Stuttgart 21:Vom Bauherren, der den Bau nicht will

Die Situation ist absurd: Die grün-rote Regierung lässt Geißlers Kombibahnhof prüfen, obwohl alle wissen, dass er nur die Nachteile von Tief- und Kopfbahnhof vereint. Stuttgart 21 wird wohl gebaut werden - obwohl selbst die Bahn keine Lust mehr auf das Großprojekt hat. Sie würde das Geld lieber für etwas anderes ausgeben.

Sebastian Beck

Es wirkt inzwischen schon peinlich, wie die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg durch den politischen Irrgarten von Stuttgart 21 stolpert. Weil sie selbst keinen Ausweg findet, bittet sie andere, dass sie ihr wenigstens um die nächste Ecke helfen: Deshalb sollen nun Bahn und Stadt Stuttgart bis Ende August sagen, was sie von Geißlers Kombibahnhof halten, obwohl deren Meinung längst bekannt ist.

Der Prüfungsauftrag zeigt, dass Grüne und SPD selbst vergleichsweise einfache Aufgaben nicht lösen können, wenn es um Stuttgart 21 geht. Insbesondere die Grünen haben Angst davor, ihrer Klientel eine schlichte Wahrheit zuzumuten: Geißlers Vorschlag für eine Kombination aus Kopf- und Tunnelbahnhof ist untauglich.

Der Schlichter hat damit nicht etwa für "Frieden in Stuttgart" gesorgt, sondern die verworrene Diskussion um eine weitere Facette bereichert. Christoph Ingenhoven, der Architekt des Tunnelbahnhofs, charakterisierte die Qualität des Kompromissvorschlags zutreffend in einem Satz: Dadurch würden bloß die Nachteile der ober- und unterirdischen Varianten vereinigt.

Die Idee für einen Kombibahnhof ist bereits vor Jahren verworfen worden - zu Recht. Das sehen auch Bahn und Stadt Stuttgart so: Würde der Kombibahnhof gebaut, blieben oben die Gleise liegen, unten müsste aber trotzdem gebohrt werden. Damit könnten weder Gegner noch Befürworter des Projekts zufrieden sein, ganz abgesehen davon, dass es für diese Variante weder eine Planung noch eine Finanzierung gibt. Überdies dürfte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer kein allzu großes Interesse daran haben, Grünen und SPD in Baden-Württemberg zu einem politischen Erfolg zu verhelfen - sein Veto ist sicher.

Wie aber soll es nun weitergehen? Am wahrscheinlichsten ist derzeit dieses Szenario: Die Projektpartner von Stadt und Bahn werden wie erwartet den Kombibahnhof ablehnen; anschließend werden ihre Expertisen ebenso lange wiedergekäut wie das Ergebnis des Stresstests. Ende des Jahres könnte es zur Volksabstimmung kommen, die aller Voraussicht nach mit einem Sieg der Befürworter enden wird. Der Konflikt wäre dann zwar endlich entschärft, die Grünen aber hätten eine schlimme Niederlage erlitten: Denn mit Ausnahme von Ministerpräsident Winfried Kretschmann haben ihre Spitzenpolitiker vor der Landtagswahl so getan, als sei der Ausstieg aus Stuttgart 21 kein Problem.

Nun aber scheint es doch anders zu kommen. Das Absurde daran ist: Selbst die Bahn hat keine große Lust mehr auf Stuttgart 21. Dieses Projekt wurde ihr vor Jahren von Politikern aufs Auge gedrückt. Jetzt soll sie es aber samt den damit verbundenen Image-Risiken ganz alleine verantworten. Ginge es nach der Bahn, würde vor allem der Güterverkehr ausgebaut: Doch Milliarden für neue Signalanlagen, für Weichen oder Oberleitungen sind der Politik anscheinend zu langweilig.

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