In Südafrika zeichnet sich nach der Parlamentswahl erstmals in der Geschichte des Landes eine Koalitionsregierung ab. Nach Auszählung von 80 Prozent Stimmen liegt die Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) bei 41,37 Prozent, wie die Nationale Wahlbehörde (IEC) mitteilt. Das vorläufige Teilergebnis deutet auf einen massiven Machtverlust der Partei von Präsident Cyril Ramaphosa hin. Bei den Parlamentswahlen 2019 kam sie auf 57,5 Prozent der Stimmen.
Nach Verkündung der Ergebnisse muss das neugewählte Parlament innerhalb von 14 Tagen eine Regierung bilden und einen Präsidenten wählen. Bleibt die einstige Partei des Anti-Apartheid-Kämpfers Nelson Mandela unter der 50-Prozent-Marke, was nun als wahrscheinlich gilt, wird sie einen Partner benötigen. In den vergangenen 30 Jahren, seit Beginn der Demokratie 1994, hatte der ANC immer die absolute Mehrheit errungen und die stärkste Volkswirtschaft des Kontinents allein regiert.
Die wirtschaftsliberale Demokratische Allianz (DA) kam den vorläufigen Teilergebnissen zufolge auf 22,16 Prozent, während die erst vor sechs Monaten von Ex-Präsident Jacob Zuma gegründete Partei, uMkhonto we Sizwe (MK), bei 13,06 Prozent liegt. Die marxistisch geprägte Partei Economic Freedom Fighters (EFF) folgt knapp dahinter mit 9,41 Prozent.
Der ANC wird nach den vorläufigen Teilergebnissen auch die absolute Mehrheit in Gauteng verlieren, der wirtschaftsstärksten Provinz des Landes, in der die Hauptstadt Pretoria und die Wirtschaftsmetropole Johannesburg liegen. Ebenso dürfte der ANC in KwaZulu-Natal, der Heimatprovinz Zumas, unter 50 Prozent fallen. Die wirtschaftlich zweitstärkste Provinz, das Westkap, in dem Kapstadt liegt, wird bereits seit Jahren von der DA geführt, die dort dem vorläufigen Stand nach die absolute Mehrheit behalten dürfte.
Schwache Wirtschaft, hohe Kriminalität
Der Grund für den nun erwarteten historischen Machtverlust des ANC in dem Land mit 61 Millionen Einwohnern am Südzipfel Afrikas wird mit einer schwachen Regierungsbilanz begründet: eine kränkelnde Wirtschaft, Massenarbeitslosigkeit, marode Staatsunternehmen, regelmäßige Stromabschaltungen sowie hohe Kriminalität und Korruption.
Die Wahlen sind auch für Deutschland und Europa relevant. Südafrika gilt politisch und wirtschaftlich als "Tor zu Afrika", als Zugangsland zu einem Kontinent, der aufgrund seiner für die Energiewende benötigten Rohstoffvorkommen international immer wichtiger wird. Obwohl Südafrika gute Beziehungen zu westlichen Ländern unterhält, ist die Regierung eng mit Russland und China verbunden.