Deutsche BahnStuttgart 21 dauert noch länger

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Nicht nur die Eröffnung des neuen Stuttgarter Bahnhofs hat sich um Jahre verzögert. Auch die Kosten stiegen immer weiter: von ursprünglich veranschlagten maximal 4,5 auf bis zu 11,5 Milliarden Euro.
Nicht nur die Eröffnung des neuen Stuttgarter Bahnhofs hat sich um Jahre verzögert. Auch die Kosten stiegen immer weiter: von ursprünglich veranschlagten maximal 4,5 auf bis zu 11,5 Milliarden Euro. (Foto: Michael Nguyen/Imago)
  • Der neue Stuttgarter Tiefbahnhof wird Ende 2026 teilweise eröffnet, wobei der alte Kopfbahnhof noch bis Mitte 2027 parallel genutzt wird.
  • Ab Dezember 2026 fahren alle Fernverkehrszüge außer der Gäubahn durch den neuen Bahnhof, wodurch sich Reisezeiten auf vielen Strecken erheblich verkürzen.
  • Die Kosten für Stuttgart 21 sind von ursprünglich 4,5 Milliarden Euro auf bis zu 11,5 Milliarden Euro gestiegen.
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Der neue Bahnhof wird Ende 2026 zunächst nur teilweise eröffnet, der alte soll noch bis Mitte 2027 erhalten bleiben. Die Bahn will damit die Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste verringern. Für den Konzern ist es aber auch eine Niederlage.

Von Max Ferstl und Roland Muschel, Stuttgart

An einem lauen Sommerabend vor gut einer Woche steht Olaf Drescher auf einer Empore auf der Baustelle des neuen Stuttgarter Tiefbahnhofs. „Wir wollen heute etwas enthüllen“, sagt der Chef von Stuttgart 21, und weil sich langjährige S21-Beobachter an der Stelle auf das Schlimmste gefasst machen, fügt Drescher hinzu: etwas Positives.

Kurz darauf zieht ein Kran eine Plane in die Höhe, zum Vorschein kommt eine gewaltige Kuppel aus Stahl und Glas. Sie markiert einen von vier Zugängen zum künftigen Bahnhof. „Die schönste Gitterschale auf der ganzen Welt“, sagt der Geschäftsführer des Bauunternehmens. Und einer der Bahnhofsfans im Publikum wagt die kühne These, dass die Kuppel den Vergleich mit der berühmten Pyramide des Pariser Louvre nicht zu scheuen brauche.

Damit Stuttgart 21 ans Netz gehen kann, müssen viele Strecken umgebaut  und gesperrt werden

Gut möglich, dass der neue Bahnhof tatsächlich einmal Architekturfans anlocken wird. Die S21-Fans hoffen ja auf eine Art Elbphilharmonie-Effekt: Hatte nicht die ganze Republik über die ausufernden Kosten für das Hamburger Konzerthaus gelästert, nur um nach der Eröffnung in Begeisterung zu schwelgen? Na, also!

Dafür muss Stuttgart 21 aber erstmal voll funktionsfähig sein. Und das wird, wie die Bahn am Freitagnachmittag bekannt gab, mal wieder nicht so schnell klappen wie geplant. Der Tiefbahnhof wird Ende 2026 nicht vollständig in Betrieb gehen, sondern nur teilweise. Der alte Kopfbahnhof, an dem bisher die Züge ankommen und der durch den neuen Bahnhof ersetzt werden soll, bleibt noch bis Mitte 2027 erhalten. Darauf hat sich der sogenannte Lenkungskreis verständigt, in dem neben der Bahn auch Vertreter des Landes Baden-Württemberg, der Stadt und der Region Stuttgart sitzen. Mit der Teileröffnung will die Bahn die Unannehmlichkeiten dämpfen, die mit dem Anschluss von S21 ans Netz einhergehen.

