Südkorea:Opposition beantragt Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidenten

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Lee Jae-myung von der oppositionellen Demokratischen Partei spricht während einer Kundgebung gegen den Präsidenten des Landes vor der Nationalversammlung in Seoul. (Foto: Ahn Young-joon/AP)

Nach der kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts will die Opposition in Südkorea, dass Yoon Suk-yeol seines Amtes enthoben wird. Der Verteidigungsminister bietet seinen Rücktritt an.

In Südkorea haben sechs Oppositionsparteien einen Antrag auf Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsident Yoon Suk-yeol ins Parlament eingebracht. Eine Abstimmung darüber wird für Freitag oder Samstag erwartet. Wenn eine Zweidrittelmehrheit dafür stimmt, folgt ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht.

Die Demokratische Partei (DP) als größte Oppositionskraft forderte Yoon zum Rücktritt auf, nachdem er das Land mit einer vorübergehenden Verhängung des Kriegsrechts in eine politische Krise gestürzt hatte. Die Dachorganisation südkoreanischer Gewerkschaften rief für Mittwoch zu einer Kundgebung in Seoul auf. Sie kündigte Streiks an, die bis zu einem Rücktritt Yoons dauern sollten.

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Yoon hatte am Dienstag das Kriegsrecht überraschend ausgerufen, es aber nach Widerstand im Parlament wenige Stunden später wieder aufgehoben. Yoon hatte zur Begründung für die Verhängung des Kriegsrechts erklärt, die Opposition sei Handlanger des kommunistischen Nordens. Die Ankündigung stieß umgehend auf vehemente Kritik und Widerstand.

Das Parlament stimmte für eine Aufhebung des Kriegsrechts. Nicht nur die oppositionelle DP, die im Parlament über die Mehrheit verfügt, sprach sich dafür aus, sondern auch Yoons eigene Partei, die konservative Volksmacht-Partei (PPP). Es war das erste Mal seit 1980, dass in Südkorea das Kriegsrecht verhängt wurde. Infolge des Schritts waren kurzzeitig sämtliche politischen Aktivitäten verboten. Auch die Tätigkeit von Medien und Verlagen schränkte Yoon dadurch faktisch ein.

Demonstrationen in Seoul

In Seoul waren in der Nacht Tausende Demonstranten vor das vom Militär abgesperrte Parlament gezogen, um lautstark gegen Yoons Vorgehen zu protestieren. Kritik kam auch aus seiner eigenen Regierung: „Die Republik Korea ist eine liberale demokratische Nation, und wir stehen an der Seite des Volkes, um die liberale Demokratie zu verteidigen, und werden uns dieser Erklärung des Kriegsrechts entschieden widersetzen“, erklärte der Chef der Regierungspartei, Han Dong-hoon.

Inzwischen gibt es auch schon politische Konsequenzen. Verteidigungsminister Kim Yong-hyun hat Medienberichten zufolge seinen Rücktritt angeboten. Er gilt als Befürworter der Entscheidung des Präsidenten. Dem Bericht zufolge bat der Verteidigungsminister öffentlich um Entschuldigung, Aufruhr verursacht zu haben. Einem weiteren Bericht nach wollen auch zehn ranghohe Berater des Präsidenten geschlossen zurücktreten. Nach Informationen der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap sollen dazu unter anderem der Stabschef des Präsidenten sowie der nationale Sicherheitsberater gehören.

Internationale Besorgnis über das Vorgehen des Präsidenten

Auch außerhalb des Landes stößt Yoons Vorgehen auf Unverständnis. Die USA, wichtigster Verbündeter und Schutzmacht Südkoreas, zeigten sich über die kurzzeitige Verhängung des Kriegsrechts durch Yoon zutiefst besorgt, ebenso wie Deutschland. Auch das benachbarte Japan reagierte überrascht. US-Außenminister Antony Blinken begrüßte die Kehrtwende Yoons und mahnte, politische Differenzen müssten „friedlich und im Einklang mit den Prinzipien des Rechtsstaats“ ausgeräumt werden.

Die kurzzeitige Ausrufung des Kriegsrechts könnte Experten zufolge innenpolitisch motiviert sein. Der Präsident leidet seit Monaten unter miserablen Umfragewerten. Während der vergangenen Wochenenden gingen vermehrt Demonstranten in der Seouler Innenstadt auf die Straßen, um Yoons Amtsenthebung zu fordern. Zudem kursieren seit Längerem Korruptionsvorwürfe gegen seine Ehefrau. Gleichzeitig stritten sich das Regierungslager und die Opposition im Parlament um den Staatshaushalt fürs kommende Jahr.

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