Südchinesisches Meer:Bedrohlicher Regenbogen

China und die Philippinen nähern sich wieder an. Das weckt Misstrauen bei vielen Bewohnern der Inselnation: Sie befürchten, ihr Land könnte sich bei Verhandlungen mit dem mächtigen Nachbarn über den Tisch ziehen lassen.

Von Arne Perras, Singapur

Dreizehn Jahre lang war kein chinesischer Staatschef mehr auf die Philippinen gekommen, obwohl es nur ein kleiner Sprung ist von Peking nach Manila. Wegen der Streitigkeiten im Südchinesischen Meer stand es lange nicht gut um das Verhältnis, doch am Dienstag landete nun Staatschef Xi Jinping zu einem zweitägigen Staatsbesuch. Der Sprecher des Gastgebers Rodrigo Duterte versicherte, dass nun die Zeit gekommen sei, die Weichen für die Zukunft der bilateralen Beziehungen neu zu stellen. Xi tat, was schon Routine bei solchen Besuchen geworden ist: Er umschmeichelte die Gastgeber mit blumiger Rhetorik. In einem Artikel im Philippine Star nannte er das neue Band zwischen den Ländern einen "Regenbogen", der nach Jahren des schlechten Wetters aufgezogen sei.

Es sah allerdings nicht danach aus, als teilten alle Philippiner die Begeisterung. Kurz vor der Ankunft des Chinesen machte eine Umfrage die Runde, die das Gegenteil nahelegt: 84 Prozent der Befragten halten es für falsch, sich nicht gegen die Militarisierung des Südchinesischen Meeres durch China zu stemmen. 86 Prozent halten es für richtig, die philippinischen Streitkräfte, vor allem die Marine, aufzurüsten. Das war kein gutes Stimmungsbarometer für Präsident Rodrigo Duterte, der darauf hofft, dass er wirtschaftliche Vorteile ernten kann, wenn er auf eine Konfrontation mit China verzichtet und die Hand zu Verhandlungen reicht, auch und gerade im Streit um das Südchinesische Meer.

Dutertes Kurs manifestierte sich denn auch schon am Dienstagabend in Gestalt einer Vereinbarung, die eine gemeinsame Erkundung von Öl- und Gasvorkommen im Südchinesischen Meer vorsieht. Über die Details des Pakts wurde zunächst nichts bekannt, doch ist dieses Thema in den Philippinen äußerst brisant. Oppositionelle warnen davor, dass die Souveränität ihres Landes durch derartige Deals aufs Spiel gesetzt werde.

Kritik findet Gehör bei jenen, die Angst haben, dass sich die Inselnation durch Verhandlungen mit dem mächtigen Nachbarn womöglich über den Tisch ziehen lässt. Außerdem fragen sich viele, welche Folgen dieser Schritt für die Beziehungen mit dem traditionellen Bündnispartner USA haben wird, mit dem Manila nach dem zweiten Weltkrieg einen Verteidigungspakt geschlossen hat. Laut einer Umfrage haben die Philippiner mehrheitlich immer noch größeres Vertrauen in die USA als in China, das durch seine fortgesetzten Drohgebärden auf dem Meer keine Sympathien gewonnen hat.

Peking hat mit seinen Drohgebärden keine Sympathien gewonnen

Peking liegt mit nahezu allen Nachbarn im Streit um maritime Ansprüche, was nicht nur, aber auch mit Rohstoffen zu tun hat. Öl und Gas spielen in doppelter Hinsicht eine Rolle, zum einen führt die Hauptroute der Tanker aus dem Nahen Osten durch die Gewässer von Südostasien, die als Highway des Welthandels gelten. Zum anderen werden im Südchinesischen Meer selbst gewaltige Rohstoffvorkommen vermutet. Alle Staaten wollen vor ihren Küsten Öllagerstätten erkunden und Gas fördern, was durch den Anspruch Chinas auf 80 Prozent des Gebiets nun in vielen Fällen gar nicht möglich ist.

Die Schätzungen der Reserven schwanken erheblich, Chinas staatliche Ölgesellschaft bezifferte die mögliche Menge auf 125 Milliarden Barrel Öl, eine ältere US-Studie nennt 28 Milliarden. Doch verfestigt sich die Einschätzung, dass das Südchinesische Meer zu den größeren Lagerstätten der Welt gehören könnte.

Der philippinische Präsident Duterte ist deutlich abgerückt von der Position seines Vorgängers Benigno Aquino, der Chinas Vorstöße auf dem Meer mit den Mitteln des internationalen Rechts beizukommen suchte. Unter seiner Regierung zog Manila vor das ständige Schiedsgericht in Den Haag, das die philippinische Position stützte und deutlich machte, dass die chinesischen Ansprüche keineswegs durch internationales Recht gedeckt seien.

China ignoriert dieses Urteil und versucht, die Nachbarn in bilaterale Abkommen einzubinden, die nach chinesischer Lesart eine "Win-Win- Sitution" erzeugen. Damit ist gemeint, dass von solchen Deals immer beide Seiten profitieren. Sollte das gemeinsame Vorhaben mit den Philippinen Bestand haben, hätte das Signalwirkung auf die Nachbarn, der Druck auf sie könnte steigen, sich auf ähnliche Kompromisse mit China einzulassen.

In philippinischen Medien war im Vorfeld des Treffens starke Besorgnis erkennbar, weil es keine Transparenz bei der Vorbereitung des Deals gegeben hatte. Oppositionelle Senatoren warnten, ein Abkommen zur gemeinsamen Ausbeutung von Öl- und Gasreserven mit Peking verstoße womöglich gegen die Verfassung, wenn es sich um Gebiete handelt, die nach internationalem Recht den Philippinen zur alleinigen Ausbeutung zustehen.

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