Die Piloten des in Südkorea verunglückten Flugzeugs haben kurz vor dem Absturz einen Vogelschlag gemeldet. Das berichtet die Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf das Verkehrsministerium. Die Piloten hätten einen Mayday-Notruf wegen eines Zusammenpralls mit Vögeln abgesetzt. Damit erhärtet sich der Verdacht, dass ein Vogelschlag in Verbindung mit Problemen am Fahrwerk der Boeing 737-800 von Jeju Air stehen könnte. Der Tower hatte laut den Behörden kurz zuvor noch vor den Vögeln gewarnt.
Die Maschine landete am Sonntagmorgen (Ortszeit) auf dem südkoreanischen Flughafen Muan im Südwesten des Landes ohne ausgeklapptes Fahrwerk, kam nicht rechtzeitig zum Stehen und zerschellte an einer Mauer. Von den insgesamt 181 Insassen überlebten nur zwei Crew-Mitglieder.
Der südkoreanische Interimspräsident Choi Sang-mok ordnete eine umfassende Sicherheitsüberprüfung des gesamten Luftfahrtsystems des Landes an. „Sobald die Bergungsarbeiten abgeschlossen sind, wird das Verkehrsministerium gebeten, eine Notfall-Sicherheitsinspektion des gesamten Flugbetriebssystems durchzuführen, um eine Wiederholung von Flugunfällen zu verhindern“, sagte Choi bei einem Krisenmanagement-Meeting in Seoul.
Die Ermittler untersuchen derzeit mögliche Ursachen für den Absturz. Weitere Erkenntnisse dürften sie sich von den beiden geborgenen Flugschreibern erhoffen, von denen einer allerdings bei dem Aufprall beschädigt wurde. Die Analyse könnte Monate dauern, wie Yonhap berichtete. Dass ein Vogelschlag – also der Zusammenprall mit einem oder mehreren Vögeln – zu Problemen am Fahrwerk geführt hatte, ist bisher nur eine Hypothese.
Experten zufolge sind noch viele Fragen offen, unter anderem, warum die zweistrahlige Boeing 737-800 offenbar mit hoher Geschwindigkeit unterwegs war und das Fahrwerk beim Aufsetzen nicht ausgefahren zu sein schien. „Es war nicht genug Zeit, um am Boden Vorbereitungen für eine Notlandung zu treffen“, erklärte das Verkehrsministerium. „Das Flugzeug der Jeju Air hatte anscheinend keine Zeit, Treibstoff abzulassen, um sein Gewicht auf das für eine Landung erforderliche Maß zu reduzieren.“
Offenbar weitere Maschine von Jeju Air mit Fahrwerkproblemen
Nur einen Tag nach dem schweren Unglück berichtete Yonhap über eine weitere Maschine von Jeju Air mit Fahrwerkproblemen. Inlandsflug 7C 101 war am Montag von Gimpo – im Westen der Hauptstadt Seoul – auf dem Weg auf die Insel Jeju südlich der Koreanischen Halbinsel. Nach dem Start kehrte sie allerdings wieder zu ihrem Start-Flughafen zurück, auch in diesem Fall handelte es sich um eine Boeing 737-800.
Südkoreas Regierung will nun auch alle 737-800-Maschinen inländischer Fluglinien überprüfen lassen, um festzustellen, ob sich die Airlines an die geltenden Regelungen für diesen Flugzeugtyp halten, wie das Verkehrsministerium mitteilte. Dazu zählt etwa die Überprüfung von Wartungsaufzeichnungen und Nutzungsraten.
Der Flughafen Muan bleibt bis Mittwoch geschlossen, während die anderen internationalen und regionalen Flughäfen des Landes, einschließlich des Hauptflughafens Incheon, planmäßig in Betrieb sind. Die Aktien von Jeju Air fielen am Montag um bis zu 15,7 Prozent auf ein Rekordtief.
US-Behörden wollen unterstützen
Hilfe bei der Ermittlung der Unglücksursache von Muan soll auch aus den USA kommen. Der US-Flugzeugbauer Boeing nahm bereits kurz nach dem Unglück mit der Airline Kontakt auf. Der scheidende US-Präsident Joe Biden erklärte per Mitteilung, dass die Gedanken und Gebete der Amerikaner bei jenen seien, die von der Tragödie betroffen seien. „Die Vereinigten Staaten stehen bereit, notwendige Hilfe bereitzustellen“, hieß es darin weiter. Nach Angaben der südkoreanischen Regierung wollen sich US-Behörden an der Aufklärung des Unglücks beteiligen.
Am Flughafen ist die Trauer nach dem Unglück groß. Die Airline entschuldigte sich bei den Angehörigen, ihr Chef übernahm die Verantwortung. In einer temporär eingerichteten Leichenhalle wurden die Körper der Toten aufgebahrt. Das Unglück trifft Südkorea während einer schweren Staatskrise, in der Präsident Yoon Suk-yeol suspendiert wurde. Interimspräsident Choi Sang-mok rief eine siebentägige Staatstrauer aus. Am Montag beriet er mit dem Sprecher des Parlaments, Woo Won-shik, über mögliche Hilfsmaßnahmen.