sueddeutsche.de-Interview:Union will Zuwanderungs-Gesetz ablehnen

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Die Union will das Zuwanderungsgesetz, auf das sich Otto Schily am Wochenende mit den Grünen geeinigt hat, ablehnen. Das kündigte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Wolfgang Bosbach, in einem Interview mit sueddeutsche.de an.

Interview: Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Herr Bosbach, nichtstaatliche Verfolgung soll jetzt als Asylgrund anerkannt werden. Wie schmeckt Ihnen das?

Wolfgang Bosbach (Foto: privat)

Wolfgang Bosbach: Unser Grundsatz ist: Keine Ausweitung der Asylgründe. Weder mit nichtstaatlicher noch mit geschlechtspezifischer Verfolgung.

sueddeutsche.de: Warum nicht?

Wolfgang Bosbach: Weil unsere Rechtsprechung hier völlig ausreicht. Es gibt den Begriff der quasi-staatlichen Verfolgung. Der ist entwickelt worden für Fälle, in denen ein Staat nicht in der Lage ist, Gruppen zu bekämpfen, die die Bürger terrorisisieren. Wenn so ein Fall vorliegt, bedeutet das Abschiebeschutz.

Außerdem müssten wir das Grundgesetz ändern, wenn wir die nichtstaatliche Verfolgung als Asylgrund aufnehmen würden. Wir würden uns dann nämlich vom Begriff der politischen Verfolgung entfernen. Dann gibt es keine Abgrenzungsmöglichkeit mehr, etwa zur Verfolgung durch allgemeine Kriminalität.

sueddeutsche.de: Das bedeutet doch, Schily ist jetzt weiter von der Union entfernt, als je zuvor.

Wolfgang Bosbach: Richtig. Aber das war ja in den letzten Wochen schon zu beobachten. Er wollte auf der einen Seite einen Kompromiss mit den Grünen, auf der anderen Seite einen Kompromiss mit der Union. Das ist ein Spagat, der nicht gutgehen konnte. Mit jedem Schritt weiter auf die Grünen zu entfernt er sich von der Union.

sueddeutsche.de: Ein weiter Teil der Einigung betrifft das Nachzugsalter. Ursprünglich wollte es Schily von 18 auf 12 Jahre absenken. Jetzt sollen es 14 Jahre sein.

Wolfgang Bosbach: Wir wollen das Nachzugsalter auf sechs Jahre absenken, damit zumindest die Schulausbildung in Deutschland stattfindet. Herr Schily hatte einen richtigen Ansatz, indem er das Nachzugsalter deutlich abgesenkt hat. Wenn er jetzt wieder hochgeht, entfernt er sich nicht nur von uns. Er tut den Kindern keinen Gefallen, deren Integrationschancen sinken, wenn sie die Schule nur im Ausland besucht haben.

sueddeutsche.de: Trotz aller Differenzen zur Union will die Bunderegierung das Gesetz noch im November auf den Weg bringen. Wird es ein Zuwanderungsgesetz ohne Beteiligung von CDU/CSU geben?

Wolfgang Bosbach: Nein. Dieses Gesetz ist zustimmungspflichtig, muss also auch von der Länderkammer verabschiedet werden. Die SPD hat dort keine Mehrheit. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass auch nur ein unionsgeführtes Bundesland diesen neuen Entwurf mitträgt.

Es gab übrigens schon vor dieser Einigung mit den Grünen niemanden in der Union, der dieses Gesetz für zustimmungsfähig gehalten hätte.

sueddeutsche.de: Gilt das auch für den liberalen Flügel in ihrer Partei? Ich denke da an Rita Süssmuth, die die Einwanderungskommission der Bundesregierung geleitet hat. Oder an Peter Müller, CDU-Ministerpräsident im Saarland.

Wolfgang Bosbach: Dass der eine oder andere Kollege aus der Fraktion abweichender Aufassung ist, räume ich ein. Der weit überwiegende Teil aber hält dieses Gestz aus guten Gründen für nicht zustimmungsfähig. Das gilt auch für Peter Müller. Er hat noch vor wenigen Tagen gesagt, dass er dem Gestz so nicht zustimmen kann.

sueddeutsche.de: Sehen Sie noch eine Chance für eine Einigung bis zur Bundestagswahl im Herbst 2002?

Wolfgang Bosbach: Wenn es bei dem bleibt, was Herr Schily mit den Grünen ausgehandelt hat, wird es keine Zustimmung der Union geben. Weder im Deutschen Bundestag noch im Bundesrat.

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