Südchinesisches Meer:Insel-Ketten-Reaktion

Peking und Washington liefern sich einen Kampf um Einfluss und Recht. Wer gewinnt? Natürlich China, das mit geradezu frechen Methoden Land für sich reklamiert. Allein: Der Effekt ist gegenteilig, die Nachbarn wenden sich in Angst ab.

Von Stefan Kornelius

Im Kalten Krieg gab es am Ende eine Gewissheit, die für höchste Stabilität sorgte: Die Zerstörung - wenn sie denn einmal ausgelöst würde - wäre umfassend gewesen. Wenn also Washington oder Moskau einen Krieg vom Zaun gebrochen hätten, dann wäre nur eines sicher gewesen: die wechselseitige Vernichtung.

Zwischen China und den USA bewegt sich die militärische Rhetorik noch lange nicht auf diesem martialischen Niveau, aber schon jetzt wissen beide Nationen, dass ein Krieg unter Nuklearmächten nicht wirklich eine Option ist. Peking und Washington liefern sich aber Scharmützel, sie kämpfen mit harten Bandagen um Einfluss, Kontrolle, Regeln und Dominanz. Die jüngste Eskalation im Südchinesischen Meer ist da nur ein Beispiel, das der nach China reisenden Bundeskanzlerin die Botschaft mit auf den Weg gibt: Handelsverträge gibt es nicht im Sonderangebot. Jedes Geschäft mit China hat einen umfassenderen Preis.

Der Preis, der gerade zwischen den USA und China ausgehandelt wird, betrifft vor allem das Thema Recht und Regeln - das ist die amerikanische Sicht. Aus chinesischer Sicht geht es um den Einfluss auf dem eigenen Hinterhof. Peking ist gewillt, diesen auch mit der nötigen Portion Entschlossenheit und Chuzpe durchzusetzen. Recht, vor allem das Seevölkerrecht, hat China als zweitrangig herabgestuft.

Der maritime Tango in den Meeren östlich und südlich des chinesischen Festlandes wurde lange nach bewährter Schrittfolge getanzt: Man stritt sich um Karten und seltsame historische Ansprüche, und auf jede diplomatische Attacke folgte ein Gegenangriff, auf dass es unentschieden blieb. Nun hat sich die Musik geändert, weil China aus Steinbrocken ganze Inseln entstehen lässt und darauf auch noch Flugfelder betoniert. Diese unkonventionelle Landnahme, verbunden mit dem Kontrollanspruch über Luft und Wasser, ist heute technisch möglich - und sie ist frech. Der Seegerichtshof kann Ansprüche nicht klären, weil sich China dem Verfahren nicht stellt. Und für eine militärische Konfrontation reicht die Provokation nicht aus. Peking lässt also kühl lächelnd Sand aufhäufen, während Washington mit dem Gesetzbuch wedelt. Wer diesen direkten Wettbewerb gewinnen wird? China natürlich.

Peking muss wissen: Territoriale Gelüste haben ihren Preis

Mit dieser Strategie bewirkt China freilich das Gegenteil dessen, was es eigentlich erreichen möchte. Peking gewinnt nicht die Kontrolle über seine Nachbarregion, sondern es treibt seine Nachbarn nur noch stärker in die schützenden Arme der USA. Gemeinsame Manöver, Strategierunden, Ausbildungsprogramme, Rüstungspläne - eigentlich wollte China den Inselring im Osten und Südosten seiner Küsten politisch durchbrechen. Jetzt schließt sich diese Staatenkette in Furcht vor dem übermächtigen Nachbarn nur noch enger zusammen.

China ist eine Pubertätsmacht. Wieder und wieder testet es seine Kräfte; mal zuckt es zurück, wenn der Widerstand zu groß erscheint; mal brüllt es laut Hurra, wenn das nationalistische Fieber zu sehr steigt. Seine territorialen Dehnübungen wiederholen sich in Schüben, unterbrochen von langen Pausen relativer Ruhe und Zurückhaltung.

Den Nachbarn und auch den USA als Pazifik-Anrainern ist bisher keine vernünftige Erwiderung eingefallen. Die Entsendung eines Raketenkreuzers lenkt die Aufmerksamkeit auf das Problem, ein Handlungsdruck für China entsteht so nicht. Der entstünde nur, wenn auch die übrigen Geschäfte mit Peking gekoppelt wären an den geopolitischen Disput. Wer die Nachbarschaftskonflikte ausblendet, bestärkt Peking nur in seinen Abenteuern. Die Streitigkeiten müssen nach diplomatischen und völkerrechtlichen Grundsätzen gelöst werden. Die Regeln dafür gibt es längst.

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