Die Ergebnisse von Robben Island sind meist die ersten, die bei den Wahlen in Südafrika ausgezählt sind und verkündet werden, weil auf der Insel vor Kapstadt nur ein paar Hundert Menschen leben, deren Stimmen dann mit der Fähre aufs Festland kommen. Sofern das Wetter passt, die Boote ablegen können.
Ansonsten waren die Ergebnisse auf Robben Island meist recht vorhersehbar. Die ehemalige Gefängnisinsel, auf der neben den Präsidenten Nelson Mandela und Jacob Zuma noch zahlreiche anderer Führer des Afrikanischen National Kongresses vom Apartheid-Regime eingesperrt worden waren, sie wählte meist zuverlässig den ANC, allein der großen Vergangenheit der Befreiungsbewegung wegen.
Südafrika:Lasst sie plündern
Mike Nkuna ist einer der reichsten schwarzen Südafrikaner. Als seine Shopping Malls geplündert wurden, war ihm klar, dass die Menschen Angst haben. Also versucht er, sie ihnen zu nehmen.
In der Gegenwart sehen die Dinge mittlerweile etwas anders aus, da laufen die Wähler dem ANC in Scharen davon; auf Robben Island, wo er bei den Kommunalwahlen vom Montag gerade noch 31 Prozent bekam, so wie im ganzen Land, wo es nur noch für 45 Prozent reichte - ein Minus von knapp zehn Prozentpunkten. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass die Regierungspartei unter die Marke von 50 Prozent fällt. "Die Menschen sind vom ANC enttäuscht, von den langsamen Fortschritten bei der Verbesserung der Kommunalverwaltung und der Bekämpfung von Korruption und Habgier", sagte Jessie Duarte, die stellvertretende Generalsekretärin des ANC.
Die "Enttäuschung", von der Duarte sprach, ist eine vorsichtige Umschreibung für die Wut, die in vielen ehemaligen ANC-Hochburgen herrscht. In Soweto hatten bei den Kommunalwahlen vor zehn Jahren noch 86 Prozent der Wähler für den ANC gestimmt, dieses Mal waren es nur noch 53. Bei einer stark sinkenden Wahlbeteiligung sind es vor allem die Älteren in den ländlichen Gebieten, die der Partei die Treue halten.
Von den Jüngeren in Soweto zogen am Wahltag Tausende zum ANC-Hauptquartier, um für mehr sozialen Wohnraum zu protestieren, auch ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Apartheid leben in den Metropolen Hunderttausende Menschen in Blechhütten. Das liegt an dem massiven Zuzug aus den ländlichen Gebieten - Kapstadt hat seine Einwohnerzahl in den vergangenen 20 Jahren auf vier Millionen verdoppelt - aber vor allem auch an dem kläglichen Zustand der öffentlichen Verwaltung. Die ist in weiten Teilen des Landes von Korruption, Misswirtschaft und Gleichgültigkeit zerfressen. Strom- und Wasserausfälle sind die Regel, selbst in Johannesburg werden Schlaglöcher in den Straßen oft nicht mehr repariert, überall bröselt das Land vor sich hin.
Besteht die Chance, dass der ANC untergeht, ehe er das Land mit sich reißt?
Der nationale Rechnungshof bescheinigte nur 27 Kommunen eine solide Haushaltsführung, mehr als 250 Städte und Gemeinden haben Milliarden Euro entgegen der Vorgaben verwendet, Geld verschwand, öffentliche Aufgaben wie Müllabfuhr werden nur noch teilweise oder gar nicht mehr erledigt. Dennoch hielt es Präsident Cyril Ramaphosa im Wahlkampf für eine gute Idee, den Wählern quasi zu drohen, dass es ohne ihre Stimme womöglich nie mehr Strom geben wird: "Wenn ihr nicht ANC wählt, wird die Stromversorgung vielleicht nie wieder hergestellt." Unter der Führung des ANC wurde aus dem einst hochgelobten Energieversorger Eskom ein Unternehmen, das mehr Schulden als Strom produziert, die Verbindlichkeiten sollen bei etwa 25 Milliarden Euro liegen.
Angesichts dieser Misere ist der erstmalige Verlust der absoluten Mehrheit eine gute Nachricht für viele Südafrikaner. Es besteht eine Chance, dass der ANC untergeht, bevor er das ganze Land mit sich reißt. Nur leider gibt es bisher wenig Alternativen.
Die Parteienlandschaft in Südafrika ist regional fragmentiert. Zweitstärkste Kraft auf nationaler Ebene ist die Democratic Alliance, der lange zugetraut wurde, einmal Regierungspartei zu werden. Nun stagniert sie aber bei etwas über 20 Prozent, auch, weil sie die Vision einer Art Regenbogenpartei aufgegeben hat, und nun vor allem für "weiße" Interessen kämpft, oder was sie dafür hält. Gewinnen konnten die Economic Freedom Fighters unter ihrem Chef Julius Malema, der einst selbst beim ANC war und nun eine radikale Umverteilung des Landbesitzes fordert. Malema und die EFF-Parteiführung sind in zahlreiche Korruptionsfälle verstrickt und für ihren luxuriösen Lebensstil bekannt, dennoch trauten etwas mehr als zehn Prozent ihr zu, die Probleme des Landes besser zu lösen.
Der ANC und seine Clique hatten selbst nicht davor zurückgeschreckt, aus der heiligen Gedenkstätte Robben Island einen Selbstbedienungsladen zu machen. Nun hat die EFF dort mit 51 Prozent die meisten Stimmen erhalten.