Süddeutsche Zeitung

Stuttgart 21:Unterirdisch

Großprojekte in Deutschland sind unkalkulierbar geworden.

Von Markus Balser

Dass die Löcher noch tiefer, die Verzögerungen noch größer werden könnten - damit hat wohl selbst in Stuttgart kaum mehr jemand gerechnet. Schließlich ist die jüngste Kostensteigerung gerade mal vier Wochen alt. Doch der neue unterirdische Bahnhof Stuttgart 21 wird wohl noch teurer als erwartet - und noch später fertig. Die Flughafenplaner des Berliner Pannenpendants BER werden angesichts der Nachrichten aus Baden-Württemberg an diesem Donnerstag erleichtert auf die eigene Bilanz schauen. Stuttgart erarbeitet sich zumindest beim finanziellen Ausmaß des Debakels wieder einen Vorsprung.

Erneut liefern Planer damit einen Beleg dafür, dass Großprojekte in Deutschland kaum noch kalkulierbar sind. Elbphilharmonie in Hamburg, der Hauptstadt-Flughafen und nun erneut Stuttgart 21: Bei vielen Vorhaben, für die der Staat mitverantwortlich ist, sind die ursprünglichen Pläne schnell Makulatur. Der Verdacht liegt nah, dass die Politik zu Beginn manches gar nicht so genau wissen will, um den Start von Prestigeprojekten bloß nicht zu gefährden. Sorgen sollte den Steuerzahlern machen, dass niemand daraus Konsequenzen zieht. In Großbritannien entstand vor zwei Jahren eine nationale Behörde, um bei Großprojekten Planungserfahrung einzubringen - und über Staatsmilliarden zu wachen. Ähnliche Lehren sind hierzulande nicht in Sicht. In Deutschland wird weiter gerechnet. Projekt für Projekt. Und Loch für Loch.

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Quelle:
SZ vom 26.01.2018
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