Man kann sagen, dass sich der ANC auf alles vorbereitet hat. In Johannesburg wurden mehr als 5000 Hotelbetten reserviert, für die anreisenden Delegierten. Denen wurden auch gleich klare Regeln mit gegeben, wie sie sich zu verhalten haben auf dem Kongress: In den Wahlkabinen herrscht strenges Handyverbot, niemand soll ein Foto von seinem Wahlzettel machen können, was den Stimmenkauf erschwert. Und weil politische Veranstaltungen in Südafrika so wie Fußballspiele in Europa immer auch eine gute Entschuldigung sind, schon mittags ein Bierchen zu trinken, soll es für die schweren Fälle auch Atemtests geben. Ganz nüchtern besehen, könnte es also eine gelungene Veranstaltung werden. Entscheidend für die Zukunft Südafrikas ist sie in jedem Fall.
Ein Vierteljahrhundert nach dem Anfang vom Ende der Apartheid wählt die einstige Befreiungsbewegung und heutige Regierungspartei African National Congress (ANC) einen neuen Vorsitzenden, den dritten nach Nelson Mandela. 2019 soll dieser dann auch Präsident des Landes werden. Großer Reformator oder Totengräber: Das ist in etwa die Bandbreite der Erwartungen für den Sieger, je nachdem, wer es wird. Die Rollen sind dabei klar verteilt.
Südafrika:Das letzte große Hurra
Denis Goldberg wurde als einziger Weißer im ANC zusammen mit Nelson Mandela zu lebenslanger Haft verurteilt. Jetzt ringt er mit dem Krebstod - und rechnet mit alten Genossen ab.
Da ist auf der einen Seite Nkosazana Dlamini-Zuma, eine ehemalige Frau des amtierenden polygamen Präsidenten Jacob Zuma, der Kritiker vorwerfen, nur eine Marionette zu sein, die das korrupte System ihres Mannes einfach fortführen und dafür sorgen werde, dass dieser straffrei bleibt.
Auf der anderen Seite Cyril Ramaphosa, derzeit Vize-Präsident, der im Wahlkampf gegen Korruption wettert und als Unternehmer Millionen verdient hat, also womöglich weiß, wie man eine stagnierende Wirtschaft wieder zum Laufen bringt.
Es ist eine Wahl, die Südafrika seit Monaten beschäftigt, ein Land, das nach dem Ende der Apartheid als großer Hoffnungsträger des Kontinents galt, das nun aber auf der Stelle tritt. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Wirtschaft schrumpft. In den vergangenen Jahren wurde zwar die Infrastruktur im ganzen Land verbessert, wurden Tausende Kilometer neue Straßen gebaut, etwa vier Millionen Sozialwohnungen fertiggestellt. Es wurden Universitäten und Schulen erweitert, die Zahl der schwarzen Studenten wurde massiv erhöht. Nur gibt es eben keine Jobs für die vielen neuen Absolventen.
Südafrika ist seit der Apartheid kein gleicheres Land geworden. Der ANC spricht gerne von einer "radikalen ökonomischen Transformation", was in der Praxis vor allem bedeutet, dass seine Spitzenkader von öffentlichen Aufträgen und Schmiergeldern profitieren und dicke Autos fahren, allen voran Präsident Zuma, der das Land an eine reiche indische Unternehmerclique verkauft hat. Die plündern die staatlichen Unternehmen, die Fluggesellschaft South African steht vor der Pleite, ebenso der Stromkonzern und der staatliche Rundfunk.
Die Frustration über die nicht eingelösten Versprechen, über die Gier der Mächtigen ist mittlerweile so groß, dass der ANC wichtige Hochburgen verloren hat, in der Wählergunst abstürzt. Die absolute Mehrheit bei den Wahlen 2019 ist in Gefahr.
Nkosazana Dlamini-Zuma würde sie nach jüngsten Umfragen wohl verfehlen. Sie hat sich nie deutlich gegen die Korruption ihres Ex-Mannes und seiner Clique gewandt, hat im Wahlkampf über alles mögliche gesprochen, nur nicht über die Diebe in der eigenen Partei. Im ANC ist sie durchaus beliebt, eine Figur aus eigenem Recht, kein bloßes Anhängsel ihres Mannes. "Sie verdient Respekt", sagt selbst Denis Goldberg, einer der schärfsten parteiinternen Kritiker des heutigen Präsidenten. Dlamini-Zuma ist studierte Medizinerin, sie wurde 2007 Außenministerin ihres Landes, lange bevor man in Europa den Namen ihres Mannes kannte. Zuletzt war sie vier Jahre lang Präsidentin der Afrikanischen Union; eine Amtszeit, die so völlig frei von Initiativen oder Ergebnissen war, dass sich Dlamini-Zuma genötigt sah, ein Buch herauszugeben über ihre Erfolge, für alle, die davon nichts mitbekommen haben.
Es sind seltsame Tage in Südafrika, jeder redet über die Wahl des ANC. Nur die beiden Kandidaten reden selten, sie vereint eine gewisse Bräsigkeit, große Redner sind sie beide ohnehin nicht. Ihre öffentliche Auftritte hinterlassen das Gefühl, dass hier zwei am Werke sind, die nichts überstürzen wollen. Es ist wie so oft in Afrika, wo eine junge Bevölkerung nach Veränderung schreit, an der Spitze aber träge alte Männer stehen, oder auch Frauen.
Für Cyril Ramaphosa spricht zumindest, dass er zwar von Jacob Zuma ins Amt des Vize-Präsidenten geholt wurde und die ersten Jahre einer seiner treusten Dauerlober war, sich aber zumindest in jüngerer Zeit offen gegen die Korruption an der Spitze gestellt hat. Vor einigen Tagen erklärte er zudem öffentlich, er glaube einer Frau, die Zuma vor einigen Jahren der Vergewaltigung beschuldigt hatte.
Vor allem das weiße Südafrika sieht Ramaphosa vielleicht nicht als großen Hoffnungsträger, aber als das deutlich geringere Übel - weil er die Reichtümer der Eliten wohl unangetastet lassen würde. Im ANC kann das Lob von der falschen Seite allerdings zum Problem werden. Man tut gerne noch so, als befinde man sich im Widerstand, nicht an der Regierung. Dlamini-Zuma redet viel von radikaler Erneuerung und Umverteilung. Das kommt bei vielen gut an, auch wenn die Kandidatin von jener Clique auf den Schild gehoben wurde, die den Staat ausraubt.
Ramaphosa hat wenig Radikales in seinem Programm, er will das Steueraufkommen erhöhen und die Wirtschaft ankurbeln. Er gilt für viele in der Partei als Favorit.