Süddeutsche Zeitung

Südkorea:Verbarrikadiert im Parlament

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Südkoreas Opposition will eine Serie von Gesetzen verhindern - und greift dabei zu ungewöhnlichen Mitteln.

Christoph Neidhart

Abgeordnete der Oppositionsparteien Südkoreas, vor allem der Demokraten, haben das letzte Wochenende des Jahres 2008 hinter den Türen des Plenarsaals im Parlament in Seoul verbracht. Außerdem haben sie mit Möbeln die Eingänge zu einigen anderen Räumen verbarrikadiert.

Damit blockierten sie die Verabschiedung aller anhängigen Gesetze, insbesondere der Konjunkturpakete zur Ankurbelung der Wirtschaft. Die Oppositions-Abgeordneten hatten das Haus am Freitagvormittag gestürmt und seither nicht verlassen.

Von 2600 Gesetzesentwürfen, die in der gegenwärtigen Legislaturperiode eingebracht worden sind, hat das Ein-Kammer-Parlament erst über etwa 300 abgestimmt. 300 weitere gelten automatisch als verworfen, sollte das Parlament bis Silvester nicht über sie befunden haben. Gemäß Verfassung ist das Parlament nur beschlussfähig, wenn es im Plenarsaal tagt und der Parlamentspräsident die Sitzung von seinem Sessel aus leitet. Das aber ist derzeit nicht möglich.

Ultimatum gestellt

Parlamentspräsident Kim Hyong-o erließ am Montag ein Ultimatum, der Saal müsse bis Montag Mitternacht geräumt werden. Er sagte allerdings nicht, wie er sein Ultimatum durchsetzen würde und ob er bereit sei, auch mit Polizeigewalt gegen die Blockierer vorzugehen.

Vielmehr deutete er Kompromissbereitschaft an, falls die Opposition die 43 für die Wirtschaft am dringlichsten benötigten Gesetze passieren lasse. Dann plane er fürs nächste Jahr mehr Zeit für die Debatte von 13 Gesetzesvorschlägen zu sogenannten Sozialreformen ein. Zu ihnen gehört ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen, das Verbot von Lauschangriffen der Polizei bei Handygesprächen, ein Mediengesetz, das nach Meinung der Opposition die Pressefreiheit einschränkt und weitere Gesetze, welche die Opposition als "antidemokratisch" einstuft.

Die meisten Abgeordneten der Opposition wenden sich auch gegen die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit den USA, obwohl dieses noch unter ihrem Präsidenten Roh Moo-hyun ausgehandelt wurde. Während es das Volumen des bilateralen Handels um 78 Milliarden Dollar steigern soll, was der südkoreanischen Industrie zugute kommen würde, fürchtet Südkoreas Landwirtschaft Verluste.

Aktien für besonders Reiche

Die Opposition will außerdem die Lockerung einiger Wirtschaftsgesetze verhindern, die etwa den wechselseitigen Aktienbesitz von Großkonzernen wieder erlaubt, wie er bis in die 90er-Jahre üblich war. Dies würde es großen Industrie-Konglomeraten, so genannten Chaebols, erlauben, Banken unter ihre Kontrolle zu bringen. Zudem kritisiert die Opposition, mit ihren Wirtschaftsinitiativen verschärfe die Regierung des konservativen Präsidenten Lee Myung-bak die sozialen Unterschiede.

Die Partei von Präsident Lee mit dem Namen Hanara, auch Grand National Party genannt, kontrolliert 172 der 299 Sitze. Damit wäre das Parlament selbst dann beschlussfähig, wenn die Opposition die Sitzungen weiter boykottieren würde. Die Opposition behilft sich deshalb seit Beginn der Legislatur mit Obstruktionsmanövern.

Vor einem Jahr, als Lee Myung-bak zum Präsidenten gewählt wurde und Hanara die Parlamentsmehrheit eroberte, herrschte in Südkorea politische Apathie. Nach zuletzt vier Prozent Wachstum ist die Wirtschaft mittlerweile in eine Abwärtsspirale geraten, und Südkoreas Bevölkerung ist wieder politisch aufgewacht. Am Wochenende hat Präsident Lee daher Bereitschaft signalisiert, über einige Gesetzesvorschläge, in denen die Opposition eine Einschränkung demokratischer Rechte sieht, zu verhandeln.

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Quelle:
SZ vom 30.12.2008
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