Bauarbeiter arbeiten in der Bahnsteighalle für den neuen Tiefbahnhof in Stuttgart.
Bauarbeiter arbeiten in der Bahnsteighalle für den neuen Tiefbahnhof in Stuttgart. (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Das bisherige Konzept hätte „einen sehr großen Bedarf an sich teilweise überlagernden Streckensperrungen erfordert“, sagte Bahn-Infrastrukturchef Berthold Huber laut einer Mitteilung. Zum Beispiel müssen viele Gleise umgelegt werden, auch der nahegelegene Bahnhof in Bad Cannstatt benötigt einen aufwändigen Umbau. Es wären sehr viele Züge ausgefallen, sodass die Bahn mit Schienenersatzverkehr nicht hinterhergekommen wäre. Dieses Chaos und den damit verbundenen Frust der Bahnfahrer wollen sich die Projektpartner dem Vernehmen nach ersparen. Mit der Teilinbetriebnahme wolle man „die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste so weit wie möglich“ verringern, sagte Huber. Geben wird es sie trotzdem, allerdings nicht so geballt. „Die Leidenszeit der Fahrgäste dauert länger, aber sie wird erträglicher – und vor allem: planbarer“, sagt Winfried Hermann, Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister.

Stuttgart 21 werde „vom Start weg ein Gewinn für viele Reisende“ sein, sagt der Bahn-Infrastrukturchef

Geplant ist, dass von Dezember 2026 an alle Züge des Fernverkehrs durch den neuen Tiefenbahnhof fahren. Ausnahme ist die Gäubahn, die von Singen nahe der Schweizer Grenze bis nach Stuttgart führt und weiterhin am alten Kopfbahnhof ankommen wird – ebenso wie die Hälfte des Nahverkehrs. Eröffnet werden auch der Fernbahnhof am Flughafen sowie der Abstellbahnhof in Untertürkheim.

Infrastrukturchef Huber betont, dass Stuttgart 21 „vom Start weg ein Gewinn für viele Reisende“ sein werde. Die Reisezeiten sollen sich auf vielen Strecken erheblich verkürzen: Wer von Stuttgart nach Ulm will, braucht dann nur noch 28 Minuten statt 43 wie bisher. Die Fahrt nach München verkürzt sich um 18 Minuten auf 1:40 Stunden. Und am Stuttgarter Flughafen ist man vom Hauptbahnhof aus in sechs Minuten, bislang braucht man dafür fast eine halbe Stunde.

All die Vorzüge können nicht verdecken, dass die Teileröffnung für die Bahn auch eine Niederlage ist, die nächste Verzögerung in der Geschichte einer Baustelle, deren Fertigstellung immer weiter nach hinten rückte und die immer teurer wurde. 2009, bei der Unterzeichung des Finanzierungsvertrags für Stuttgart 21, war von Kosten bis maximal 4,5 Milliarden Euro die Rede. Inzwischen werden bis zu 11,5 Milliarden Euro veranschlagt. Und klar ist, dass die nun verkündete Doppelnutzung der Stuttgarter Bahnhöfe weitere Kosten verursachen wird. Dem Vernehmen nach geht die Bahn allerdings nicht davon aus, dass sie den bisherigen Rahmen sprengen wird.

Zweifellos Folgen haben wird die Teileröffnung für die Stadt Stuttgart. Denn Stuttgart 21 ist mehr als nur ein neuer Bahnhof. Es ist auch Ausgangspunkt für ein neues Stadtviertel: Rosenstein. Bis zu 5700 neue Wohnungen sollen dort entstehen. Während also vor allem die Fernreisenden von der Teileröffnung profitieren, müssen sich diejenigen gedulden, die auf neue, bezahlbare Wohnungen hoffen.

Für das Vorhaben hat die Stadt Stuttgart der Bahn bereits 2001 das sogenannte Gleisvorfeld abgekauft, das Gelände, auf dem derzeit die Züge in den oberirdischen Bahnhof fahren. Die Stadt kann aber erst richtig loslegen, wenn die oberirdischen Gleise abgebaut werden. Seit Freitag steht fest: Der alte Bahnhof wird doch noch etwas länger gebraucht.

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