Stuttgart 21:Teurer als gedacht

Die Kosten für die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm liegen einem Gutachten zufolge weit über bisherigen Annahmen. Die Grünen warnen vor einem "Fass ohne Boden".

Der Bau der Schnellbahnstrecke Stuttgart-Ulm wird einem Gutachten zufolge viel teurer als bislang angenommen. Statt der von der Deutschen Bahn mit 2,9 Milliarden Euro veranschlagten Kosten seien wegen zahlreicher Tunnel im bergigen Gelände Ausgaben von mindestens 4,6 Milliarden Euro zu erwarten, heißt es in dem von den Grünen beauftragten Bericht der Münchner Gutachter Vieregg&Rössler.

Protests Overshadow Stuttgart Rail Project

Seit Monaten protestieren Zehntausende gegen das Bahn-Projekt Stuttgart 21.

(Foto: Getty Images)

Sollte die Bahn nicht umplanen und kostengünstigere Maschinen für den Tunnelbau benutzen, seien sogar Kosten von mehr als zehn Milliarden Euro denkbar. Dies könne insbesondere passieren, wenn man aufgrund der schwierigen hydrologischen Bedingungen der Gegend im schlimmsten Fall auf Wasser in den Höhlen stoße.

Die Bahn schätze die Kosten zu gering ein und unterschlage die bei den jüngsten Schnellbahnstrecken tatsächlich angefallenen Ausgaben, kritisierten die Gutachter Martin Vieregg und Karlheinz Rössler. Wegen der Streckenführung über den Gebirgszug Schwäbische Alb lägen die Kosten für den Bau der Trasse von Stuttgart nach Ulm voraussichtlich deutlich über den Kosten pro Kilometer, die für die Bahnstrecke von Nürnberg nach Ingolstadt anfielen.

Der Grünen-Verkehrspolitiker Winfried Hermann sagte, die Erfahrung mit Bauprojekten der Bahn lehre, dass die im Zuge des Bahnhofsumbaus in Stuttgart geplante Schnellbahnstrecke nach Ulm am Ende zehn Milliarden Euro kosten werde. "Dieses Projekt ist der mit Abstand größte Kostenknaller", sagte der Bundestagsabgeordnete.

Der Bund solle als Eigentümer der Bahn "die Reißleine ziehen" und das Projekt Stuttgart 21 beenden. Die Kosten für den Stopp des Projekts lägen zwischen 400 und 500 Millionen Euro. Die von der Bahn dafür genannten Kosten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro seien "aberwitzig".

Die Deutsche Bahn hat ihre ursprünglichen Kostenplanungen für Stuttgart 21 und die ICE-Strecke nach Ulm bereits deutlich erhöht. Die jüngsten Berechnungen der Gutachter Vieregg und Rössler wies der Konzern bereits vor einigen Tagen als unzutreffend zurück. Das Gutachterbüro habe schon in der Vergangenheit Kostenberechnungen angestellt, die sich als falsch erwiesen hätten, erklärte der Konzern.

Laut einem Bericht des Magazins Stern führten die genauen Berechnungen von Vieregg&Rössler dazu, dass vor einigen Jahren die Transrapid-Magnetschwebebahn zum Münchner Flughafen aufgegeben wurde.

"Stuttgart 21 entzweit die Bevölkerung"

In der baden-württembergischen SPD ist man indes darum bemüht, den vehementen Widerstand der Bevölkerung ernstzunehmen - schließlich stehen im Frühjahr 2010 Landtagswahlen an. Die Südwest-SPD erklärte, man halte einen Volksentscheid über das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 trotz geschlossener Verträge und laufender Bauarbeiten noch für möglich.

Der Landeschef der Sozialdemokraten, Nils Schmid, sagte in Stuttgart über ein landesweites Plebiszit: "Dieses kann man herbeiführen." Als Grund für die Volksbefragung nannte er den massiven Protest gegen das Vorhaben: "Das Projekt Stuttgart 21 entzweit die Bevölkerung."

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel betonte zugleich: "Das ist keine Absage an das Projekt." Es gehe darum, die Akzeptanz für das Vorhaben zu verstärken.

Die Sozialdemokraten schlagen allerdings kein Volksbegehren vor, für das man die Unterschriften von einem Sechstel der Bevölkerung sammeln müsste. Stattdessen soll die schwarz-gelbe Landesregierung ein "Gesetz über den Ausstieg aus den Verträgen" in den Landtag einbringen. Wenn das Parlament dieses Gesetz ablehnt, wäre laut Wieland ein Volksentscheid möglich. Ein Drittel der Abgeordneten des Landtags könnte dann ein Plebiszit beschließen.

Schmiedel erklärte, auch CDU und FDP müssten ein Interesse an einer "konfliktfreien Umsetzung" des Projekts haben. Eine Volksabstimmung könne noch in diesem Jahr umgesetzt werden.

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