Völkerrecht:Südafrika will Internationalen Strafgerichtshof doch nicht verlassen

Völkerrecht: Kann man einen alten Freund verhaften? Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (re.) 2019 im trauten Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin.

Kann man einen alten Freund verhaften? Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa (re.) 2019 im trauten Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin.

(Foto: Sergei Chirikov/Reuters)

Präsident Cyril Ramaphosa hatte angekündigt, sein Land aus dem Gericht zurückzuziehen - damit er Wladimir Putin nicht festnehmen muss, wenn dieser Südafrika besucht. Nun soll das alles nur ein Missverständnis gewesen sein.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Cyril Ramaphosa schien sich seiner Sache recht sicher zu sein. Am Dienstagvormittag trat er mit dem auf Staatsbesuch am Kap verweilenden finnischen Präsidenten Sauli Niinistö vor eine Gruppe Journalisten und gestattete einige Fragen. Für südafrikanische Medien sind Besuche internationaler Gäste mittlerweile fast die einzige Möglichkeit, ihren Präsidenten überhaupt etwas zu fragen, Pressekonferenzen hat er fast völlig eingestellt, Einzelinterviews gibt er schon lange nicht mehr. Er hat keine Lust mehr auf kritische Nachfragen, so wie seine ganze korrupte ANC-Clique, die in Ruhe das Land ausplündern möchte.

Bei Staatsbesuchen gehören ein paar Fragen aber zum Protokoll, die sich zu Ramaphosas Missfallen dann aber nicht zum zu den finnisch-südafrikanischen Beziehungen im Wandel der Zeit bezogen. Sondern zu dem für August geplanten Besuch von Wladimir Putin.

Den russischen Präsidenten bezeichnet Ramaphosa seit Wochen und Monaten immer wieder als sehr guten Freund, der herzlich in Südafrika willkommen sei. Gleichzeitig stellt er die Regierung aber vor die knifflige Aufgabe, dass sie als eines der Mitglieder des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) Putin bei Einreise verhaften müsste, da gegen ihn ein Haftbefehl vorliegt. Ramaphosa hatte deshalb juristische Gutachten erstellen lassen und eine Delegation nach Moskau geschickt, um die heikle Sache mit dem guten Freund zu besprechen.

Der ANC singt das Lied vom bösen Imperialismus

Am Dienstag nun hatte Ramaphosa eine Lösung: Der ANC habe "beschlossen, dass wir uns zurückziehen sollten" aus dem IStGH, sagte Ramaphosa. Er wirkte gut vorbereitet und schob gleich hinterher, dass auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International den IStGH als eine ungerechte Institution kritisiert habe, die vor allem Afrikaner verfolge. Dass Amnesty trotzdem ein Befürworter des IStGH ist, vergaß Ramaphosa zu erwähnen. Wenig später begannen auch andere ANC-Kader das Lied vom bösen Imperialismus zu singen.

Die Sache schien klar, ein Land, das unter Nelson Mandela sich anschickte, so etwas wie der moralische Kompass Afrikas, ja sogar der weiteren Welt zu sein, schlägt sich endgültig auf die Seite Putins. Medien in aller Welt berichteten, auch in Südafrika gab es einen Aufschrei. Nicole Fritz, die Direktorin der Helen Suzman Stiftung, vermutete, dass Ramaphosa und der ANC womöglich nicht das Kleingedruckte gelesen hätten vor ihrer Entscheidung: Selbst wenn sie jetzt aus dem IStGH-Vertrag austreten würden, wäre die Kündigung erst zwölf Monate später gültig. Es wäre also keine Lösung für das Putin-Dilemma.

Ein Rückzug vom Rückzug

Ein paar Stunden später ruderte Ramaphosa zurück und behauptete nun das Gegenteil. "Die Präsidentschaft möchte klarstellen, dass Südafrika ein Unterzeichner des Römischen Statuts bleibt und sich weiterhin für eine gleichberechtigte und konsequente Anwendung des Völkerrechts einsetzen wird", teilte ein Sprecher mit.

Aber auch das muss nicht die letzte Wahrheit sein in einer Regierung, die zum größten Teil nur so tut, als würde sie regieren. In einem Protokoll der Sitzung des Nationalen Exekutivkomitees des ANC, das so etwas Ähnliches ist wie ein Politbüro ist, heißt es, dass dort "Möglichkeiten zur Änderung der südafrikanischen Gesetzgebung erörtert wurden, mit der das Römische Statut des IStGH nationalisiert wird". Heißt übersetzt: Man will weiter Mitglied bleiben, ohne ein Staatsoberhaupt verhaften zu müssen. Sollte das juristisch nicht möglich sein, werde man den Austritt möglicherweise weiter verfolgen.

Dass man nicht gleichzeitig Mitglied des IStGH sein kann und dessen Haftbefehle ignorieren, sollte Ramaphosa eigentlich wissen. Im Jahr 2015 besuchte der damalige sudanesische Diktator Omar al-Baschir Südafrika. Auch gegen ihn lag ein Haftbefehl vor, er wurde damals aber nicht festgenommen. Die Obersten Gerichte Südafrikas rügten die Entscheidung der damaligen Regierung, deren Nachfolger Ramaphosa bekannte sich danach immer wieder zum IStGH.

Nur möchte er eben auch die Freundschaft zu Wladimir Putin nicht belasten. In Pretoria hatten viele gehofft, dass der die Einladung zum Brics-Gipfel von sich aus nicht annehmen würde, Gründe gebe es ja genug. Das scheint aber nicht der Fall zu sein, weshalb Ramaphosa nun ein weiteres Problem hat. Er hat sich im Ukraine-Konflikt klar auf die Seite Russlands gestellt, vor einigen Wochen übte die russische Marine mit der südafrikanischen. Vor allem in den USA wächst die Kritik, im Senat fragen manche Abgeordnete schon, ob man denn Südafrika weiter Privilegien gewähren sollte, zum Beispiel den zollfreien Import von Autos, die VW und BMW am Kap für den US-Markt produzieren.

Ramaphosa und das Politbüro des ANC haben bisher noch keine Lösung gefunden für das Problem Putin, der doch eigentlich ein Freund ist. Der ANC teilt etwas beleidigt mit: Der Westen sehe sich selbst als "eine aufgeklärte Zivilisation" - und er beanspruche "für sich das Recht, anderen im Namen der Menschenrechte und der Demokratie seinen Willen aufzuzwingen". Nur hat Ramaphosa eben niemand im Westen gezwungen, Putin nach Südafrika einzuladen.

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