Präsidentschaftswahl in Südkorea:Spannend wie noch nie

Präsidentschaftswahl in Südkorea: Nur zwei der Präsidentschaftskandidaten haben Chancen auf einen Sieg: der Konservative Yoon Suk-yeol (2. v. l.) und der Demokrat Lee Jae-myung (r.).

Nur zwei der Präsidentschaftskandidaten haben Chancen auf einen Sieg: der Konservative Yoon Suk-yeol (2. v. l.) und der Demokrat Lee Jae-myung (r.).

(Foto: Jung Yeon-je/AP)

Diesen Mittwoch wird in Südkorea der Nachfolger von Regierungschef Moon Jae-in bestimmt. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen zu Kandidaten, Themen, Aussichten.

Von Thomas Hahn, Seoul

Über 44 Millionen Südkoreaner entscheiden am 9. März in direkter Mehrheitswahl darüber, wer Regierungschef Moon Jae-in ablösen wird. Für das Land ist es die achte Präsidentschaftswahl seit Einführung der Demokratie im Jahr 1987 - und eine besonders umkämpfte.

Worum geht es?

In Südkorea wird die Präsidentin oder der Präsident immer nur für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt und darf danach nicht mehr antreten. Die Amtszeit von Moon Jae-in von der Demokratischen Partei läuft im Mai aus, nachdem er im Mai 2017 ins Blaue Haus der Hauptstadt Seoul, dem Amtssitz des südkoreanischen Präsidenten, gewählt worden war. Seine konservative Vorgängerin Park Geun-hye, die erste Frau im höchsten Amt des Landes, war zuvor wegen Korruption des Amtes enthoben und verhaftet worden. Mächtige Anti-Park-Demonstrationen forderten eine vertrauenswürdige Führungsfigur, die mit der konservativen Klüngelwirtschaft aufräumen sollte. Moon versprach, diese Führungsfigur zu sein. Fünf Jahre später ist Moon laut Umfragen immer noch beliebt. Seine ausgleichende, ruhige Art kommt gut an. Unter ihm ist der Mindestlohn deutlich gestiegen, seine Nordkorea-Diplomatie entspannte 2018 ein gefährliches Stimmungstief zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un.

Trotzdem herrscht Unzufriedenheit. Viele Moon-Reformen waren nicht gut durchdacht. Der rasante Anstieg des Mindestlohns setzt zum Beispiel Kleinunternehmer, die auf billige Arbeitskräfte angewiesen sind, unter Druck. Die extrem hohen Immobilienpreise hat Moon nicht einfangen können. Skandale gab es auch in seinem Kabinett. Außerdem hat die linksnationalistische Einstellung seiner Regierung das Verhältnis zu Japans rechtsnationalistischer Regierung auf einen historischen Tiefpunkt gebracht. Und auch die Entspannungspolitik mit Nordkorea funktionierte bald nicht mehr, weil Moon wegen der UN-Sanktionen Nordkorea nicht so unterstützen konnte, wie er es wohl gerne getan hätte. Am Ende der Moon-Jahre gibt es also Einiges geradezubiegen.

Wer kandidiert für wen?

Ursprünglich waren 14 Kandidaten für die Präsidentschaftswahl registriert, aber Chancen auf den Sieg haben nur zwei: Lee Jae-myung von der regierenden Demokratischen Partei (DP) und Yoon Suk-yeol von der größten Oppositionspartei People Power Party (PPP). Sie stehen für die tiefe Kluft zwischen den politischen Hauptströmungen im Land. Lee vertritt die Partei jener Bewegung, die sich einst gegen die autoritäre Regierung auflehnte und die politische Wende erzwang. Yoon ist der Kandidat des konservativen Establishments, das aus den abgeschafften Elitestrukturen hervorgegangen ist. Beide Seiten bekennen sich zu den Prinzipien der Demokratie, des Kapitalismus und der Allianz mit den USA. Aber sonst verbindet Demokraten und Konservative vor allem eine tiefe gegenseitige Abneigung.

Wer ist der Kandidat der Demokraten?

Lee Jae-myung, 57, stammt aus ärmlichen Verhältnissen und qualifizierte sich erst über die Abendschule für sein Jurastudium. Als Anwalt engagierte er sich für Arbeiter- und Bürgerrechte. Später wurde er Bürgermeister der Großstadt Seongnam und - nach einem ersten gescheiterten Versuch, 2017 Südkoreas Präsident zu werden - Gouverneur von Gyeonggi, der bevölkerungsreichsten Provinz Südkoreas. In Seongnam profilierte Lee sich als gewiefter Finanz- und Sozialpolitiker, der ein bedingungsloses Grundeinkommen für richtig hält. Als Gyeonggi-Gouverneur ging seine Anti-Corona-Politik so weit, dass er eine Testpflicht für Ausländer einführte und sich mit der Zentralregierung anlegte.

