Süddeutsche Zeitung

Süd- und Nordkorea:Präsident Moon auf Friedensmission

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Die Aussöhnung mit Nordkorea ist das Herzensprojekt von Südkoreas Präsident, doch er hat nur noch ein Jahr Zeit. Bei seinem Besuch in Washington wird er darum nun versuchen, US-Präsident Biden für einen heiklen Plan zu gewinnen

Von Thomas Hahn, Tokio

Moon Jae-in hat nur noch ein Jahr. Südkoreas Verfassung erlaubt dem Präsidenten keine zweite Amtszeit. Im nächsten Frühjahr wird ein anderer ins Blaue Haus in Seoul gewählt. Deshalb hat Moon vergangene Woche zum vierten Amtsjubiläum eine Art Countdown-Rede gehalten. Es ging darum, was er noch alles anpacken will. Das Ende der Corona-Krise und wirtschaftliche Erholung nannte er, aber auch sein Herzensthema: Versöhnung mit Nordkorea. "Ich sehe das verbleibende Jahr als letzte Gelegenheit, von einem unvollkommenen Frieden zu einem unumkehrbaren zu kommen."

Den Kriegszustand will er beenden, der mangels gültigen Friedensvertrags seit dem Ende des Korea-Kriegs 1953 offiziell immer noch herrscht. Und Moon machte klar, was ein entscheidender Schritt auf diesem Weg werden könnte: sein Treffen mit US-Präsident Joe Biden an diesem Freitag.

Moon Jae-ins Besuch in Washington ist ein wichtiger Termin im Zusammenhang mit den großen sicherheitspolitischen Fragen Ostasiens. Biden trifft dabei auf einen komplizierten Partner bei der Suche nach einer Strategie gegen chinesisches Machtstreben und nordkoreanische Atomwaffen. Seiner Regierungsmannschaft sind die Mitstreiter wichtig, das wurde gleich nach Bidens Amtseinführung im Januar deutlich.

Die ersten Dienstreisen von Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin führten nach Tokio und Seoul. Im März nutzte Biden den lange vernachlässigten Quadrilateralen Sicherheitsdialog (Quad), um sich online mit den Amtskollegen aus Japan, Australien und Indien auszutauschen. Japans Premierminister Yoshihide Suga war im April der erste Regierungschef, den Biden im Weißen Haus empfing. Und nun kommt also Moon Jae-in.

Biden will die Reihen der Bündnispartner schließen. Aber trotz Sicherheitsvertrag mit den USA kann Moon Jae-in nicht so einfach jeder amerikanischen Idee folgen. Er ist da anders als Japans Premier Suga. Dessen rechtskonservative Regierung lebt in stetiger Sorge wegen Nordkoreas Atomwaffenarsenal und streitet mit China um die Senkaku-Inseln im Chinesischen Meer. Wenn es gegen Nordkorea und China geht, ist Japan immer gesprächsbereit. Der liberalere Moon von der Demokratischen Partei Koreas ist ebenfalls immer gesprächsbereit. Aber er muss eben noch mehr Rücksichten nehmen.

Der Präsident ist selbst Sohn nordkoreanischer Flüchtlinge

China ist Südkoreas wichtigster Handelspartner und hat den Tigerstaat schon bitter bestraft. 2016 ließ Moons konservative Vorgängerin Park Geun-hye das US-Raketenabwehrsystem THAAD zum Schutz vor nordkoreanischen Angriffen installieren. Chinas Regierung fand das bedrohlich und reagierte mit inoffiziellen Wirtschaftssanktionen. Mühsam versöhnten Moons Leute China mit den sogenannten "Drei Neins": Nein zu weiteren THAAD-Batterien. Nein zur Teilnahme an einem regionalen Abwehrraketensystem unter US-Kommando. Nein zu einer Militär-Allianz mit Japan und den USA. Diese Neins belasten Südkorea kaum - aber manches wird dadurch schwierig. Etwa eine Teilnahme an der Quad-Runde, die China als Gegenbündnis wahrnimmt.

Beim Thema Nordkorea ist Moon ähnlich vorsichtig. Moon, 68, ist ein Sohn nordkoreanischer Flüchtlinge. Er war einst leitender Regierungsbeamter unter Präsident Roh Moo-hyun, der die sogenannte Sonnenschein-Politik seines Vorgängers Kim Dae-jung zur Annäherung an Nordkorea fortsetzte. Anders als Südkoreas Konservative, die die Kommunisten im Norden mit frostiger Ablehnung betrachten, strebt Moon nach koreanischer Einheit, zumindest nach koreanischem Frieden - auch wenn er dafür einem Machthaber wie Kim Jong-un Zugeständnisse machen muss.

2018 hatte er Erfolg. Es gab Treffen zwischen Kim und Moon, sogar Vereinbarungen. Südkorea vermittelte Treffen zwischen Bidens Vorgänger Donald Trump und Kim. Große Optimisten hofften auf einen Handel Atomwaffen gegen die Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen. Aber die Verhandlungen scheiterten. Mit der zwischenkoreanischen Freundschaft war es auch bald vorbei, weil Moon Kim wegen der Sanktionen nicht die Zusammenarbeit bieten konnte, die dieser gerne gehabt hätte. Jetzt möchte Moon das Verhältnis wieder kitten - auch wenn sich Nordkorea wegen Corona gerade mehr denn je abschottet und der US-Demokrat Biden klare Distanz zu antidemokratischen Machthabern will.

Biden will kein Zurück zu Obamas Korea-Politik

Den Amerikanern sind Südkoreas Positionen nicht egal. Man habe nicht vor, die Quad-Runde zu erweitern, sagte Kurt Campbell, Washingtons Politik-Koordinator für den indopazifischen Raum, diese Woche der Nachrichtenagentur Yonhap. Auch die Nordkorea-Politik der USA ist neu. Es gibt kein Zurück zur strategischen Geduld unter Barack Obama, der auf Isolation und Sanktionen bestand und so den koreanischen Friedensprozess einfror. Man wolle stattdessen einen "abgestimmten, praxisorientierten Ansatz, der offen für Diplomatie ist", meldete kürzlich US-Regierungssprecherin Jen Psaki. Campbell sagt sogar, man werde auf der Vereinbarung vom Kim-Trump-Gipfel 2018 in Singapur "und auf anderen Vereinbarungen früherer Administrationen" aufbauen.

Gute Nachrichten für Moon. Allerdings betont Campbell auch, dass der Ausbau regionaler Zusammenarbeit wichtig sei. Und jedes Nordkorea-Zugeständnis wird mit Biden sicher nicht zu machen sein. Moon wird sein ganzes diplomatisches Geschick brauchen, um Südkorea richtig in Position zu bringen. "Seiltanz" nennt das Magazin Nikkei seine Mission. Wenn sie gelingt, kann seine Regierung eine ausgleichende Kraft zwischen China, Nordkorea und den USA werden. Wenn nicht, verliert Südkorea Vertrauen auf allen Seiten.

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