Sudan:Warten auf die Luft zum Atmen

Sudan: Ein wandlungsfähiger Diktator: Seit dem Militärputsch von 1989 beherrscht Omar al-Baschir den Sudan.

Ein wandlungsfähiger Diktator: Seit dem Militärputsch von 1989 beherrscht Omar al-Baschir den Sudan.

(Foto: Ashraf Shazly/AFP)

Nach dem Ende der jahrelangen Sanktionen gegen das Land sollen nun wieder Investitionen aus dem Ausland kommen - aber nicht aus Europa.

Von Bernd Dörries, Khartoum

Mit etwas Glück, sagt Mohamed Hamid Ahmed, werden die Züge mit etwa 20 Jahren Verspätung wieder losfahren, vielleicht auch etwas schneller. "Wir brauchen Geduld."

Ahmed ist der stellvertretende Geschäftsführer der sudanesischen Eisenbahngesellschaft. Er sitzt in seinem Büro neben einem Bahnhof, auf dem keine Züge zu sehen sind. Sein Arbeitszimmer hingegen ist voller neuer Lokomotiven, die Modelle haben ihm die chinesischen Delegationen als Geschenk überlassen, bei ihren regelmäßigen Besuchen. Die echten Loks vor seinem Fenster sind in keinem guten Zustand, viele seit Jahren nicht mehr im Einsatz, weil die Ersatzteile fehlen. "Das Embargo hat uns hart getroffen, wir haben sehr gelitten", sagt Ahmed und macht dazu ein leidendes Gesicht.

Etwa 50 der 80 Lokomotiven der Staatsbahn sind außer Betrieb, weil General Electric keine Ersatzteile mehr lieferte, nicht mehr liefern durfte, weil die USA Sanktionen verhängt hatten gegen den Sudan. Vor etwa 17 Jahren, erzählt Ahmed, sei die letzte Lieferung von General Electric im Hafen von Antwerpen angekommen, Container voll mit millionenschweren Teilen - dort liegen sie bis heute. Seit Oktober 2017 sind die Sanktionen aufgehoben. Seitdem versucht die Eisenbahngesellschaft, die Ersatzteile zu bekommen, die sie schon vor vielen Jahren bezahlt hat, bisher ohne Erfolg. "Wir brauchen Geduld", sagt Ahmed.

In der Eisenbahngesellschaft haben sie versucht, die Zeit zu nutzen, die Jahre, in denen sie nicht viel tun konnten. Sie haben einen Masterplan entwickelt, für die Zeit nach den Sanktionen, die Erweiterung des Streckennetzes mit neuen Fahrplänen. Der Masterplan ist ein hübsches Buch geworden mit vielen Karten und Grafiken, mehr als hundert Exemplare liegen auf einem Stapel in der Ecke des Büros von Ahmed, sie sind noch verschweißt. "Wir müssen Geduld haben. Bis wir spüren, dass die Sanktionen aufgehoben sind, braucht es Zeit."

Die Geduld ist in den Jahren der Sanktionen zur wichtigsten Ressource des Landes geworden, aber auch sie ist irgendwann zu Ende.

Als US-Präsident Donald Trump im vergangenen Herbst die Sanktionen beendete, war es in der Hauptstadt Khartoum so, als sei ein Fenster geöffnet worden zur Welt, durch das wieder die Luft zum Atmen kam. Es gab die Hoffnung auf Wandel und Handel, auf die Rückkehr der internationalen Konzerne. Nur kam eben kaum jemand. Bei den Eisenbahnern hat neulich eine Delegation aus Rumänien vorbeigeschaut, Siemens liefert ein paar Turbinen ins Land. Aber sonst?

Für viele Sudanesen hat sich bisher wenig verändert, vieles wurde sogar schlechter. Es fahren kaum Züge, die Währung verfällt, und das Brot wurde teurer, seit dem die Regierung die Subventionen kürzte. Im Januar demonstrierten Tausende gegen das teure Leben, die Regierung antwortete mit Tränengas und verhaftete Oppositionelle. Es war auf beiden Seiten nicht das Ergebnis, das man sich von der Aufhebung der Sanktionen erhofft hatte.

Ihre Geschichte beginnt an einem vierstöckigen braunen Haus im Stadtteil al-Riyadh, in das Osama bin Laden 1991 zog, nach dem ihn die Saudis hinausgeworfen hatten. In Khartoum wurde er unter der Bedingung aufgenommen, auch in die lokale Wirtschaft zu investieren. Bin Laden gründete Baufirmen und Farmen, widmete sich aber auch dem Kampf gegen die Ungläubigen. Im Jahr 1997 verhängten die USA die ersten Sanktionen, nach den Anschlägen von al-Qaida auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalaam bombardierten sie eine Arzneimittelfabrik, von der sie behaupteten, dass dort Chemiewaffen produziert wurden. Es war eine Behauptung, für die es nicht unbedingt die besten Belege gab.