Lee gilt als Populist mit Launen. Vielen ist seine direkte, unberechenbare Art nicht geheuer. Der DP-Elite wäre ein ruhigerer Spitzenkandidat vom Schlage eines Moon Jae-in lieber gewesen. Aber nach einem erbitterten parteiinternen Wahlkampf gaben die Stimmen der DP-Basis den Ausschlag für den nassforschen Lee. Immerhin: Lee Jae-myung verficht eine soziale Marktwirtschaft und die Annäherung an Nordkorea als Voraussetzung für einen fruchtbaren Friedensprozess - zwei Grundsatzpositionen der DP.

Wer ist der Kandidat der Konservativen?

Der 61-jährige Yoon Suk-yeol stammt aus bürgerlichen Verhältnissen und studierte Jura an der Seoul National University, der prestigeträchtigsten Universität Südkoreas. Als Staatsanwalt leitete er die Ermittlungen gegen Park Geun-hye, die zum Amtsenthebungsverfahren führten. Moon Jae-in ernannte ihn 2019 zum Generalstaatsanwalt. Aber bald ermittelte Yoon gegen die Familie des damaligen Justizministers Cho Kuk, der an einer Reform des Rechtssystems arbeitete, um die Macht korrupter Staatsanwälte einzudämmen.

Daraus wurde ein unversöhnlicher Streit zwischen Yoon und der Moon-Regierung, in dem bis heute schwer zu durchschauen ist, wer mehr die eigenen Interessen oder die der Öffentlichkeit im Blick hatte. Cho Kuk trat letztlich wegen diverser Skandale zurück, die seinen Ruf als Privilegien-Bekämpfer ruinierten. Aber die Regierung zog ihre Reform durch. Wütend trat Yoon deshalb im März 2021 als Generalstaatsanwalt zurück. Nnun will er also persönlich dafür sorgen, dass sich kein DP-Mitglied mehr am Justizsystem vergreifen kann. Politisch ist er ein Konservativer der älteren südkoreanischen Schule: Er ist für die selbstregulierende Macht des Marktes, größtmögliche Nähe zu den USA und Präventivschläge gegen Nordkorea im Notfall.

Wer wird gewinnen?

"Koreanische Politik ist eine Achterbahn"; sagt Lee Sook-jong, Ex-Präsidentin des Ostasien-Instituts in Seoul und Professorin an der Sungkyunkwan University. Die politische Stimmung unter Südkoreas Wahlberechtigten kann schnell umschlagen, will sie damit sagen. Im April 2020 verschafften sie der DP bei den Parlamentswahlen eine klare Mehrheit. Grund: Südkoreas weltweit bestaunte Coronavirus-Bekämpfung ohne Lockdowns und mit datenbasiertem Tracking. Aber bei den Bürgermeisterwahlen in Seoul und Busan ein Jahr später triumphierten wieder die Konservativen; die hohen Immobilienpreise und zwei Sex-Skandale schwächten die Demokraten.

Und jetzt? Lee und Yoon haben im Wahlkampf kaum konstruktive Debatten geführt, sondern sich vor allem Fehlverhalten und Skandalgeschichten vorgehalten. Viele Südkoreanerinnen und Südkoreaner trauen deshalb keinem von beiden. "Die Mehrheit will eine andere Regierung", sagt Lee Sook-jong, "aber das Rennen ist sehr eng, so dass Gemäßigte und Wechselwähler den Ausschlag geben werden." Nach einigem Hin und Her hat Ahn Cheol-soo von der kleinen Oppositionspartei People's Party seine Kandidatur zurückgezogen und sich auf Yoons Seite geschlagen. Das könnte DP-Verächter versöhnen, denen Yoon eigentlich zu rechts ist. Aber egal, wie es ausgeht: Der Gewinner wird wohl mit relativ wenig Rückhalt aus der Bevölkerung regieren müssen.

Was kommt auf den neuen Präsidenten zu?

Innenpolitisch sind die größten Baustellen in Südkorea neben der Corona-Krise der überhitzte Immobilienmarkt und die stetig sinkende Geburtenrate. Außenpolitisch muss Südkorea den Spagat zwischen seinem wichtigsten Bündnispartner USA und seinen schwierigen Nachbarn schaffen. China ist Südkoreas wichtigster Handelspartner, zu viel Nähe zu den USA ist da schwierig. Dazu kommt die ewige Krise um den aufrüstenden Bruderstaat Nordkorea, mit dem es auch 69 Jahre nach dem Koreakrieg keinen Friedensvertrag gibt. Nach der Wahl wird den strahlenden Sieger schnell die komplizierte südkoreanische Realität einfangen.

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