Suche nach Atommüll-Endlager:Altmaiers kleiner Sieg

Bundesumweltminister Peter Altmaier hätte in dieser Woche ein Desaster erleben können. Das Gesetz für die Suche nach einem Atommüll-Endlager wäre beinahe am Streit über die Castoren gescheitert. Aber dann gelang es doch noch, den Kompromiss zu retten - endlich mal ein Erfolg für den CDU-Politiker.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Bürgerforum zum Atommüll-Endlager

Bundesumweltminister Peter Altmaier spricht auf dem Bürgerforum zum Atommüll-Endlager.  

(Foto: dpa)

Draußen treibt der Wind den Regen über das Land, aber drinnen ist jetzt gerade die Welt in Ordnung für Peter Altmaier, und zwar so was von in Ordnung. Der Saal in Heide ist rappelvoll mit Bürgern, Altmaier redet und redet. Eine Stromleitung soll gebaut werden, in Schleswig-Holstein. Erstmals dürfen sich Bürger daran finanziell beteiligen, also auch Profit damit machen. Es ist alles drin: Energiewende, Netzausbau, Bürgerbeteiligung. Am Ende nimmt der Umweltminister noch ein Bad in der Menge. Alles ist gut.

Es hätte ganz anders kommen können, keine 24 Stunden ist es her. In Berlin waren die Ministerpräsidenten der Länder mit der Kanzlerin zusammengekommen, es ging um Altmaiers letztes, sein größtes Projekt: die neue Suche nach einem Endlager. Alles hätte um ein Haar scheitern können, an einer Frage, die gar nichts mit der Suche an sich zu tun hat. Ein paar Castoren, die nicht mehr in das Zwischenlager in Gorleben sollen, die aber auch sonst keiner haben will. "Alle schließen alles aus und sagen, Altmaier muss liefern", meldet der CDU-Mann noch am Mittwochabend, es trifft die Lage ziemlich exakt. Fünf Länder mit Atomkraftwerken gibt es, und wo Atomkraftwerke sind, ist auch Platz für Castoren. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg wollen ein paar der Behälter nehmen, aber nicht alle. Niedersachsen sieht seine Pflicht mit Gorleben getan. Hessen und Bayern halten sich fein raus, Castoren passen schlecht zur Landtagswahl.

Ein Kompromiss, den Bund und Länder, Regierung und Opposition noch zwei Monate zuvor als historisch gefeiert hatten, kann plötzlich platzen: kein Zwischenlager - keine neue Endlagersuche. So dramatisch ist die Situation am Mittwochabend. Ohne verbindliche Zusagen, dass in Gorleben nicht mit immer neuen Castoren weiter Fakten geschaffen werden, schert Niedersachsen aus der Vereinbarung aus. Dann können auch die anderen rot-grünen Länder der neuen Standortsuche nicht mehr zustimmen. Das wäre es gewesen.

Billige Lösung

Um zu erfassen, wie ernst die Lage für Altmaier ist, muss man ein wenig zurückblicken. Ende März, kurz vor Ostern, sind die Ministerpräsidenten auch bei Merkel, wieder geht es um ein Projekt Altmaiers: die Strompreisbremse. Der Umweltminister hatte sie Ende Januar aus dem Hut gezaubert, sie richtet sich vor allem auf die Kosten des Ökostroms. Wochenlang hatte er auch damals mit den Ländern verhandelt, aber keinen gemeinsamen Nenner gefunden. An diesem Donnerstag Ende März aber muss er Zeuge werden, wie er nach einer Runde im Kanzleramt öffentlich abgewatscht wird. Denn einen seiner zentralen Vorschläge zerreißen die Länder in der Luft, es ist die einmalige, rückwirkende Kürzung von Ökostrom-Zahlungen. Auch die Kanzlerin sieht das so. "Es ist aber halt so", sagt Merkel, "dass der Bundesumweltminister qua Amt die Aufgabe hat, vielleicht auch einmal bestimmte Gedanken in die Debatte hineinzuwerfen." Bestimmte Gedanken, soso. Altmaier sitzt in der letzten Reihe und hört zu. Die Strompreisbremse verschwindet in der Versenkung.

