SüdkoreaRausch mit Reis

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Der Reiskonsum in Südkorea geht zurück - für die Landwirtschaft ein Problem: Reisfeld bei Pyeongtaek in der Nähe der Hauptstadt Seoul.
Der Reiskonsum in Südkorea geht zurück - für die Landwirtschaft ein Problem: Reisfeld bei Pyeongtaek in der Nähe der Hauptstadt Seoul. (Foto: IMAGO/xWirestockx/IMAGO/Pond5 Images)

Der Absatz des koreanischen Nationalgetreides stockt. Die Regierung in Seoul will das dringend ändern. Wie wohl?

Von Thomas Hahn, Tokio

Südkoreas Agrarministerium kann seine Verzweiflung im Kampf gegen die Krise des Reiskonsums im Land nicht leugnen. Die Essgewohnheiten im Tigerstaat haben sich mit wachsendem Wohlstand verändert, der Stellenwert des Nationalgetreides sinkt. Koreas Bauern werden ihre Ernte nicht mehr los. 300 000 Tonnen davon haben Regierung und Landwirtschaftsverband allein in diesem Jahr gekauft – „aber das war nicht genug, um die steigenden Lagerbestände zu reduzieren“, sagt Agrarministerin Song Mi-ryeong. Was tun? Ministerin Song hat jetzt eine neue Lösung: Alkohol.

Es gibt keine Erkenntnisse darüber, ob die Idee unter dem Einfluss von Soju, dem koreanischen Reisschnaps, zustande kam. Aber Tatsache ist, dass Song Mi-ryeong vergangene Woche bei einer Pressekonferenz die Brauer- und Brennereien im Land dazu ermunterte, neue Spirituosen auf Reisbasis auf den Markt zu bringen. Den Alkoholdurst der Nation zu bedienen, sei eine der effektivsten Methoden, den Reisverbrauch anzuheben. Zumal es neuerdings auch Steuererleichterungen für Soju-Varianten gebe. Laut Korea Times sagte Song Mi-ryeong außerdem: Koreas Reisalkoholika seien „nicht so vielfältig wie die Sakes aus Japan“. Reiswein vom unbeliebten Nachbarn als Vorbild? Die Ministerin wollte die heimischen Schnapsbrenner wohl bei der Ehre packen.

Ihre Politik passt zum hohen Stellenwert, den Soju und Bier als Mittel der sozialen Verständigung in Südkorea traditionell haben. Aber gerade deshalb verwundert sie auch, denn für viele Experten hat das Land ein Alkoholproblem. In einer Studie von 2020 stellte die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) fest: Komatrinken sei „in Korea ein erhebliches Problem für die öffentliche Gesundheit“. Gerade bei den feuchtfröhlichen Zusammenkünften unter Arbeitskollegen gibt es oft kein Maß. Sie finden regelmäßig statt, und wer dazugehören will, muss mitmachen.

Südkoreas Antidrogengesetze sind sehr streng. Alkoholismus hingegen scheinen viele Koreaner eher als Religion zu verstehen denn als Krankheit. Sogar in den K-Dramen, den Fernsehserien aus der nationalen Unterhaltungsindustrie, kommt der Vollrausch ständig als heitere Facette des Alltags vor. „Südkorea hat eine Kultur, die Alkoholismus toleriert“, sagte Lee Hae-kook, Direktor der Koreanischen Akademie für Sucht-Psychiatrie, im Februar der Zeitung Hankyoreh, „deshalb bleibt das Problem einfach unter dem Teppich.“ Als Gegenmittel empfiehlt er unter anderem hohe Alkoholpreise. Aber gerade der hochprozentige Soju ist billig. Für 1300 Won, keine 90 Cent, bekommt man eine 0,375-Liter-Flasche. Die Regierung will es so – mehr denn je sogar.

Der Reis muss weg, also wird Saufen zur Staatspolitik. Es gibt auch andere Ideen. Die Regierung empfiehlt Bauern, weniger, dafür edleren Reis anzubauen. Frühstückskampagnen werben für den Reis am Morgen. Sogar die amerikanische Coffeeshop-Kette Starbucks hat eingewilligt, mehr Reisprodukte in ihre koreanischen Läden zu bringen. Aber gut möglich, dass die Alkoholidee besonders viel bringt. Ein Suff fürs Vaterland – für manche Trinker wird ein Traum wahr.

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