeht. Mehrere Millionen Kleinbauern hängen am Tropf des Palmölgeschäfts, sie liefern 40 Prozent der Ernte. Es geht also nicht nur um die Riesen im Plantagengeschäft. Und wenn es Unruhe gibt an den Märkten, trifft es die Kleinen am härtesten. Das wissen natürlich auch die Großen des Geschäfts, und die Regierungen in Jakarta und Kuala Lumpur sowieso. "Palmöl ist in der nationalen Wahrnehmung bedeutend, es gilt als Anbauprodukt der Massen", sagt Pek Shibao.

Mit 23 Milliarden US-Dollar ist Palmöl Indonesiens führendes Exportprodukt, auch auf Malaysias Ausfuhrliste rangiert es weit oben. Allerdings fließen in den europäischen Biokraftstoff gerade mal sechs bis acht Prozent davon, den größten Absatz findet das Öl in Indien und China, Tendenz steigend. Insofern können Experten schwer abschätzen, wie hart es Erzeuger treffen würde, wenn Europa mit seinen Plänen Ernst macht. Weil Lieferketten so undurchsichtig sind, weiß man nicht genau, welche Plantagen am meisten zu leiden hätten. Ein Preisverfall würden aber alle Produzenten treffen.

Anja Gassner, die zum Thema tropische Landwirtschaft forscht, glaubt, dass ein Boykott durch die EU vor allem einen Effekt hätte: "Wenn der europäische Markt wegbricht, fällt auch ein starker Anreiz weg, zertifiziertes Palmöl zu produzieren." Denn bislang waren es vor allem die Europäer, die auf Umweltstandards pochten. "Wenn die EU den verbleibenden Wald in Asien schützen will, ist ein europäischer Boykott von Palmöl der falsche Weg", glaubt die Ökologin vom World Agroforestry Centre. Denn das führe dazu, dass Abnehmer auf anderen Kontinenten in die Lücke drängten. Und die kümmerten sich selten darum, wie man den Anbau umweltverträglicher machen könne.

Gassner sieht allerdings gute Gründe, die Monokulturen durch andere Pflanzen, zum Beispiel Obst, aufzulockern. "Gemischte Kleinbauernbetriebe und Waldkorridore zwischen den Öl-Plantagen wären eine Möglichkeit, die Artenvielfalt besser zu schützen." Zudem sei es ökonomisch riskant, sich allein auf eine Pflanze zu verlassen. Wenn das Geschäft mit der Ölpalme aus irgendeinem Grund kollabieren sollte, - sei es wegen des Klimawandels, neuer Schädlinge oder Problemen an den Märkten - dann fänden sich Millionen Indonesier und Malaysier verloren in einem Meer aus Palmen wieder. Und sie hätten nichts, an das sie sich zur Rettung klammern könnten.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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