Süddeutsche Zeitung

Südkorea:Die Uneinsichtige

Die kürzlich entmachtete Präsidentin, Park Geun-hye, muss ihren Amtssitz in Seoul räumen. Ein Eingeständnis ihrer Schuld vermeidet sie.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Am Sonntagabend, erst zwei Tage nach ihrer Entmachtung als Präsidentin Südkoreas, wurde Park Geun-hye ein letztes Mal von der präsidialen Wagenkolonne gefahren: vom Blauen Haus, dem Sitz des Präsidenten, in ihr Haus in Gangnam im Süden von Seoul, das vier Jahre lang leer stand. Der Boiler war kaputt, Möbel und Tapeten mussten übers Wochenende eiligst erneuert werden. In den 92 Tagen, seit das Parlament sie abgesetzt hatte, war es der "Prinzessin", wie sie auch genannt wird, nicht eingefallen, ihr Haus instand setzen zu lassen.

Park hatte den Urteilsspruch des Verfassungsgerichts am Fernseher verfolgt. Mindestens drei der acht Richter stünden auf ihrer Seite, meinte sie, da sie die Amtsenthebung nie als rechtsstaatliches Verfahren verstand, sondern als Machtkampf. Der Schock habe ihr die Sprache verschlagen, berichten Insider. Dabei haben selbst die Loyalisten ihrer Partei, die sich einmal mehr einen neuen Namen gegeben hat, Parks Verantwortung eingeräumt. Ihre Kritiker haben die Partei verlassen und eine neue gegründet.

Park wollte ihren geliebten Vater rehabilitieren und sein politisches Werk weiterführen

Vor ihrem eiligst zurechtgemachten Haus, das 1000 Polizisten umstellten, wurde Park von ihren Fans empfangen. Es werde etwas dauern, bis die Wahrheit ans Licht käme, sagte sie lächelnd. Sie vermied es, den Gerichtsentscheid anzuerkennen oder die Nation zur Einigkeit aufzurufen, wie es ihre moralische Pflicht wäre. Im Gegenteil: Sie schürte die Wut ihrer Fans, von denen sie offenbar hofft, sie würden ihre Karriere irgendwie retten. Die zumeist älteren Männer, viele in Militäruniformen, randalierten schon am Freitag nach der Urteilsverkündung. Drei kamen dabei um, einem fiel ein Polizeilautsprecher auf den Kopf, ein anderer stürzte von einem Polizeibus, auf den er geklettert war.

Die 65-Jährige ist als Tochter von Park Chung-hee, Südkoreas Militärdiktator, im Blauen Haus aufgewachsen. 1979 wurde sie schon einmal daraus vertrieben. Nach dem Mord an ihrem Vater gewährte man ihr und ihren Geschwistern, von denen sie sich seither entfremdet hat, eine Woche Zeit, das Haus zu räumen. Das war, wie Park später bekannte, ein schweres Trauma. Die damals 27-Jährige hatte, seit ihre Mutter fünf Jahre zuvor Opfer eines Attentats geworden war, an der Seite ihres Vaters die Rolle der First Lady eingenommen. Nach dem Verlust beider Eltern zog sie sich zwei Jahrzehnte zurück. Sie war einsam, nur befreundet mit Choi Soon-sil, über deren Gier sie nun gestolpert ist.

Park verstand ihre Rückkehr ins Blaue Haus 2013 auch als Wiedergutmachung für die Morde an ihren Eltern. Sie wollte ihren geliebten Vater rehabilitieren, sein Werk weiterführen, um später auf dem Nationalfriedhof neben ihm bestattet zu werden. Dieser letzte Wille bleibt ihr als abgesetzter Präsidentin nun allerdings verwehrt.

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Quelle:
SZ vom 14.03.2017
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