Krieg im Sudan:Todesfalle Khartum

Krieg im Sudan: Nach Kämpfen steigt über der sudanesischen Hauptstadt Khartum Rauch auf.

Nach Kämpfen steigt über der sudanesischen Hauptstadt Khartum Rauch auf.

(Foto: dpa)

Nach dem Zusammenbruch der Sudan-Gespräche eskalieren die Kämpfe in Khartum und Darfur. Der UN-Sondergesandte wird zur Persona non grata erklärt. Und die Milizen missbrauchen die Zivilbevölkerung als Schutzschild.

Von Ben Heubl und Arne Perras

Und nun feuern sie wieder mit allem, was sie haben. Eine Woche ist verstrichen, seitdem die Verhandlungen zwischen den rivalisierenden Kriegsparteien im Sudan gescheitert sind. Die USA und Saudi-Arabien hatten versucht, eine dauerhafte Waffenruhe zu befördern. Ziel der Gespräche war zunächst gar kein Friedensabkommen, sondern eine Feuerpause, die es ermöglicht hätte, Zivilisten in den umkämpften Gebieten zu versorgen. Doch die vergangenen sechs Tage haben gezeigt: Die Gewalt in den Kampfgebieten nimmt wieder zu. Schwere Gefechte wurden vor allem aus Khartum und Darfur gemeldet, die Not der sudanesischen Bevölkerung wächst. Daran dürfte auch die jüngste Ankündigung nichts ändern, dass die Konfliktparteien angeblich für Samstag eine ganz kurze Waffenruhe von 24-Stunden für den ganzen Sudan vereinbart haben. Kaum einer glaubt noch daran.

Besonders umkämpft war Mitte der Woche ein Munitions- und Waffendepot der Armee im Süden Khartums, es wurde in Brand geschossen, dicke Rauchschwaden stiegen in den Himmel. Milizen der Rapid Support Forces (RSF) unter dem Kommando von Mohamed Hamdan Daglo, genannt Hemeti, wollen ein Lagerhaus erobert haben, die Armee unter General Abdel Fatah al-Burhan behauptet, dass sie die Angreifer zurückdrängen konnte.

Der UN-Sondergesandte wurde zur Persona non grata erklärt

Zur militärischen Eskalation kommen auch noch schwere diplomatische Verwerfungen. Das Burhan-Regime, das gegen Hemetis Truppen um die Vormacht im Staat kämpft, hat den UN-Sondergesandten Volker Perthes zur Persona non grata erklärt. Der Deutsche leitet die UN-Mission im Sudan, schon vor einiger Zeit hatte der General gefordert, Perthes abzuziehen. Nun macht der Armeechef offen Perthes für die Eskalation des Konflikts verantwortlich. Belege werden hierfür nicht erbracht, es spricht viel dafür, dass der Putsch-General nach einem Sündenbock sucht, um Druck von sich selbst abzulenken.

Allerdings war auch in Kreisen der zivilen politischen Kräfte zuweilen Frust über Perthes spürbar geworden, man warf ihm vor, dass er der demokratischen Bewegung zu wenig Aufmerksamkeit widme. So sitzt der UN-Sondergesandte zwischen allen Stühlen, es ist ein komplizierter Posten. Das Zerwürfnis mit al-Burhan macht die Arbeit der Vereinten Nationen im Sudan nicht leichter. Perthes, der zuletzt in Äthiopien für Gespräche unterwegs war, ist nun die Einreise in den Sudan verwehrt.

Die schlimmsten Kämpfe stehen womöglich noch bevor

Zivilisten in der Hauptstadt Khartum berichten der Süddeutschen Zeitung, dass sie sich gefangen fühlen und kaum noch Auswege aus der Gewalt sehen. Das hat auch mit der sehr besonderen Gefechtslage zu tun, die Sudan-Experten daran zweifeln lassen, dass eine der beiden Seiten tatsächlich diesen Krieg gewinnen könnte. Denn die RSF-Milizen haben sich über die ganze Stadt verbreitet und verschanzen sich häufig in privaten Häusern, sie besetzen teils auch Krankenhäuser oder Büros von humanitären Organisationen.

Es ist eine perfide Taktik: Sie setzen darauf, dass der Gegner im Falle eines Angriffs auf solche Ziele einen internationalen Aufschrei provoziert, denn Attacken auf Kliniken sind Kriegsverbrechen. Die Milizen allerdings begehen ebenfalls Verbrechen, wenn sie sich gezielt hinter Zivilisten verbarrikadieren. "Sie nutzen uns als Schutzschilde", schreibt eine Bewohnerin der SZ. "Viele Häuser in meiner Nachbarschaft sind von der RSF gestürmt worden, oder von bewaffneten Banden, sie stehlen oder nehmen Leute einfach fest", klagt die Frau aus Khartum, deren Name aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden kann. Sie berichtet auch von gezielten Hinrichtungen in ihrer Nachbarschaft. Unabhängig verifizieren lassen sich solche Vorwürfe zunächst nicht, aber sie decken sich mit ähnlichen Erzählungen. Manche wissen gar nicht mehr, wie sie die Leichen in den Straßen vor ihrer Haustür unter die Erde bringen sollen.

RSF-Milizionäre in einer Privatwohnung in Khartum (von der SZ verifziert).

RSF-Milizionäre in einer Privatwohnung in Khartum (von der SZ verifziert).

(Foto: Tweetpost/Benedikt Heubl)

Die Familien, die in der Hauptstadt in der Falle sitzen, haben kaum Möglichkeiten, sich den Übergriffen der Milizen zu entziehen. Heimlich geschossene Fotos aus Wohnungen belegen dies: Auf einem von der SZ verifizierten Bild lümmeln zwei RSF-Milizionäre im Wohnzimmer auf dem Sofa, einer ruht sich am Boden aus, der andere belegt das Sofa der Familie, sie haben Schnellfeuerwaffen an ihrer Seite. So ist dem Terror kaum zu entkommen.

Die RSF wird für viele Plünderungen in der Stadt verantwortlich gemacht, von denen manche über Videos dokumentiert sind, zum Beispiel in einem Geschäft am 18. April.

Wie es in Wohnungen sudanesischer Familien nach den Plünderungen aussieht, ist in mehreren Videos festgehalten.

Die Armee versucht, die RSF durch eine Offensive von mehreren Seiten aus der Hauptstadt zu verdrängen, die regulären Streitkräfte verfügen über mehr schwere Waffen als die RSF, sie bringen Panzer in Stellung und bombardieren Ziele aus der Luft. Die Gefahr, dabei Zivilisten mit in den Tod zu reißen, ist extrem hoch, und beide Kriegsparteien haben gezeigt, dass sie kaum Rücksicht auf das Leben von Zivilisten nehmen. Allerdings muss sich die Armee auf einen verlustreichen Häuserkampf mit der RSF einlassen, will sie Gelände in Khartum gutmachen. Die schlimmsten Kämpfe stehen womöglich noch bevor.

In all dem Elend gibt es manchmal Lichtblicke: So ist es Helfern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in dieser Woche gelungen, 280 Kinder aus einem Waisenhaus und Dutzende Betreuer aus der Schusslinie zu holen. Ein kleiner Erfolg in einem Meer von Problemen, das vor allem die Jüngsten trifft: Laut Unicef brauchen 13 Millionen sudanesische Kinder dringend Hilfe.

Aber wie könnte sie zu denen gelangen, die sie am dringlichsten brauchen? Solange die RSF in Khartum so viele Häuser und ganze Straßenzüge besetzt, ist zu befürchten, dass sie die Lieferungen plündern, um ihre Kämpfer zu ernähren.

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