Die Regenzeit im Sudan ist vorbei. Für die Menschen im Land ist das eine schlechte Nachricht. Denn es bedeutet, dass die von Wasser und Schlamm gedämpften Kämpfe sich wieder verschärfen, dass der Krieg wieder tödlicher und blutiger wird. Nach Angaben des sudanesischen Ärztenetzwerks verübten Kämpfer der Rapid Support Forces (RSF), die seit eineinhalb Jahren gegen die sudanesische Armee kämpft, am Freitag ein Massaker in einem Dorf südöstlich der Hauptstadt Khartum. Mindestens 124 Menschen starben.
UN-Generalsekretär António Guterres sagte am Montag, der Sudan sei gefangen in einem „Albtraum der Gewalt“. 14 Millionen Menschen hat der Krieg nach UN-Angaben vertrieben, mehr als jeder andere Konflikt auf der Welt. Zehntausende Zivilisten wurden getötet, mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Beiden Kriegsparteien, doch vor allem den RSF von General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, werden Kriegsverbrechen vorgeworfen, darunter die Versklavung von Frauen.
Widerstand kommt vor allem aus Russland
Doch Guterres stellte am Montag auch klar: Die UN werden keine Mission zum Schutz der Zivilisten in den Sudan entsenden. Die Bedingungen dafür seien nicht gegeben. Einen Blauhelmeinsatz beschließen müsste der UN-Sicherheitsrat. Doch das dürfte insbesondere am Widerstand Russlands scheitern, das selbst Forderungen nach humanitärem Zugang als unzulässigen Eingriff in die sudanesische Souveränität ansieht. Die beiden Kriegsparteien im Sudan lehnen bislang einen Waffenstillstand und jede Einmischung von außen ab. Abgesehen natürlich von Waffenlieferungen, die im Fall der Armee unter anderem Ägypten und im Fall der RSF vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate besorgen.
Für einen Dialog mit dem Sicherheitsrat über die „Bandbreite an Einsatzmodalitäten“, um Zivilisten zu schützen, sei er allerdings offen, sagte Guterres. Er griff damit, wenn auch zurückhaltend, die lauter werdenden Stimmen auf, denen zufolge die UN – und andere Akteure – bei allen unbestrittenen Schwierigkeiten ihre Möglichkeiten nicht ausschöpften. Anders gesagt: Zwischen Nichtstun und der Entsendung einer UN-Friedensmission müsse es auch Mittelwege geben.
Eine dieser Stimmen gehört dem kanadischen Friedensaktivisten Roméo Dallaire, der 1994 als Kommandant der UN-Friedenstruppe in Ruanda den dortigen Völkermord nicht verhindern konnte. Es sei zu befürchten, warnte er in einem Beitrag für die US-Zeitschrift Foreign Policy, dass sich die Geschichte im Sudan wiederhole. Sollte die von der RSF belagerte Stadt El Fasher in Nord-Darfur fallen, drohe dort „eine Welle ethnisch motivierter Tötungen“, die viel schlimmer werden könnte als alle vorangegangenen Gräuel in diesem Krieg.
„Die Lähmung des Sicherheitsrats ist keine Entschuldigung für Untätigkeit.“
Wenn eine voll ausgestattete UN-Mission politisch nicht durchsetzbar sei, so Dallaire, müsse man sich „innovativen Ideen“ öffnen. Sein Vorschlag: eine flexible multinationale Mission mit klar definiertem Schutzmandat. So wie die von Kenia angeführte Polizeitruppe, die derzeit in Haiti die Sicherheitslage verbessern soll – nicht beauftragt, aber autorisiert vom UN-Sicherheitsrat. Allerdings war es die Regierung von Haiti selbst, die internationale Hilfe anforderte.
„Die Lähmung des Sicherheitsrats ist keine Entschuldigung für Untätigkeit“, sagt auch der sudanesische Aktivist und Politikberater Amjed Farid Eltayeb. Man erreicht ihn am Telefon in Kairo, wohin er nach Kriegsbeginn geflohen ist. Eltayeb sieht das Hauptproblem darin, dass die internationale Gemeinschaft einen Waffenstillstand zur Bedingung für den effektiven Schutz von Zivilisten mache. Dabei gebe es viele Möglichkeiten, wie die Welt das Leid der Menschen im Land jetzt lindern könne, unterhalb einer UN-Friedensmission und oberhalb der rein humanitären Hilfe.
Eltayeb schlägt die Einrichtung sogenannter grüner Zonen vor. Sie müssten so zugeschnitten werden, dass auch Märkte und Felder innerhalb des geschützten Bereiches wären, um Zivilisten nicht nur Sicherheit, sondern auch ein halbwegs normales Leben zu bieten – und Unabhängigkeit von internationaler Hilfe. Überwacht werden sollten die grünen Zonen aus der Luft, per Satellit. Im Inneren solle eine zivile internationale Expertengruppe aus Ärzten, Lehrern und Polizisten einen geregelten Alltag sichern, gebildet aus den Helfern, die bereits im Land sind.
Analog zur Haiti-Truppe müsste der UN-Sicherheitsrat eine solche Mission nicht beschließen, sondern lediglich absegnen, sagt Eltayeb. Und wenn er sich darauf einigen könne, könnten auch die Kriegsparteien sich nicht verweigern.
Ohne mehr Druck von außen, sagt Eltayeb, werde es nicht gehen. Denn am Ende könne die Diskussion über den Schutz von Zivilisten nicht geführt werden, ohne zu fragen, vor wem sie geschützt werden müssen. Und das sei in erster Linie die RSF. „Wenn die USA den Menschen im Sudan wirklich helfen wollen, dann sollten sie die Vereinigten Arabischen Emirate dazu bringen, ihre Unterstützung für die RSF einzustellen“, sagt er.