An einer Stelle wird Jacob Zuma ein bisschen sentimental. Er erinnere sich sehr gerne daran, schreibt der Präsident von Südafrika an die Herrscher der Emirate am Golf, wie außerordentlich nett und zuvorkommend er bei seinem letzten Besuch in Dubai behandelt worden sei. Er habe eine große Wärme gespürt. "Deshalb freue ich mich, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass ich mich entschieden habe, die Vereinigten Arabischen Emirate zu meinem zweiten Heim zu machen."
Ob sich die Scheichs am Golf über diese Entscheidung genauso freuen, ist bisher nicht bekannt. Südafrikas Präsident Zuma ist derzeit keiner, mit dem man sich gerne zeigt, denn er ist ein Präsident, gegen den in Südafrika 786 Korruptionsfälle anhängig sind. Vielleicht hat ihn die Zahl irgendwann selbst überrascht und dazu veranlasst, für den Fall der Fälle vorzusorgen, ein Exil für den möglichen Machtverlust vorzubereiten.
Es gibt nicht wenige in Südafrika, die sich freuen würden, wenn Zuma schnellstmöglicht ins Exil verschwinden würde. Dazu gehören auch jene ehemaligen Mitstreiter im African National Congress (ANC), die mit Schrecken zusehen, wie sich Zuma den "Staat zur Beute" macht. Unter diesem Titel haben einige Wissenschaftler in der vergangenen Woche minutiös beschrieben, wie Zuma und die mit ihm befreundete und verbandelte indischstämmige Unternehmerfamilie der Guptas sich das Land zu ihrem Eigentum gemacht haben.
Wo sind die Beweise? Hier!
Die Guptas besitzen Unternehmen im Bereich Bergbau, Luftfahrt und Medien - Zuma hat die passenden Minister, die den milliardenschweren Freunden gerne Aufträge zuschustern. "Wo sind die Beweise?", fragten Zuma und seine Unterstützer immer wieder. "Hier sind sie", titelte die Sunday Times am Wochenende und veröffentlichte ein großes Dossier an E-Mails, die belegen sollen, wie Zuma sein Exil in den Emiraten plant und die Guptas bei der Besetzung von Kabinettsposten mitentscheiden lässt. Die E-Mails dokumentieren, wie die Chefs der staatlichen Energieversorger um die Welt geflogen wurden auf Kosten der Gupta-Familie - wenig später wechselten Minen und Konzessionen zu günstigen Bedingungen den Besitzer. Eigentlich liegt alles auf dem Tisch.
So geht das nun aber schon den großen Teil der bisherigen acht Jahre von Zumas Amtszeit. Mit jeder Enthüllung sind sich Zumas Gegner sicher, dass nun eine Grenze überschritten und dass Zuma nun nicht mehr zu halten sei. Was sich bisher noch jedes Mal als Trugschluss erwiesen hat. Vor dem Wochenende waren sich fast alle südafrikanischen Medien einig, dass Zuma eine Sitzung des obersten Führungsgremiums des ANC politisch nicht überleben werde. Die Gewerkschaften hatten sich gegen ihn ausgesprochen und wollen ihn nicht mehr auf ihren Versammlungen sehen, die Kirchen haben sich von ihm abgewandt und auch die Kommunisten, die Teil des ANC sind. Dessen alte Kämpfer schreiben offene Briefe, in denen sie Zuma moralisches Versagen vorwerfen. Letztlich haben es die Gegner im höchsten ANC-Gremium dann nicht einmal geschafft, über ein Misstrauensvotum abstimmen zu lassen. "Treibt es nicht zu weit", hat Zuma ihnen nach der Schmach geraten.
Es fehlt an Leuten, die die Konsequenzen durchsetzen könnten
Der Präsident lebe in seiner eigenen Realität, sagen seine Gegner abschätzig über ihn. Als nüchterne Realitätsbeschreibung trifft das durchaus zu: Zuma hat Partei, Regierung und auch zum Teil die Justiz so geordnet, dass ihm niemand mehr gefährlich werden kann. Die neue Zuma-Realität ist: Seine Skandale sind alle wohl dokumentiert, es fehlt nicht an Beweisen, aber an Leuten, die die Konsequenzen durchsetzen könnten.
Als Gefangener auf Robben Island war Zuma der erste Vorsitzende des Schachklubs. Auch jetzt ist er seinen Gegnern eher einen Zug voraus. Er plant das Exil, bevor sie ihn irgendwohin schicken können, wo er nicht hin möchte. Er hat den ganzen Parteiapparat mit seinen Gefolgsleuten besetzt. Vor allem aber plant er, seine Ex-Frau Nkosazana Dlamini-Zuma als seine Nachfolgerin im Präsidentenamt zu installieren. Er selbst darf nach zwei Amtszeiten bei den Wahlen 2019 nicht mehr antreten.
Die Ex-Gattin war bis vor Kurzem Vorsitzende der Afrikanischen Union in Addis Abeba, wo sie keinerlei bleibenden Eindruck hinterließ. Für ihren früheren Ehemann wäre sie eine Art lebenslange Immunität, dann bräuchte er das Exil in Dubai gar nicht mehr. Im Dezember soll ein Parteikongress über die Nachfolge im Vorsitz des ANC entscheiden. Bis dahin werden wohl weitere Skandale bekannt werden, weiter E-Mails auftauchen. Jedes Mal dürfte ein großer Teil der Bevölkerung denken, dass es dieses Mal reiche, dass Zuma einen Schritt zu weit gegangen sei. Vielleicht kommt es so. Vielleicht bleibt Zuma seinen Gegnern aber auch weiter einen Schritt voraus.