Aber das Regime in Khartoum lieferte in den folgenden Jahren mehr als genug Gründe, die Sanktionen aufrechtzuerhalten: Der Genozid in der Region Darfur, die Unterdrückung der Nuba und der gnadenlose Kampf des Nordens gegen den Süden mit dem vielen Öl, der seine Unabhängigkeit wollte. In Khartoum gab man sich alle Mühe, das Bild des Paria-Staates überzuerfüllen - was das Land in die totale Isolation führte.

Seit 1989 wird Sudan von Omar al-Baschir regiert, der als Putschist begann, sich zum Islamisten und gnadenlosen Diktator wandelte und nun seit einigen Jahren den Weg der Annäherung probiert. Er ließ den Süden des Landes in die Unabhängigkeit ziehen, obwohl der 75 Prozent der Öleinnahmen mitnahm. Es war ein Lieblingsprojekt der EU und der USA, mit medialer Unterstützung von Hollywood, von Schauspielern wie George Clooney. Heute ist der Süd-sudan die Hölle auf Erden, und dem Norden fehlen die Einnahmen aus dem Öl.

Vor Jahren begann das Regime deshalb, mit den USA über die Aufhebung der Sanktionen zu verhandeln - und für Amerika gab es mit der Zeit immer weniger Gründe, sie weiter in Kraft zu lassen. Viele Konfliktregionen im Sudan sind einigermaßen befriedet, das Haus von bin Laden ist nicht zur Pilgerstätte geworden, und aus den Trümmern der Arzneimittelfabrik wächst gerade eine Raffinerie.

Im Sudan war man der Ansicht, dass es nun auch so etwas wie eine Belohnung geben könne für den Richtungsschwenk. Investitionen als Gegenleistung dafür, dass ein Land dem islamistischen Extremismus abgeschworen hat. Bisher ist aber wenig passiert. Noch immer kann man als Ausländer kein Geld abheben, bleibt das Land vom internationalen Zahlungsverkehr ausgeschlossen. Viele Banken und Firmen würde gerne Geschäfte machen, trauen sich aber nicht, weil die USA den Sudan immer noch auf der Liste der "Terror unterstützenden Staaten" führen, was Bankgeschäfte schwierig macht.

Es gibt eine breite Schicht von gut ausgebildeten Menschen, die sofort loslegen könnten

"Es gibt aber nichts, was jemanden daran hindern sollte, hierherzukommen", sagt Osama Faisal, der Minister für Investitionen. Aber auch er sagt: Wir brauchen Geduld. Auch wenn es wenig geben mag, das Investoren daran hindert, ins Land zu kommen - es gibt umgekehrt nicht sehr viel, was es als zwingend erscheinen lässt, unbedingt im Sudan zu investieren. Zumindest von außen betrachtet. Von innen sieht die Sache etwas anders aus: Fährt man in diesen Tagen durch das Land, dann erkennt man, dass der Sudan viel mehr ist als seine Politiker. Man trifft auf junge Leute, die in der Hauptstadt in kleinen Galerien sitzen, in perfektem Englisch von ihrer Ausbildung erzählen und ihren Plänen, mit strahlenden Augen. Hin und wieder werden sie leiser, wenn sie glauben, ein Mitarbeiter des Geheimdienstes sitzt am Nachbartisch. Sie erzählen von den riesigen Flächen am Nil, auf denen man Soja und Tierfutter anbauen kann für die Großverbraucher auf der arabischen Halbinsel. Die Golfstaaten sind gerade dabei, sich eine eigene Viehwirtschaft aufzubauen. Ihnen fehlt aber das Gras, das Futter für die Tiere. Für den Sudan eine große Chance.

Es gibt in Khartoum eine breite Schicht von gut ausgebildeten Menschen, die sofort loslegen könnten, die seit Jahren darauf warten, dass etwas passiert. Die aber auch wissen: Einfach wird es nicht. Die Korruption ist hoch, die Bürokratie kompliziert. Nach fast dreißig Jahren al-Baschir hat das Land einen miserablen Ruf. Man werde bald eine internationale PR-Kampagne starten, sagt der Investitionsminister.

Es sind dann aber wahrscheinlich gar nicht Europa und die USA, an die sich solche Kampagnen richten. Von dort hat man sich einiges erwartet, von dort ist man eher enttäuscht. Der Blick geht nach Osten. Staatschef al-Baschir ist kürzlich nach Russland gereist und hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Sudan begrüßt - und den Türken gleich die Insel Suakin überlassen, einen der ältesten Seehäfen Afrikas, vom dem früher die Pilger nach Saudi-Arabien übersetzten. So soll es wieder kommen durch die Investitionen der Türken. Mit Katar will die Regierung einen Vier-Milliarden-Dollar-Deal abschließen über einen neuen Hafen am Roten Meer. Es tut sich was im Sudan, aber ohne die Europäer.

Eisenbahnchef Mohamend Hamid Ahmed sagt, er halte große Stücke auf deutsche Qualität, würde viel lieber deutsche Lokomotiven kaufen als die chinesischen. "Nur kommen die einem armen Land wie uns eben bei den Ratenzahlungen entgegen", sagt Ahmed. Und sie kommen eben auch, aus Europa haben sich bisher nur die Rumänen blicken lassen - keine der ganz großen Eisenbahnnationen. Der Eisenbahnchef Ahmed muss nun selbst etwas kichern.

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