Wahl in SüdafrikaJacob Zumas Rache

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Der große Gewinner der Wahl in Südafrika: Ex-Präsident Jacob Zuma.
Der große Gewinner der Wahl in Südafrika: Ex-Präsident Jacob Zuma. (Foto: Rogan Ward/Reuters)

Südafrikas skandalumwitterter Ex-Präsident kommt bei den Wahlen mit neuer Partei aus dem Stand auf fünfzehn Prozent - und kostet seine alte Partei, den ANC, die absolute Mehrheit. Sitzt er bald wieder in der Regierung?

Von Paul Munzinger, Kapstadt

Bei den Wahlen in Südafrika hat der regierende African National Congress (ANC) eine historische Niederlage erlitten. Die Partei erhielt zwar die meisten Stimmen, verlor aber erstmals seit dem Ende der Apartheid vor 30 Jahren die absolute Mehrheit im Parlament. Nach Auszählung fast aller Stimmen kommt der ANC auf 40 Prozent und sicherte sich 159 der 400 Sitze im Parlament. Das sind 18 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl 2019 und 22 Punkte weniger als 2014.

"Es gibt keinen Grund zu feiern", sagte ANC-Generalsekretär Fikile Mbalula am Sonntag in Johannesburg. "Die Ergebnisse senden eine klare Botschaft an den ANC." Mbalula verwies nicht nur auf die Verluste seiner Partei, sondern auch auf die gesunkene Wahlbeteiligung. Die lag mit 59 Prozent so niedrig wie noch nie seit 1994.

Die zweitmeisten Stimmen erhielt wie vor fünf Jahren die liberale Democratic Alliance (DA). Sie kommt auf knapp 22 Prozent und kann damit ein leichtes Plus von einem Prozentpunkt verbuchen. Angesichts der Verluste für die Regierungspartei ist dieses Ergebnis allerdings auch für die DA eine Enttäuschung. Sie war mit dem Ziel angetreten, den ANC als Teil eines Parteienbündnisses von der Regierung zu verdrängen. Dieses Ziel hat die Partei deutlich verfehlt.

Der große Gewinner der Wahl ist Umkhonto we Sizwe (MK). Die erst im Dezember gegründete linkspopulistische Partei kam auf Anhieb auf fast 15 Prozent der Stimmen. An der Spitze der MK steht Jacob Zuma, der frühere Staatspräsident und ANC-Vorsitzende. Er war 2018 nach massiven Korruptionsvorwürfen vom heutigen Präsidenten Cyril Ramaphosa erst von der Spitze der Partei und dann aus dem Amt gedrängt worden.

Trotz des Comebacks: Zuma selbst kann voraussichtlich gar nicht ins Parlament einziehen

Nun gelang dem 82-jährigen Zuma das Comeback. Man könnte auch sagen: die Revanche. Das ist umso bemerkenswerter, als er selbst voraussichtlich gar nicht ins Parlament einziehen kann. Das südafrikanische Verfassungsgericht hatte ihm wenige Tage vor der Wahl das passive Wahlrecht für fünf Jahre entzogen, weil er 2021 zu einer Gefängnisstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden war. Zuma war damals nicht vor der Kommission erschienen, die die gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe untersuchen sollte.

Doch Zumas Anhänger schreckte das offenbar nicht ab. In seiner Heimatprovinz KwaZulu-Natal, ganz im Osten Südafrikas, kam die MK-Partei aus dem Stand auf 46 Prozent der Stimmen. Der ANC fiel hier von 55 auf 18 Prozent. KwaZulu-Natal hat zwölf Millionen Einwohner, die zweitmeisten aller neun Provinzen des Landes. Die Regierungspartei hat ihre absolute Mehrheit vor allem hier verloren. An Jacob Zuma.

Zum ersten Mal ist der ANC, der Südafrika von der Apartheid befreite und in Nelson Mandela den ersten schwarzen Präsidenten stellte, damit auf einen Koalitionspartner angewiesen, um an der Regierung zu bleiben. Rein rechnerisch käme die MK-Partei dafür infrage. Doch dass die Rivalen Ramaphosa und Zuma sich auf ein Bündnis einigen könnten, ist nur schwer vorstellbar. Eine Koalition aus ANC und MK erscheint nur dann möglich, wenn Ramaphosa zurücktritt oder von seiner Partei gestürzt wird.

Eine führende MK-Politikerin erklärte, die Partei sei grundsätzlich bereit für eine Koalition mit dem ANC - "aber definitiv nicht mit dem ANC von Ramaphosa". ANC-Generalsekretär Mbalula wies Forderungen nach einem Rücktritt Ramaphosas am Sonntag zurück.

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Als wahrscheinlicher galt vor der Wahl, dass der ANC sich mit den Economic Freedom Fighters (EFF) zusammentut. Wie MK ist auch die EFF ein radikaler Ableger des ANC, der sich für die Verstaatlichung von Banken und Rohstoffunternehmen sowie die Enteignung der hauptsächlich weißen Landbesitzer einsetzt. Auf regionaler Ebene haben ANC und EFF bereits zusammengearbeitet. Doch weil auch die EFF Stimmen einbüßte und nur 9,5 Prozent erreichte, ist nicht klar, ob sie mit dem ANC überhaupt auf eine Mehrheit käme.

Die dritte Regierungsoption für den ANC ist eine große Koalition mit der DA. Die hätte eine komfortable Mehrheit. Doch ob auch nur eine der beiden Parteien bereit wäre, sich auf ein Bündnis einzulassen, ist offen. Die programmatischen Unterschiede zwischen dem im weitesten Sinne sozialdemokratischen ANC und der marktwirtschaftlich orientierten DA sind groß. In der DA gibt es zudem Bedenken, als Juniorpartner in einer Koalition zerrieben zu werden. Andererseits wäre die große Koalition der einzige Weg für die DA, ihr Versprechen aus dem Wahlkampf zu erfüllen und eine "Weltuntergangskoalition" zwischen ANC und EFF oder MK zu verhindern. Für Ramaphosa wiederum könnte eine große Koalition der einzige Weg sein, seine Präsidentschaft zu retten.

ANC-Generalsekretär Mbalula äußerte sich am Sonntag skeptisch zu einer möglichen Koalition mit der DA. Die Parteien seien "wie Öl und Wasser". Doch er betonte: "Wir reden mit allen." Viel Zeit bleibt dafür nicht. In Südafrika muss zwei Wochen nach Verkündung des Wahlergebnisses das Parlament zusammentreten und einen Präsidenten wählen. In der Ära der ANC-Alleinregierungen war das kein Problem. In der neuen Zeitrechnung, die mit dieser Wahl begonnen hat, könnte es sich als ausgesprochen kurz erweisen.

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