Sudan:Ein Phantom in der Wüste

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Sudans Ex-Diktator Omar al-Baschir bei einer Zeremonie für den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan vor gut sechs Jahren in Ankara. Kurz nach dieser Aufnahme wurde er gestürzt. (Foto: Burhan Ozbilici/AP)

Der gestürzte Diktator Omar al-Baschir, der sich in Den Haag wegen Völkermordes verantworten muss, war beinahe in Vergessenheit geraten. Doch nun hat sich sein Anwalt gemeldet. Wie geht es weiter mit dem 80-Jährigen, der den Schutz der Armee genießt?

Von Arne Perras

Lange war nichts mehr zu hören von Omar al-Baschir, dem sudanesischen Ex-Diktator. Schon seit mehr als 15 Jahren möchte der Internationale Strafgerichtshof Baschir den Prozess machen, wegen Völkermords in Darfur. Aber die Richter kommen nicht an ihn heran. Baschir ist – nach allem, was man weiß – immer noch im Sudan, niemand liefert ihn aus.

Im gegenwärtigen Schlachtengetöse zweier rivalisierenden Generäle, die seit April 2023 um das Erbe des gestürzten Machthabers kämpfen, ist die juristische Causa Baschir und dessen Zukunft schon beinahe in Vergessenheit geraten. Jetzt allerdings meldete sich ein Anwalt des gestürzten Autokraten zu Wort, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Demnach hat die Armee Omar al-Bashir in ein Gefängnis der Stadt Merowe gebracht, 330 Kilometer nördlich der zerstörten Hauptstadt Khartum. Dort soll der 80-Jährige medizinisch behandelt werden.

„Sein Zustand ist nicht kritisch“, sagte Mohamed Hassan al-Amin. Allerdings sprach der Anwalt von „einigen Komplikationen“, die regelmäßige medizinische Untersuchungen und eine Therapie erforderten. Über das Leiden selbst machte er keine Angaben, die Ursachen der Symptome seien nicht diagnostiziert. Es sei aber möglich, dass sein Mandant nur im Ausland behandelt werden könne, sagte Amin.

Findet der Ex-Diktator doch noch Zuflucht im Exil?

Dieser Hinweis dürfte Spekulationen anheizen, wie es denn nun mit Baschir weitergeht. Findet er, mutmaßlich in einem Staat der arabischen Welt, doch noch Zuflucht im Exil, ohne sich der internationalen Strafjustiz zu stellen? Oder kann er früher oder später den Richtern in Den Haag gar nicht mehr entgehen? Baschirs Zukunft scheint derzeit immer noch offen zu sein, während sein Erbe härter umkämpft ist denn je.

Viel rätseln, ob der Ex-Diktator immer noch Einfluss nehmen kann mit seinen Verbindungen. Sicher ist, dass sein früherer, von Islamisten durchsetzter Apparat, auch jetzt noch ein wichtiger Faktor ist im Kampf um die Vormacht.

Durch Volksproteste war der Diktator 2019 gestürzt worden, schon bald verurteilte ihn ein sudanesisches Gericht in einem Korruptionsprozess zu zwei Jahren Haft; doch die Reformer und die Demokratiebewegung unterlagen bald im Machtkampf mit den Erben des Baschir-Regimes; wieder rissen Generäle die Macht an sich, inzwischen bekämpfen sich die rivalisierenden Lager aus dem Militär mit ihren hochgerüsteten Armeen gegenseitig.

Angeblich lebte er zuletzt in einer Militärbasis im Großraum Khartum

Über ihren langjährigen Oberbefehlshaber ließen die regulären Streitkräfte SAF lange Zeit wenig nach draußen dringen, offenbar wollten sie so Antworten auf zwei wichtige Fragen vernebeln: Wie krank ist Omar al-Baschir? Und wie verlässlich hält die Armee ihre schützende Hand über den Ex-Diktator? Angeblich lebte er zuletzt in einer Militärbasis in Omdurman, das zum Großraum Khartum gehört und heftig umkämpft ist. Unter welchen Umständen er dort allerdings seine Tage verbrachte, ob als Gefangener, Gast oder eher Patient, ist nicht bekannt.

Im Juli gab es Meldungen, wonach sich Baschir wegen seines Putsches 1989 verantworten sollte, angeblich könnte ihm deswegen sogar die Todesstrafe drohen. Doch ob die Armee, die immer wieder in der Geschichte auf das Mittel des Militärputsches setzte, ein solches Verfahren wirklich ernsthaft betreibt, wird von vielen bezweifelt. Womöglich ist es nur ein Ablenkungsmanöver, um andere Vorwürfe, wie sie etwa in Den Haag erhoben werden, ins Abseits zu schieben.

Der Internationale Strafgerichtshof erließ schon 2009 Haftbefehl gegen den damals noch regierenden Diktator. Er hatte im Darfurkrieg 2003 arabisch-stämmige Milizen aufgerüstet und gegen Aufständische nicht-arabischer Ethnien ins Feld geschickt. Deshalb muss er sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermords verantworten. Der Haftbefehl erregte damals Aufsehen, traf er doch erstmals in der Geschichte des Gerichts ein regierendes Staatsoberhaupt. Doch schon damals war unklar, wie er in die Zelle in Den Haag gelangen sollte, ohne eine Intervention von außen.

Millionen Zivilisten sind zwischen den Fronten gefangen und hungern

Die mordenden Darfur-Milizen von damals kamen – wie auch der Staatschef – ungestraft davon. Mehr noch: In ihren Reihen war ein Mann aufgestiegen, der nun wieder mit äußerster Brutalität wehrlose Zivilisten in Darfur verfolgen und massakrieren lässt: Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, Chef der Miliz Rapid Support Forces (RSF). Dieses Mal allerdings sind die Kriegsziele nicht auf Darfur im Westsudan begrenzt; dieses Mal geht es um die Macht im ganzen Sudan, mit verheerenden Folgen für Millionen Zivilisten, die zwischen den Fronten gefangen sind und hungern.

Weil Hemeti viel Unterstützung von den reichen Vereinigten Arabischen Emiraten bekommt, verfügt er über eine gut geölte Kriegsmaschinerie, mit Söldnern aus der ganzen Sahelzone. Sie haben im Kampf gegen die regulären Streitkräfte SAF große Geländegewinne erzielt. Und womöglich hat auch die Verlegung Baschirs jetzt vor allem militärische Gründe.

Es spricht viel dafür, dass die heftigen Kämpfe die Strategen der Armee SAF dazu bewogen haben, Baschir weiter weg von der Front nach Merowe zu verlegen. Die Armee will offenbar die Kontrolle über den alternden Ex-Diktator nicht verlieren. Schon gar nicht will sie, dass der alte Mann – mit all seinen guten Verbindungen – in die Hände des Gegners Hemeti fällt.

Vermutlich würden die RSF nicht einmal davor zurückschrecken, einen Ex-Diktator aus den Händen des Gegners zu rauben, wenn sie sich davon Vorteile versprechen. Sie könnten ihn dann entweder ausliefern und international punkten - oder, wenn sie den Ex-Diktator schützen, alte Verbündete Baschirs auf ihre eigene Seite ziehen. In beiden Fällen würde die Armee weiter geschwächt.

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