Sudan:39 Monate des Übergangs

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Militär und Opposition einigen sich, wer wie lange in dem afrikanischen Land regieren soll, bis es Wahlen geben wird. Viele sind aber skeptisch, dass Generäle und Milizen wirklich die Macht abgeben.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Am frühen Morgen kamen die Ersten auf die Straßen der sudanesischen Hauptstadt Khartoum und der Zwillingsmetropole Omdurman auf der anderen Seite des Nil. Die Menschen schwenkten die Flagge des Sudan und riefen: "Zivil, zivil." Auf dieses eine Wort lassen sich die Forderung der Opposition reduzieren, die seit Dezember für einen neuen Sudan kämpft, für eine Ablösung des Militärregimes und die Einsetzung einer zivilen Regierung. Mehr als 130 Menschen haben für dieses Ziel ihr Leben gelassen. In der Nacht zum Freitag ist die Opposition dem Ziel einen Schritt näher gekommen: Die Führer der Protestbewegung einigten sich mit den Militärs auf eine Übergangsregierung, die 39 Monate im Amt bleiben soll, danach gebe es freie Wahlen.

"Das ist der allererste Schritt zum Aufbau eines demokratischen Sudans", sagte der für die Opposition verhandelnde Siddig Jusif. Er hoffe auf "einen friedlichen Sudan ohne Krieg". Der stellvertretende Vorsitzende des Militärrats, Mohamed Hamdan Dagalo, erklärte: "Diese Einigung wird umfassend sein und niemanden ausschließen."

Auch der schlimmste Milizenführer soll zur vorläufigen Regierung gehören

Ob es tatsächlich so kommen wird, ist eine andere Frage. In den Jubel in der Hauptstadt Khartum mischten sich auch vorsichtige Stimmen. "Wir möchten vom Militärrat mehr Garantien sehen, sie haben schon viel versprochen und dann nicht gehalten", sagte Mohamed Ismail, ein 34-jähriger Ingenieur dem Sender al-Dschasira. Besonders kritisch sieht die Protestbewegung die künftige Rolle von General Mohamed Hamdan Dagalo, genannt Hemeti, dessen paramilitärische Milizen für das Massaker an den Demonstranten vom 3. Juni verantwortlich ist; der den Befehl gab, Frauen zu vergewaltigen und Oppositionelle in den Nil zu werfen. Auch er wird nun Teil der Übergangsregierung sein. Sie soll aus jeweils fünf Vertretern der Opposition und des Militärs bestehen, ein elfter wird von beiden gemeinsam bestimmt. Er wäre dann bei strittigen Entscheidungen derjenige, der den Ausschlag gibt, zu einer Mehrheit im Gremium verhelfen kann. Ein Parlament ist bisher nicht vorgesehen, die Ministerien sollen mit Technokraten besetzt werden. An der Spitze der Übergangsregierung wird für die ersten 21 Monate der Armeegeneral Abdel Fattah al-Burhan stehen. Anschließend übernimmt die Opposition für 18 Monate, dann soll es Wahlen geben. Die Einigung kam unter Vermittlung der Afrikanischen Union zu Stande, besonders Äthiopien hatte befürchtet, dass das Nachbarland ins Chaos stürzt.

Von der Untersuchung des Massakers am 3. Juni erwarten viele nur wenig

"Heute hat unsere Revolution gewonnen, und unser Sieg strahlt", teilte die Sudanese Professionals Association mit, ein Berufsverband von Ärzten, Lehrern und Richtern, der den Protest in den vergangenen Monaten maßgeblich organisiert hatte. Letztlich ist die nun gefundene Einigung ein klassischer Kompromiss. Die Militärs hatten bereits in einem Jahr wählen wollen, die Opposition erst in vier Jahren, so hat man sich in der Mitte getroffen. Den vielen jungen Demonstranten gibt das nun Zeit, sich zu organisieren, eigene Parteien zu gründen - sie hatten befürchtet, bei baldigen Wahlen vom alten Regime überrumpelt zu werden.

Nach der Übergangszeit und freien Wahlen soll sich das Militär komplett aus der Regierung und der Führung des Staates zurückziehen. Ein schwieriger Prozess, den Generälen gehören zahlreiche Unternehmen. Und Milizenführern wie Hemeti würde in einem freien Sudan wohl die Anklage wegen Völkermordes drohen, er und seine Truppen sind für den Genozid in Darfur verantwortlich. Sie werden keine Regierung zulassen, die sie vor Gericht stellt. Deshalb erwarten viele im Sudan auch nicht allzu viel von der nun angekündigten "transparenten" Untersuchung des Massakers vom 3. Juni. "Das ist die Realität im Sudan", sagte ein Demonstrant dem Sender al-Dschasira. "Die Milizen kontrollieren alles im Sudan. Wenn man also eine zivile Regierung haben will, muss man sich mit ihnen arrangieren."

© SZ vom 06.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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