Süddeutsche Zeitung

Südkorea:Großer Tag für die Opposition

Bei den Bürgermeisterwahlen in Seoul und zahlreichen anderen Städten siegen konservative Kandidaten. Deuten lässt sich das als Protest gegen den Präsidenten Moon Jae-in.

Von Thomas Hahn, Seoul

Sein Erfolg bei der Bürgermeisterwahl in Südkoreas Hauptstadt Seoul muss dem Politiker Oh Se-hoon von der konservativen PPP vorgekommen sein wie die glückliche Rückkehr nach Jahren in der Versenkung. Der 60-Jährige war schon einmal Seouls Bürgermeister, von 2006 bis 2011. Vor zehn Jahren trat er zurück, weil Bürgerinnen und Bürger in einem Referendum kostenloses Schulmittagessen durchsetzten.

Danach verschwand er lange von der politischen Bühne. Jetzt ist er wieder da. Mit 57,5 Prozent der Wählerstimmen siegte er gegen Park Young-sun, die Kandidatin der regierenden Demokratischen Partei (DP), die auf 39 Prozent kam. Oh Se-hoon verbeugte sich. Er wirkte gerührt. Er sagte, er spüre ein "starkes Bewusstsein für die Verantwortung".

Mietsteigerungen und ein Skandal

Der Wahlmittwoch in Südkorea war ein großer Tag für die konservative Opposition im Tigerstaat und ein anschaulicher Stimmungstest vor der Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr. Denn nicht nur in der Hauptstadt mit ihren knapp zehn Millionen Menschen gewann der PPP-Kandidat, sondern auch in Busan, Südkoreas zweitgrößter Stadt. Park Heong-joon übertraf dort den DP-Kandidaten Kim Young-choon mit 63 zu 34 Prozent. Außerdem gewann die PPP 13 von 19 weiteren Kommunalposten, über die am Mittwoch ebenfalls abgestimmt wurde.

Der PPP-Vorsitzende Kim Chong-in lobte das Ergebnis als "Sieg des klugen Menschenverstandes der Leute" und sagte: "Das könnte ein Ausdruck der Wut sein, die viele Menschen gegenüber der aktuellen Regierung empfinden." DP-Chef Kim Tae-nyeon nahm die Niederlage mit Demutsgeste hin: "Mit unseren Unzulänglichkeiten haben wir die Menschen sehr enttäuscht."

Tatsächlich kann man das Ergebnis als Protest gegen Präsident Moon Jae-in von der DP deuten. Die Immobilienpolitik seiner Regierung hat nicht verhindern können, dass Mieten und Wohnungspreise stark angestiegen sind. Dazu kam ein Spekulationsskandal in dem staatlichen Stadtentwicklungsunternehmen LH, bei dem Angestellte mit Insiderwissen lukrative Grundstücke kauften. Und es gab Beschuldigungen, die den Konservativen nutzten.

Zu der Wahl in Busan war es gekommen, weil DP-Bürgermeister Oh Keo-don eingeräumt hatte, eine Rathaus-Mitarbeiterin belästigt zu haben, und zurückgetreten war. In Seoul hatte eine frühere Sekretärin den damaligen Bürgermeister Park Won-soon wegen Belästigung angezeigt. Park, ein möglicher Präsidentschaftskandidat der DP, hatte daraufhin Suizid begangen.

Wer die Regierung abstrafen wollte, nutzte die Chance

Eine tiefgründige Debatte über Gleichstellungsfragen und Grenzen im Verhältnis zwischen Mann und Frau lösten die Fälle nicht aus. Aber der DP schadeten sie sehr, daran änderten auch ihre Entschuldigungen nichts. Am Tag seines Sieges erklärte Oh Se-hoon, er werde Park Won-soons früherer Sekretärin eine problemlose Rückkehr ins Rathaus ermöglichen.

Der Wahlkampf fiel insgesamt nicht durch inhaltsreiche Diskussionen auf. Dazu gab es auch kritische Stimmen aus der Wählerschaft. Die Korea Times zitierte zum Beispiel den 41-jährigen Büroangestellten Kim Jae-yoon aus dem Seouler Distrikt Jongno. Dieser fand die Reden der Politik-Elite zu einseitig und sagte: "Obwohl es viele ungelöste Probleme in Umwelt- und sozialen Fragen gibt, tischen sie einem unrealistische Immobilien-Programme auf." Die Wahlbeteiligung immerhin war höher als bei früheren Nachwahlen. In Seoul lag sie bei 58,2, in Busan bei 52,7 Prozent. Wer die Regierung abstrafen wollte, nutzte offenbar die Chance.

Große Politikwechsel sind allerdings nicht zu erwarten. Die nächsten regulären Bürgermeisterwahlen in Seoul sind schon im nächsten Jahr. Der neue Bürgermeister Oh Se-hoon hat nicht viel Zeit für sein Vorhaben, stillgelegte Tourismus-Projekte aus seiner ersten Amtszeit neu aufzulegen und den Immobilienmarkt besser zu regulieren. Der Haushalt für dieses Jahr ist schon verabschiedet. Die Verhandlungen für 2022 dürften schwer werden für Oh. Denn er und seine konservative PPP haben noch ein Problem: In Seouls Stadtparlament sind immer noch 101 der 109 Abgeordneten DP-Mitglieder.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5258398
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/bepe
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.