Stuttgart war lange Zeit spitze beim Stickoxid. Aber auch München, das wird leicht übersehen, war 2018 unter den Top drei der deutschen Großstädte mit zu hohen Stickoxidwerten. Im Jahresschnitt wurden in der bayerischen Landeshauptstadt 66 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Sie lag damit hinter Stuttgart (71) und Darmstadt (67) - jeweils bezogen auf die höchste lokale Luftbelastung. In Stuttgart wurden diese Werte Am Neckartor erhoben, einer Kreuzung an der Bundesstraße 14, in München an der Tegernseer Landstraße, die Teil des Mittleren Rings ist.
Inzwischen ist die Stickoxid-Belastung in Stuttgart stark gesunken. Nach aktuellen Berechnungen der Landesanstalt für Umwelt betrug der Durchschnittswert für die vergangenen zwölf Monate Ende November nur noch 54 Mikrogramm. Das ist zwar weiterhin mehr als die EU erlaubt (40 Mikrogramm), liegt aber deutlich unter dem Wert von 2018 - und auch deutlich unter den Münchner Werten aus dem vergangenen Jahr.
In München bleibt auf weiten Teilen des Mittleren Rings Tempo 60 erlaubt
Trotzdem ergreift man in Stuttgart jetzt weitere einschneidende Maßnahmen. Die Stadt wird im kommenden Jahr als erste deutsche Großstadt neben Fahrverboten für Euro-5-Diesel auf vier einzelnen Straßenabschnitten auch ein flächendeckendes Tempolimit von 40 Stundenkilometern einführen. Es wird für den gesamten Talkessel gelten und ist Teil des von Land und Stadt beschlossenen neuen Luftreinhalteplans. Zwar findet sich auch im Plan der Münchner Kollgen der Punkt "Verstetigung des Verkehrsflusses durch Geschwindigkeitsreduzierung". Dazu heißt es aber erklärend in einer Fußnote: "Diese Maßnahmen sind in Diskussion, wurden aber nicht konkret für die Aufnahme in die siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans (...) vorgeschlagen." Auf weiten Teilen des Mittleren Rings bleibt Tempo 60 erlaubt.
Isentalautobahn:Flammender Protest gegen den Verkehr
Anwohner machen mit Mahnfeuern entlang der A94 auf ihre zerstörte Lebensqualität aufmerksam, fordern wirksamen Lärmschutz und Tempolimits. Die für den Ausbau verantwortlichen Politiker flüchten sich derweil in Phrasen.
In der Autostadt Stuttgart betrifft die Geschwindigkeitsbegrenzung selbst die beiden Bundesstraßen, die durch den Talkessel führen. Dabei ist die Wirkung nur indirekt messbar. Testfahrten der Landesanstalt für Umwelt haben ergeben, dass Dieselmotoren bei Tempo 40 weniger Stickoxide ausstoßen, wenn das Auto bergauf fahren muss. Auf ebenen Strecken und bei Gefällen ergaben sich jedoch sogar leichte Verschlechterungen gegenüber Tempo 50. Trotzdem erwarten sich Stadt und Land einen Rückgang der Schadstoffbelastung, weil sie sich einen flüssigeren Verkehr und weniger Beschleunigungsvorgänge versprechen. Außerdem gehen sie davon aus, dass Autofahrer, die nicht zwingend einen Weg durch den Talkessel wählen müssen, auf andere Strecken ausweichen. Die Modellrechnung eines auf Verkehr spezialisierten Ingenieurbüros sagt eine Reduzierung der Stickstoffdioxidemissionen um 7,6 Prozent im Talkessel voraus.
Anfang des Jahres sollen die Tempo-40-Schilder nach und nach montiert werden. Bislang waren die Reaktionen gelassen. Sogar der ADAC hat auf Protest verzichtet. Der Interessensverband mahnte zwar "weitere Maßnahmen zur Verflüssigung des Verkehrsablaufes und zur Stauvermeidung" an, kam aber zu dem Schluss: "Zuletzt hat sich eine Temporeduzierung auf einigen Strecken in Stuttgart schon bewährt und auch in Zukunft kann man mit Tempo 40 entspannt in Stuttgart an sein Ziel kommen."