Süddeutsche Zeitung

Sudan:Mister Neustart

Abdalla Hamdok soll den Sudan als erster Premier nach dem Sturz von Diktator al-Baschir in eine demokratische Ära führen.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Die größte Qualifikation von Abdalla Hamdok ist vielleicht, dass er die letzten Jahrzehnte nicht im Sudan verbracht hat. Er war nicht Teil des Regimes von Omar al-Baschir, stand aber auch nicht auf der Seite seiner Gegner. Hamdok verließ das Land vor vielen Jahrzehnten, studierte Ökonomie in England und begann eine Karriere bei Internationalen Organisationen, arbeitete für die Internationale Arbeitsorganisation in Simbabwe, für die Afrikanische Entwicklungsbank in der Elfenbeinküste und wurde 2011 schließlich ein hoher Beamter der UN in Äthiopien. Ende vergangenen Jahres hatte der Diktator al-Baschir noch versucht, Hamdok zum Finanzminister zu machen, was dieser dankend ablehnte. Das Regime war damals schon so gut wie pleite, es wäre ein Posten gewesen, bei dem es nichts zu gewinnen gibt.

Ob es jetzt einfacher wird? Am späten Mittwochabend wurde Hamdok, Jahrgang 1956, zum neuen Premierminister des Sudan ernannt. Es ist ein ziemliches Himmelfahrtskommando, das er da übernommen hat. Er übernimmt ein Land, das dreißig Jahre lang von Diktator Omar al-Baschir regiert wurde, das ökonomisch am Abgrund steht. Viele Staatsangestellte bekommen nur noch einen kümmerlichen Lohn, wenn überhaupt, vor den Tankstellen bilden sich lange Schlangen.

Ein Weggefährte al-Baschirs wird darauf achten, dass sich nicht zuviel verändert

Die Erwartungen an Hamdok sind riesig. Viele Monate lang hatten Millionen vor allem junger Sudanesen gegen al-Baschir und seine Clique demonstriert, hatten ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Den Diktator sind sie los geworden, das alte System aber nur zum Teil. Über Hamdok steht formal noch der Vorsitzende des Souveränen Rates, General Abdel Fattah Abdelrahman Burhan, ein enger Weggefährte al-Baschirs, der darauf achten wird, dass sich nicht zu viel ändern wird im Sudan, dass die Armee ihre vielen Privilegien und Reichtümer nicht verlieren wird. Andererseits haben die Zivilisten im elfköpfigen Souveränen Rat die Mehrheit. Stellen sie sich schlau an, wird das alte Regime womöglich mehr Macht abgeben müssen, als ihm lieb ist. Einer ihrer Führer besitzt lukrative Goldminen in Darfur, wo die lokale Bevölkerung weiter brutal unterdrückt wird.

"Der Slogan der Revolution, 'Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit' wird das Programm der Übergangsperiode sein", sagte Hamdok nach seiner Ernennung. Gut drei Jahre lang wird er im Amt bleiben, dann soll es freie Wahlen gegen. Ob Hamdok dann auch auf der Kandidatenliste stehen wird, ist unklar. Seine ersten Maßnahmen werden ihn in der Bevölkerung wahrscheinlich nicht beliebt machen. "Der neue Premierminister steht vor großen Herausforderungen, er muss die Institutionen und die Staatsgewalt wieder herstellen", sagt Philipp Jahn, der Landesdirektor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum. Die Ministerien und Behörden des Landes sind oft zu reinen Versorgungsstellen für die Günstlinge des Regimes verkommen, Verwaltungsarbeit findet kaum noch statt.

In seiner Jugend war Hamdok Kommunist, zuletzt arbeitete er für die UN

Der Staat ist letztlich pleite, Hamdok muss wohl bald zahlreiche Subventionen abbauen, die dann aber Brot und Benzin für die Bevölkerung verteuern werden. Es wird Enttäuschungen und womöglich auch Proteste geben. "Mit dem Beginn der Übergangsperiode beginnt die schwierigste Phase der Reform", sagt Al-Rashed Saeed, ein Sprecher des Sudanesischen Berufsverbandes, der die Proteste gegen das alte Regime organisiert hatte und nun auch Hamdok unterstützt. In seiner Jugend war der neue Premier einst Kommunist, mittlerweile wird ihm aber zugetraut, zumindest die Grundlage für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu schaffen, bei den UN war er zuletzt stellvertretender Chef der Wirtschaftskommission für Afrika.

Großbritannien und die USA begrüßten am Donnerstag die Ernennung von Abdalla Hamdok, sie wollen wie andere westliche Staaten den Sudan nach al-Baschir nicht alleine den arabischen Nachbarn überlassen. Von Saudi-Arabien und den Emiraten bekam der Militärrat nach dem Sturz al-Baschirs drei Milliarden Dollar zugesagt. Von den Vereinigten Staaten erwartet die neue Regierung aus Militärs und Zivilisten, dass sie den Sudan von der Liste der Terrorunterstützer nehmen. Dies würde Investitionen erleichtern und Hilfsprogramme des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank ermöglichen.

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SZ vom 23.08.2019
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