Noch einmal darf das nicht passieren. So beginnt ein Rennen gegen die Zeit und gegen die Interessen, Startpunkt ist das Hotel Interconti in Berlin, am Montagabend. Die Chefs der vier Atomkonzerne erwarten Altmaier. Ihre Haltung ist neben jener der Länder der andere neuralgische Punkt. Wenn der Atommüll nicht mehr nach Gorleben soll, dann müssen die Konzerne mitmachen. Sie müssen die Zwischenlager ihrer Atomkraftwerke hergeben, die Anträge stellen. Plötzlich ist ausgerechnet die Atomwirtschaft, die seit jeher auf die billige Lösung in Gorleben drängt, am Drücker.

"Ich konnte nur nie beweisen, dass es klappt"

Die Unternehmen stellen Bedingungen; Altmaier fasst sie tags darauf in einem "Sachstandsbericht" zusammen. Sie fordern "uneingeschränkte politische Unterstützung" bei der Suche nach Alternativen, auch "die Übernahme aller sich aus der alternativen Zwischenlagerung ergebenden Mehrkosten durch die öffentliche Hand". Aber: Sie mauern nicht. Sie halten Altmaier nicht einmal hin.

Am Dienstagabend kommt Altmaier zum Sommerfest des Naturschutzbundes. Vor einem Jahr erlebte Altmaier hier einen begeisterten Empfang, es war einer seiner ersten öffentlichen Auftritte bei der deutschen Umweltbewegung. Der neue Umweltminister stand für einen anderen, offenen Stil, die Hoffnungen waren groß. Einige gescheiterte Vorstöße zum Klimaschutz und eine Strompreisbremse später sind die Erwartungen, vorsichtig gesagt, deutlich verhaltener. Und man erlebt an diesem Abend auch einen seltsam ernüchterten Minister. Den ganzen Tag habe er in Sachen Zwischenlager telefoniert, erzählt Altmaier. "Es kommt jetzt, wie es kommt."

Vieles sagt sich nun leicht am Ende dieser Woche. Er habe, beteuert Altmaier, nie ernsthaft um das Gesetz gebangt, dafür hätten zu viele zu viel in die neue Endlagersuche investiert. "Ich konnte nur nie beweisen, dass es klappt." Und ja, es wäre schon dumm gewesen, wenn die ganze Sache jetzt noch gescheitert wäre. "Aber eine politische Laufbahn beendet das nicht."

19 Zeilen, sieben Punkte

Irgendwann am Mittwoch muss Altmaier der rettende Gedanke gekommen sein: Die Entscheidung wird vertagt, dafür aber wird der Castor-Stopp für Gorleben ins Gesetz geschrieben. So bleibt den Betreibern der Atomkraftwerke nichts anderes übrig, als Alternativen zu suchen, natürlich mit "uneingeschränkter politischer Unterstützung". Es ist keine ideale Lösung, aber sie entkoppelt die Castoren vom eigentlichen Vorhaben, der Endlager-Suche. Altmaier schreibt es zusammen. Ein DIN-A4-Blatt lang, 19 Zeilen, sieben Punkte.

Wer am Ende wen zum Erfolg getrieben hat, darüber gibt es verschiedene Versionen. Am Donnerstagmorgen, zum Frühstück, präsentiert Altmaier seinen Plan den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Niedersachsen, Torsten Albig und Stephan Weil, zwei SPD-Männern. Am Ende wird es aus Hannover heißen, Altmaier habe so dringend einen Erfolg gebraucht, dass er sich einige Zugeständnisse habe abringen lassen. Und aus Berlin heißt es, Niedersachsen habe ganz dringend eine Verständigung gewollt - schon wegen Gorleben. Ohne ein neues Suchverfahren wäre Gorleben eben der einzige verbleibende Atommüll-Kandidat.

Am frühen Abend wird die Kanzlerin von einem "Durchbruch" sprechen. Das Ganze ist zwar nur eine Vertagung. Wenigstens aber mal keine Niederlage.

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