Die ersten Termine hat Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol schon hinter sich bei seinem sechstägigen Staatsbesuch in den USA. Das Motto der Reise: "Allianz in Aktion, auf dem Weg in die Zukunft." Am Montag in Washington traf Yoon zum Beispiel Ted Sarandos, den Geschäftsführer des Streaming-Dienstes Netflix. Ein Netflix-Investment von 2,5 Milliarden Dollar in Südkoreas Fernsehserien-Industrie wurde festgezurrt. Dazu gab es ein Foto, auf dem Yoon dem amüsierten Sarandos ein Video von sich beim Baseball zeigt.
Später, beim Treffen mit ausgewanderten Landsleuten, bezeichnete Yoon Südkorea und die USA im 70. Jahr ihrer Allianz als "die besten Partner beim Ausleben internationaler Solidarität". Und an diesem Mittwoch beim Gipfel mit US-Präsident Joe Biden wird es weitergehen mit den Freundschaftsdiensten. Die beiden Staatsmänner werden sich wohl deutlicher denn je zur "erweiterten Abschreckung" gegen die aufrüstende Parteidiktatur Nordkorea bekennen.
Freundschaft mit Japan, Härte gegen Nordkorea
Yoon Suk-yeol, 62, führt erst seit einem knappen Jahr die Regierungsgeschäfte in Seoul. Das ist eigentlich zu wenig Zeit, um die Welt zu verändern. Aber Yoon hat es geschafft. Sein Staatsbesuch in den USA, der erste eines südkoreanischen Präsidenten seit zwölf Jahren, wirkt wie der vorläufige Höhepunkt der außenpolitischen Wende, die Yoon seit Beginn seiner Amtszeit im Mai 2022 vollzogen hat.
Der konservative Ex-Staatsanwalt hat das schlechte Verhältnis mit Japan geklärt. Er hat Südkoreas harte Linie gegen Nordkorea neu aufgelegt. Er hat sich im Konflikt gegen China zur Nato bekannt. Zuletzt hat Yoon in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters sogar die Möglichkeit eingeräumt, der Ukraine im Krieg gegen den Aggressor Russland mit Waffen auszuhelfen, "wenn es eine Situation gibt, die die internationale Gemeinschaft nicht dulden kann".
Und jetzt ist er also in Washington für die nächste große Geste mit Biden. Erwartet werden zwei Statements zur Verteidigung gegen Nordkorea mit seinem bedrohlichen Atomwaffenprogramm. Eines wird wohl klären, wie die USA ihrer Verpflichtung zum Südkorea-Schutz nachkommen. In dem zweiten dürfte es darum gehen, wie Südkorea in die Atomwaffen-Strategie der USA eingebunden wird.
Segensbringer? Oder autoritärer Schwarz-Weiß-Maler?
Für die freiheitliche Welt ist Yoons Wirken auf den ersten Blick ein Segen. Yoon hat genau die Unsicherheiten abgeschafft, die die komplizierte Lage in der Pazifikregion noch komplizierter machten. Sein Vorgänger Moon Jae-in von der Demokratischen Partei (DP) war ein liberaler Nationalist, der von der Wiedervereinigung träumte. Er versuchte die Annäherung an Nordkorea. Gleichzeitig wärmte Moon historische Konflikte aus der Zeit zwischen 1910 und 1945 auf, als Korea von Japan besetzt war. Die freiheitlichen Nachbarn Südkorea und Japan lagen in erbittertem Streit. Die USA hatten Mühe, ihre beiden wichtigsten Partner in Ostasien zur Zusammenarbeit zu bewegen. Und Nordkorea feuerte trotzdem eine Testrakete nach der anderen ab.
Mit Yoon ist alles anders. Genau wie die konservative Regierung in Japan hat er klare Feindbilder. Annäherung an Nordkorea gibt es nur unter seinen Bedingungen. Und an Unrecht aus der Vergangenheit lässt er keine Wertepartnerschaft scheitern. Die neue Freundschaft mit Japan begann mit dem Vorschlag Yoons, eine regierungsnahe Stiftung in Seoul könne die Entschädigungszahlungen übernehmen, die Zwangsarbeiter aus der Besatzungszeit nach koreanischem Recht von zwei japanischen Firmen erstritten hatten.
Auf den zweiten Blick allerdings ist Yoon Suk-yeols Schwarz-Weiß-Politik keine nachhaltige Hilfe. Sein Wahlsieg im März 2022 gegen war denkbar knapp und folgte einem Wahlkampf voller Schlammschlachten. Die Spaltung der südkoreanischen Gesellschaft in links und rechts und in arm und reich ist mit Yoon eher schlimmer geworden. Sein Regierungsstil trägt autoritäre Züge. Einen Streik von LKW-Fahrern bekämpfte er per Arbeitsverfügung. Im Herbst warf er den Sender MBC aus seinem Medien-Begleittross. Zuvor hatte MBC ein Video von einer USA-Reise Yoons veröffentlicht, auf dem der Präsident unflätig schimpft. Nein, beteuerte Yoon, er habe mit seinen Ausfällen nicht Biden und den US-Kongress gemeint, weil deren Antiinflationsgesetz Nachteile für koreanische Elektroautos verhieß. Aber diverse Medien hatten das genau so verstanden.
Atomwaffen hätte er wohl auch gerne
Und auch Yoons Außenpolitik hat Nachteile. Viele in Südkorea finden seinen Japan-Deal zu einseitig. Sollte bei der nächsten Wahl in vier Jahren wieder ein DP-Mensch ins Präsidentenamt kommen, könnte der Streit mit dem Nachbarn von vorne beginnen. Und Yoons harte Nordkorea-Politik hat das Regime in Pjöngjang noch nicht vom Aufrüsten abgehalten; zuletzt erprobte es eine Rakete mit Feststoffantrieb, durch die Nordkoreas Militär im Ernstfall noch unberechenbarer würde. Selbst den US-Freunden geht das Yoon-Lager bisweilen zu weit. Yoons Partei PPP diskutiert offen, ob Südkorea selbst Atomwaffen haben sollte. Am Mittwoch dürften sie schriftlich bekommen, dass die USA diese Idee schlecht findet.
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Jake Sullivan, der nationale Sicherheitsberater der USA, sagte am Montag in Washington: "Wir glauben, dass die Republik Korea ihre Nichtverbreitungs-Verpflichtungen im Rahmen des Atomwaffensperr-Vertrags gut erfüllt hat und dies auch weiterhin tun wird." Die Botschaft war klar: Beim Thema Atomwaffen halten sich die Amerikaner an bestehende Regeln.
Bis Samstag bleibt Yoon Suk-yeol in den USA. Auf seinem Programm steht unter anderem noch ein Essen mit Vizepräsidentin Kamala Harris und Außenminister Antony Blinken, sowie ein Briefing von führenden US-Militärs. Ob ihm alles gefallen wird, was er dabei zu hören bekommt? Schwer zu sagen. Aber es kann schon sein, dass dem Ex-Staatsanwalt Yoon in diesen Tagen besonders deutlich wird, dass Politik nicht nur aus Anklagen besteht.