Süddeutsche.de bloggt die US-Wahl:Logbuch Amerika

Entweder Obama versagt als "Jimmy Carter Reloaded" - oder er kann noch einmal die Leidenschaft der Amerikaner entfachen. Doch wer fordert ihn überhaupt heraus? Süddeutsche.de bloggt ab heute über die US-Wahl. Dabei wird es nicht nur um die große Politik gehen, auch das Kleine, das Bunte, das Abseitige wird uns beschäftigen.

Jannis Brühl

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Barack Obama, der Mann, der sein Versprechen gebrochen hat.

(Foto: AFP)

Der Mann hat sein Versprechen gebrochen. Der Wandel ist nicht nach Amerika gekommen. Die Reichen sind reicher geworden, die Armen ärmer. Der undurchsichtige Krieg gegen den Terror läuft noch immer, Guantanamo wurde nicht geschlossen. Und das Land ist mindestens genauso gespalten wie unter seinem Vorgänger. Das zeigt sich auch im zweiten Präsidentschaftswahlkampf, in den Barack Obama zieht, um im Amt zu bleiben.

Der Mann, der sein Versprechen gebrochen hat, muss erneut die Leidenschaft der Amerikaner entfachen, die ihm vor vier Jahren den Einzug ins Weiße Haus beschert hat. Er versprach, den "Amerikanischen Traum" wieder mit Leben zu erfüllen. Stattdessen rieb er sich auf im politischen Tagesgeschäft: Gesundheitsreform, Truppenabzugstermine, die Arbeitslosigkeit so hoch wie nie, Hunderttausende, die durch die Immobilienkrise ihr Eigenheim verloren.

"Ich will lieber ein guter Präsident für eine Amtszeit sein als ein mittelmäßiger, der zwei Amtszeiten lang regiert", sagte Barack Obama vor zwei Jahren in einem Interview. Das klang damals zwar gut, doch 2012 wird Obama alles daransetzen, nicht als Jimmy Carter Reloaded zu enden, jenem glücklosen demokratischen Präsidenten, der 1980 von Ronald Reagan aus dem Weißen Haus gejagt wurde.

Zunächst kämpfen aber Obamas Gegner bis zum last man standing, um ihren neuen Reagan zu finden. Auch wenn Historiker und politische Kommentatoren keinem die Größe der konservativen Ikone zusprechen: Die Kandidaten der Republikaner sind vielschichtiger, als sie auf den ersten Blick erscheinen: Der aggressive Gingrich dürfte einer der belesensten Männer im Washingtoner Polit-Zirkus sein. Favorit Mitt Romney verkörpert den Widerspruch der ganzen Partei: Zum ersten Mal seit langem musste sich ein republikanischer Kandidat für niedrige Steuern rechtfertigen - weil er selbst davon massiv profitiert. Er zieht mit religiös-konservativen Slogans in die Schlacht - und ist gleichzeitig Mitglied einer religiösen Minderheit, die viele ebenjener Religiös-Konservativen für eine Sekte halten. Er genießt am ehesten das Vertrauen der moderaten und wirtschaftsorientierten Republikaner - und muss sich doch ständig konservativer geben, als er es in der Realität je war. Dabei verlangt die Klientel, die er so ködern will, nach einem Betonkopf - und nicht nach einem Rückgrat aus Gelee.

Konkurrenz bekommt Romney denn auch vom christlichen Rechtsaußen Rick Santorum. Dem Spott des linken Amerikas zum Trotz hat dieser in den Umfragen zu Romney aufgeschlossen. Und dann ist da noch Ron Paul: Der Außenseiter kann den favorisierten Kandidaten wichtige Stimmen stehlen. Er vertritt einen brutalen Wirtschaftsliberalismus - und ist gleichzeitig gegen amerikanische Kriegseinsätze im Ausland, was man sonst eher von europäischen Liberalen und Rechten hört.

"Die Wahlen sind Entertainment für ein ganzes Jahr geworden", schreibt die New York Review of Books. Wir können uns dem nur anschließen. Let us entertain and inform you. Zusätzlich zur gewohnten Wahlberichterstattung von Süddeutsche.de wird sich dieser Blog dem Wahlkampf in den USA widmen. Es wird nicht nur um die große Politik gehen, auch das Kleine, das Bunte und das Abseitige wird uns beschäftigen. Ein Team von Autoren will helfen, ein Land zu erklären, das die Deutschen schon immer fasziniert hat, gerade wenn es, wie derzeit, um seine Seele ringt.

Wir freuen uns auf Ihre Kommentare hier im Blog und gute Diskussionen.

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