Heiner Geißler führt die Schlichtung zum Streit um den Stuttgarter Tiefbahnhof wie eine Tarifverhandlung. In festgefahrenen Konflikten um Einkommen und Arbeitsbedingungen hat es sich bewährt, die Gegner zu später Stunde mit einem Kompromiss zu überraschen, auf den sich dann alle grummelnd einigen können.
Heiner Geißler bringt eine neue Lösung für den Stuttgarter Bahnhof ins Gespräch.
(Foto: dapd)Aber der Streit um Stuttgart 21 ist anders. Dort gibt es Ja, Nein und ein sehr kompliziertes Ja, aber. Das Aber, das Geißler jetzt vorschlägt, ist kein Abrakadabra. Am Ende werden Sieger und Verlierer in Stuttgarts Mitte stehen, ja sogar mitten in der Regierung.
Denn tatsächlich geht es bei dem schwäbischen Großkonflikt um viel mehr als nur um einen Bahnhof und dessen Zufahrtsstrecken. Es geht um das Gesicht von Deutschlands sechstgrößter Stadt. Bleibt es so, wie es in Jahrzehnten gewachsen ist, oder entsteht etwas Neues?
Insofern ist Geißlers kombinierter Alt- und Neubahnhof nicht viel mehr als ein gut gemeinter Versuch, der weder die einen noch die anderen zufriedenstellen kann. Die Gegner würden einen Großteil ihrer Bedenken behalten, für die Freunde des Konzepts fiele der geplante neue Stadtteil flach, an den sich viele Fantasien knüpfen. Entsprechend verhalten sind die Reaktionen.
Geißler will sich seine Schlichtung nicht zerstören lassen. Aber das Verständnis der Bürger für den Konflikt zerbröselt umso mehr, je länger sich die Kontrahenten zwischen Analysen von Zugbewegungen und Begriffen wie "premium" und "optimal" zerreiben.
Geißler, der politische Fuchs, hätte von Beginn an ahnen können, dass kein noch so perfekter Stresstest eine Entscheidung vorwegnehmen kann, die sich nur politisch treffen lässt.
