Südkorea:Obskure Vertraute

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Die Affäre um eine langjährige Beraterin der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye spitzt sich zu. Die Justiz nahm Choi Soon-sil am Dienstag fest, unter anderem wegen Korruptionsverdachts. Der Druck auf die Staatschefin nimmt zu.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Eine Hausdurchsuchung im Blauen Haus, das hat es in Südkorea noch nie gegeben. Nun ist es fast dazu gekommen: Zweimal, am Samstag und am Sonntag, sprach die Staatsanwaltschaft Seoul mit einem Durchsuchungsbefehl im Amtssitz von Präsidentin Park Geun-hye vor. Beide Male jedoch ließ Park sie abweisen und nur ausgewählte Dokumente herausrücken. Südkoreas Juristen debattieren nun, ob die Verfassung eine Strafuntersuchung gegen die Präsidentin zulasse.

Im Zentrum der Affäre steht Choi Soon-sil, eine obskure Sektenpredigerin, die jahrelang Präsidentin Park beraten hat. Choi ging im Blauen Haus ein und aus, ohne sich je einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Sie war im Besitz geheimer Dokumente, etwa über Militärgespräche mit Nordkorea. Sie unterschlug Gelder und ließ sich bestechen. Als erste Gerüchte aufkamen, floh die 60-Jährige im August nach Deutschland. Als "Choi-Gate", wie die Koreaner Parks jüngsten Skandal nennen, immer weitere Kreise zog, kehrte sie am Wochenende nach Seoul zurück, bekannte sich schuldig und wurde am Dienstag verhaftet. Angeblich wollte sie so Druck von der Präsidentin nehmen. Die Staatsanwaltschaft sucht derweil weiter, sie verdächtigt Parks engste Mitarbeiter der Komplizenschaft. Die Präsidentin entschuldigte sich in einer Fernsehansprache. Gleichwohl forderten am Wochenende Zehntausende Demonstranten ihren Rücktritt.

Die Affäre um Choi Soon-sil reicht Jahrzehnte zurück. Park ist die Tochter des einstigen Militärdiktators Park Chung-hee. Sie verlor beide Eltern bei politischen Attentaten. Ihre Mutter wurde 1974 von Agenten Nordkoreas umgebracht, der Vater wurde 1979 von seinem Geheimdienstchef erschossen. Die Tochter suchte Trost beim Sektenprediger Choi Tae-min, einem Freund des Vaters. Der Mörder Park Chung-hees, Geheimdienstchef Kim, erklärte während des Mordprozesses, es sei ihm nicht gelungen, den Präsidenten und dessen Tochter dem verheerenden Einfluss des "korrupten Choi" zu entziehen; dies sei eines seiner Mordmotive gewesen. Die US-Botschaft nannte Choi damals einen "koreanischen Rasputin", wie Wikileaks-Dokumente belegen. Choi Soon-sil ist seine Tochter.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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